Wieso ich vermute, dass Trump gewinnt. Und weshalb ich mich irren kann.

Trump vs. Harris, AI-Darstellung von Grok/X, von Daniel Bleich

Jetzt ist er da, der 05. November 2024. In wenigen Stunden wissen wir, wer die spanndste Wahl auf der Erde gewonnen hat. Meine Vermutung lautet: Es wird Donald Trump. Aber ich kann mich irren. Der nachfolgende Text ist eine Prognose und Darstellung meiner Überlegungen. Nicht mehr, nicht weniger.

09. November 2016, etwa 3 Uhr. Ich sitze, zusammen mit Mitgliedern von Democrats Abroad, im ARD-Studio. Die Stimmung ist übel und es wird überlegt, wer die Concession Speech halten muss. Trump hat die Wahl gewonnen, obwohl sich alle bereits auf eine Blue Wave, einen Erdrutschieg von Clinton eingestellt hatten. Ich hatte davor ausdrücklich gewarnt und erklärt, dass statistische Modelle die Demokraten zuletzt deutlich überschätzt hatten. „Wieso bist du überhaupt hier, wenn du Zweifel hast?“, O-Ton. Am Ende war meine Skepsis berechtigt.

Fast forward – 2024

Die beiden Kandidaten könnten unterschiedlicher kaum sein. Mit Kamala Harris steht eine Frau zur Wahl, die bewusst auf Ruhe und Stil im Wahlkampf gesetzt hat. Zeitgleich muss erwähnt werden, dass Harris in vielen Umfragen als unbeliebteste und unauffälligste Vizepräsidentin in der Geschichte der USA galt, bis sie schlagartig, nach dem Verzicht des offenkundig greisen Joe Biden, zur Kandidatin der demokratischen Partei gekürt wurde. Insbesondere medial wird Harris häufig als Inbegriff einer woken Mentalität der demokratischen Partei rezipiert.

Ihr gegenüber steht mit Donald Trump eine der wohl polarisierendsten politischen Figuren der Zeitgeschichte. Der ehemalige US-Präsident, der es mit Fakten und Details häufig nicht zu genau nimmt, ist das denkbar größte Gegenteil zu Harris. Im Wahlkampf setzte er auf populistische Slogans, die bis hin zur offensichtlichen Lüge gingen, viel Lautstärke und ständige, persönliche Angriffe, die insbesondere in Trumps häufig fanatischer Fanbasis Anklang fanden. Massive Unterstützung erfuhr er hierbei von Elon Musk, der sich an den regelmäßigen, sexistischen Aussagen des gebürtigen New Yorkers nicht zu stören schien.

Aber zum eigentlichen Teil des Artikels: Wer gewinnt diese Wahl und wieso vermute ich, dass es Donald Trump wird?

1. Umfragen und Zahlen

In deutschen Medien ist überwiegend häufig zu lesen, dass Kamala Harris bessere Chancen auf das Weiße Haus hätte. Herangezogen wird hierbei gerne die Annahme, dass Harris die Mehrheit der Stimmen erringen wird. Selbst wenn dies geschehen sollte ist dies, aufgrund des Wahlmännersystems in den USA, relativ egal. Gewonnen hat, wer die meisten Wahlmänner auf sich vereinen kann. Und international sehen hierbei nahezu alle Meinungsforschungsinstitute eine Pattsituation, jedoch mit leichten Vorteilen für Donald Trump.

Meine statistischen Überlegungen basieren auf der Datenaggregation von RealClearPolitics, kurz RCP. RCP fasst die Umfragen großer amerikanischer Medien zusammen und ermittelt hieraus einen Durchschnittswert.

Hier möchte ich drei Größen heranziehen:

In der 1-Day-to-Election Umfrage führt Trump hierbei mit 0,1 %.

2020 führte Biden mit 6,9 %, 2016 Clinton mit 3,2 %.

2020 gewann Biden mit 4,5 %, 2016 gewann Clinton mit 2,1 %.

Bekanntermaßen verlor Clinton die Wahl aufgrund der geringeren Anzahl an Wahlmännern. Was die Auswertung jedoch zeigt ist, dass die Ergebnisse der demokratischen Partei zuletzt immer leicht überschätzt wurden. Ich gehe daher in der Annahme, dass Trump die absolute Mehrheit der Stimmen erzielen wird. Große, internationale Wettbüros und Agenturen teilen diese Einschätzung. Von sieben großen Wettagenturen, die Wetten auf die US-Wahl zulassen, gehen alle von einem Sieg von Donald Trump aus. Und das teilweise deutlich. Auch Kalshi Inc., einer der größten Anbieter von Ereigniskontrakten, sieht die Wahrscheinlichkeit eines Sieges von Donald Trump bei 54 %.

