Wieso hilft niemand den Menschen im Libanon?

Man könnte den Menschen im Libanon jetzt helfen, wenn man denn wollte. (Symbolbild: Sebastian Bartoschek/ Midjourney)

Menschen sterben im Libanon. Diese Menschen sterben auch deswegen, weil die westliche Gemeinschaft zu lange nur daneben stand und nichts tat. Die Menschen im Libanon wurden und werden alleine gelassen. Ihr Elend nahm man zwar aus den Augenwinkeln wahr, aber das war es dann auch. Jetzt gibt es die Möglichkeit, endlich etwas an der Situation der Menschen im Libanon zu ändern und ihnen ein selbstbestimmtes und freies Leben in Sicherheit zu ermöglichen. Stattdessen erleben wir in den letzten Tagen aber nur eins: der Westen schaut tatenlos zu.

Wir sollten uns nichts in die Tasche lügen. Im Durchschnitt weiß der Deutsche so gut wie nichts über den Libanon. Vielleicht weiß man noch, dass er nördlich von Israel liegt. Um es weiter für den Durchschnittsisraelkritiker hierzulande einfach zu machen: Der Libanon ist in etwa viermal so groß wie das Saarland und hat die fünffache Bevölkerung – also gut 5,5 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Die Hauptstadt ist Beirut. Seit Jahren hat der Libanon kein Staatsoberhaupt, was Teil des Problems ist, über das wir hier sprechen sollen.

Im Ruhrgebiet kennt man den Libanon vielleicht noch daher, dass man libanesische Familien kennt, die im Laufe eines der Bürgerkriege im Libanon nach Deutschland gekommen sind. Wofür dann aber die meisten in Deutschland den Libanon kennen, ist die Hisbollah. Da hört es dann auch schon wieder auf, und kaum jemand fragt sich, wie es eigentlich sein kann, dass die Hisbollah die Stärke hat, die sie eben hat. Viele gehen irgendwie davon aus, dass die Hisbollah entweder so etwas wie die reguläre Armee des Libanon ist oder letztlich eine kleine Gruppierung, die vom Staat geduldet wird. Aber auch hier sollten wir ehrlich sein: Die allermeisten machen sich keinerlei Gedanken dazu, wie es eigentlich mit der Hisbollah und dem Libanon genau ist.

Deswegen machen wir es ganz einfach: Die Hisbollah ist eine islamistische, paramilitärische Organisation, die de facto den gesamten Süden des Libanon kontrolliert. Dort übernimmt sie neben der militärischen Präsenz auch so etwas wie die Funktion eines Rumpfstaates. Der Libanon selbst hat natürlich auch Streitkräfte, eine Regierung und eine Verwaltung. Doch sind all diese Institutionen so schwach, dass sie der Hisbollah im Süden nichts entgegensetzen können. Im Libanon leben sehr viele unterschiedliche Bevölkerungs- und Religionsgruppen zusammen. Sie alle wollen durch die libanesische Regierung vertreten werden, und das allein macht es im Libanon schon schwierig. Die Hisbollah will niemanden vertreten außer den Islamismus, gibt sich dabei einen schiitischen Anstrich und wird massiv mit Geld und Unterstützung des Irans versorgt. Vertreter des libanesischen Staates selbst sprechen davon, dass der libanesische Staat ein „Failed State“ sei. Seit einigen Jahren ist es sogar nicht gelungen, ein Staatsoberhaupt zu wählen.

Es ist vermessen bis dumm, wenn deutsche Kommentatoren die Hisbollah mit dem Libanon gleichsetzen oder so tun, als würden die libanesischen Bürger gewissermaßen hinter der Hisbollah stehen. Wieso sollte ein libanesischer Christ Gefallen an islamistischen Antisemiten finden? Und trotzdem stört man sich im Westen seit vielen Jahren nicht daran, dass diese islamistische, paramilitärische Miliz einen Staat gewissermaßen als Geisel halten kann. Der einzige Staat, den das Ganze wirklich interessiert, ist Israel. Sicherlich kann man davon ausgehen, dass ein großer Teil des Interesses der Israelis an der Situation im Libanon auch daher rührt, dass der Norden Israels kontinuierlich mit Raketen aus dem Süden des Libanon, also von der Hisbollah, beschossen wird. Auch wenn man in deutschen Kommentarspalten den Eindruck gewinnen mag, dass man eine solche Bombardierung in Deutschland schlicht einfach nur zur Kenntnis nehmen würde und kein Problem damit hätte, wenn täglich Hunderte Raketen auf Hamburg abgeschossen würden, so mag zumindest der ein oder andere denkende Leser nachvollziehen können, dass Israel sich hierdurch zum Handeln gezwungen sieht. Anders als für die deutschen Kommentatoren ist es für Israel nämlich keine Option, dauerhaft ganze Landstriche im Norden evakuiert zu lassen, damit die Hisbollah hier ungestört bombardieren darf.