2. Storytelling

Wahlumfragen sind keine absolute Wissenschaft. Diese beinhalten auch immer Vermutungen, Schätzer und „gefühlte Faktoren“. Mein zweites Argument ist, dass ich das Storytelling nicht glaube.

Die Geschichte geht aktuell so: Donald Trump lag nahezu uneinholbar in Führung, da die absolute Mehrheit der Amerikaner eher einen Sexisten zum Präsidenten wählen würde, als einen senilen Greis. Dann übernimmt die unbeliebteste Vice der Geschichte, wird zur Heilsbringerin der Partei und überflügelt so ihren Widersacher. Im Wahlkampf aber kann Trump das Momentum erkämpfen und verlorene Stimmen erneut gutmachen.

Ich halte die Geschichte für Unsinn. Ich, persönlich, kann mir nicht vorstellen, dass die Mehrheit der Amerikaner Trump als Abwägung zwischen Trump und Biden wählen wollte. Wer Trump wählt, tut dies primär aus Überzeugung. Ganz ähnlich, wie AfD-Wähler in der absoluten Mehrheit aus Überzeugung wählen. Dass nun mit dem Einstieg der unbeliebten Harris plötzlich das Momentum wechselt und ein ernsthafter, sachorientierter Wahlkampf um „die besten Ideen“ entbrennt, glaube ich nicht. Entweder, man wählt Trump aus Überzeugung, dann ist aber ohnehin egal, wer Gegenkandidat ist oder eben nicht. Selbstverständlich wird es einen Anteil an Wählern geben, die tatsächlich zwischen beiden abwägen und unentschlossen sind. Das statistisch dargestellte Gap empfinde ich einfach als viel zu groß. Entweder, Trumps Zustimmung wurde massiv überschätzt oder aber die von Harris. In Verbindung mit der Auswertung unter 1 denke ich, dass Harris Zustimmung überschätzt wurde. Hinzu kommt die Wahrnehmung eines wachsenden Einflusses religiös-fundamentalistischer Gruppen in den USA, die größtenteils pro-Trump votieren. Ich gehe davon aus, dass der aktuelle Trend, der Trump wieder über Harris sieht, die realistischere Annahme ist.

3. Battleground-Analyse

Am Ende läuft es eben auf Wahlmänner hinaus. Ausgehend von der RCP Analyse „sicherer“ Bundesstaaten habe ich mir die Battlegrounds angeschaut, Prognosen und Historie betrachtet und halte folgenden Wahlausgang für überwiegend wahrscheinlich.

Meine Vermutung ist, dass es am Ende auf zwei Staaten ankommt: Pennsylvania und Georgia. Ich vermute, dass Harris Pennsylvania holt, zeitgleich muss hier berücksichtigt werden, dass Musk und Trump hier zuletzt massiv in den Wahlkampf investiert haben. Am Ende könnte Pennsylvania also auch an Trump gehen. Georgia konnte 2020 überraschend von Biden gewonnen werden, obwohl Trump hier in Umfragen hauchdünn führte. 2016 siegte Trump hingegen deutlicher, als die Umfragen erwarten ließen. Derzeit führt Trump hier mit 1,9 %. Ich vermute daher, dass Trump Georgia gewinnt.

Ich halte es für überwiegend wahrscheinlich, dass Harris, um US-Präsidentin zu werden, beide Staaten gewinnen müsste. Und das glaube ich nicht.

In der Abwägung aller Faktoren ist es so, dass ich es für am wahrscheinlichsten halte, dass nicht alle meiner Annahmen falsch sind. Die Auswertung und der Vergleich von statistischen Daten, die Überlegungen zum Storytelling und die Auswertung der Battlegrounds ergibt für mich das schlüssige Bild der mutmaßlich engsten Wahl in der jüngeren US-Geschichte, wobei ich insgesamt von einem wahrscheinlichen Trump-Sieg ausgehe.

Es ist aber so knapp, dass ich mich auch irren kann.

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Matthias
Matthias
1 Monat zuvor

Zu Punkt 2:
Ich bezweifle, dass die Mehrheit der Trump-Wähler Überzeugungstäter sind (ebenso übrigens bei der AfD). Viele Amerikaner legen die für sie jeweils wichtigen Themenfelder auf die Waagschale, etwa Immigration, Inflation, Außenpolitik, Israel und die Ukraine, Wirtschaftspolitik, gesellschaftliche Themen wie DEI-hires und abortion rights

Sie werden da ihr Kreuzchen machen, wo sie ihre Herzensthemen am besten aufgehoben sehen und da haben sie derzeit halt nur die Wahl zwischen Harris und Trump (inkl. Trumpismus).

Deshalb denke ich, dass Trump auch jede Menge Votes erhält, nicht weil, sondern obwohl er so eine polarisierende Figur ist.

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