Israel sieht sich also regelmäßig dazu gezwungen, gegen die Hisbollah im Süden des Libanon – nördlich von Israel, zur Erinnerung – vorzugehen. In der langen Geschichte der Versuche der Hisbollah, Israel auszulöschen, gab es dabei sowohl Boden- als auch Luftoffensiven. Die aktuelle Offensive Israels wurde von einer der wohl beeindruckendsten Geheimdienstoperationen der letzten Jahrhunderte eingeleitet, gefolgt von hocheffizienten Luftschlägen und mündet nun in eine Bodenoffensive. Israel hat dabei de facto die gesamte Führungselite der Hisbollah ausgeschaltet, den Mittelbau massiv dezimiert und auch die Infrastruktur der Hisbollah zerstört. Am Ende wird eine deutlich geschwächte, wenn nicht sogar vorübergehend ausgeschaltete Hisbollah stehen. Der Westen wird dann dem Libanon Mittel zum Wiederaufbau geben, und der Iran wird die Hisbollah erneut massiv unterstützen. In einigen Jahren bis Jahrzehnten wird die Hisbollah wieder versuchen, Israel auszulöschen – und wieder scheitern.

Man könnte diesen Kreislauf aber durchbrechen. Man könnte es tun, wenn man wirklich Anteil an den arabischen Menschen im Nahen Osten nehmen würde, und nicht nur mühsam versuchte, seinen Antisemitismus hinter angeblicher Anteilnahme zu verstecken. Wenn man nämlich wirklich Anteil am Schicksal der arabischen Menschen im Nahen Osten nehmen würde, dann würde man spätestens jetzt Schritte unternehmen, um den Menschen zu helfen, einen freien, demokratisch regierten und stabilen Libanon zu ermöglichen.

Klassischerweise wären UN-Truppen etwas, das man nun gut in den Südlibanon entsenden könnte, gut bewaffnet und mit einem klaren Auftrag. Die Mehrheit der Staaten der UN gibt ja immer wieder vor, dass sie angeblich sehr daran interessiert seien, dass es den arabischen Menschen im Nahen Osten gut geht. Insofern dürften all diese Staaten überhaupt kein Problem damit haben, wenn eine paramilitärische Terror-Miliz nun vertrieben und ein demokratischer Staat stabilisiert und erhalten würde. Es geht doch allen um die Menschen, um die arabischen Kinder. Es geht doch nicht nur darum, seinem Hass auf Israel Ausdruck zu verleihen. Insofern darf von der UN genau dies erwartet werden. Obwohl – „erwartet“ ist falsch. Tatsächlich sollte man von der UN erwarten, dass sie ein Interesse daran hätte, den libanesischen Menschen wirklich zu helfen. De facto ist aber augenscheinlich, dass es der UN darum überhaupt nicht geht, sondern dass in New York letztlich einfach der große Hofball des Antisemitismus seine Runden feiert.

Zumindest könnte man aber erwarten, dass die Kommentatoren in den deutschen Medien genau dies massiv von ihrer Politik einfordern. Aber sie tun es nicht. Man mag sich fragen: Sind auch für all diese Kommentatoren, gerade auch in sogenannten „deutschen Leitmedien“, arabische Kinderleben nur dann etwas wert, wenn es um eine mutmaßliche Bedrohung dieser Leben durch Israel geht? Traut man Arabern gar keine Demokratie zu? Ist das Schicksal eines Homosexuellen egal, solange er nur im Südlibanon oder im Iran lebt?

Die Weltgemeinschaft hat von Israel eine Möglichkeit präsentiert bekommen, für Frieden, Demokratie und Stabilität zu sorgen. Die Weltgemeinschaft wird diese Möglichkeit nicht nutzen. Und auch dies macht wieder deutlich: Es geht darum, Juden hassen zu dürfen, nicht darum, Arabern zu helfen.

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