Die Phase der Scene-Seekers, die für den erhöhten Besuch des gentrifizierten Viertels von außen sorgen, brachte auch in W-Burg nicht nur die Professionalisierung und Einnahmesteigerung im Viertel voran, sondern unausweichlich Leute mit sich, die aus dem sporadischen oder regelmäßigen Besuch des Viertels einen Daueraufenthalt machen wollen. Die zusätzlich auf den dortigen Wohnungsmarkt drängen.
Der aber war in Williamsburg in der Zwischenzeit schon durch die zunehmenden und qualifizierten Wohnbedürfnisse der kreativen Eroberer enger geworden. Genau das war das endgültige Einfallstor der Immobilienhändler. Genauer gesagt hatten die, die schon länger in Williamsburg spekulierten genau auf diesen Moment gewartet. Auf die eigentliche Phase der Aufwertung, auf die, die sich auch in dauerhaft höheren Grundstücks-, Wohnungs- und Hauspreisen niederschlägt. Sie bedeutet zugleich auch den Durchbruch der überlokalen Großspekulanten an der Waterfront.
Die Ironie dabei war, dass gerade die Befürchtung der Verdrängung ihrer angestammten Wähler aus der polnischen und lateinamerikanischen Community, die örtlichen Politiker bewog, den Neubauplänen am Wasser schlussendlich zuzustimmen. Die Waterfront wurde nach fast 15jähriger Auseinandersetzung in Wohngebiet umgewandelt. Um die Protestler zu befrieden, wurde der wilde Stadtteilpark von der Neubebauung ausgenommen, die Wohntürme am Wasser in der Anzahl und in der Höhe reduziert und eine für alle begehbare Uferpromenade versprochen.
Für die Neubebauung außerhalb der unmittelbaren Waterfront wurde die Traufhöhe auf den Durchschnitt der vorhandenen Bebauung begrenzt. Dabei muss man jedoch den in New York überall möglichen Luftrechtekauf mit berücksichtigen. Der bedeutet nämlich dass, wenn jemand die mögliche Geschossanzahl nicht ausnutzt, er diese als zusätzliches Geschosshöhe an den Besitzer des nächst gelegenen Grundstücks verkaufen kann. Dem flächendeckenden Wohnungsneubau war damit mit auf einem Schlag in Williamsburg Tür und Tor geöffnet und der Markt dafür war endlich vorhanden.
Der Immobilienboom begann mit einem heut noch währenden Kampf um jede noch bebaubare Fläche, die nicht all zu weit vom Wasser entfernt liegt.
Die, die diese Flächen rechtzeitig genug gekauft hatten, waren dabei natürlich im Vorteil und oft wechselten die Grundstückseigentümer monatlich bevor endlich gebaut wurde. Und jedes Mal wurde und wird natürlich die Baufläche teurer. Der Abriss von unter- oder abgenutzten Gebäuden wurde attraktiv. Williamsburg verändert innerhalb von nur wenigen Jahren sein Gesicht total. Im neuen Jahrtausend brummten endlich die Kassen der Immobilienbesitzer, denn jetzt wollte jeder vom Boom profitieren und die berühmt berüchtigten Mondpreise begannen zu entstehen. Die in New York in solchen Fällen übliche lokale Immobilienblase.
Aber zugleich war dieser Stadtteil endgültig im Gesamtimmobilienmarkt der Metropole angekommen. Hier wollten jetzt auch die hin, die in Manhattan genug verdienten und trotzdem dort nicht mehr die Mieten bezahlen konnten. Bzw. denen der Mietanteil an ihrem hohen Einkommen zu groß geworden war. Und auch die ausländischen Immobilienanleger hatten „Upcoming Williamsburg“ entdeckt. Unterstütz von einem immer stärker werdenden Euro. Die Immobilienpreise, vor allem aber die bei Aus- und Umzug fälligen Neumieten explodierten.
20 m² mit kleinem Bad und eingebauter Küchenzeile in einem der neuen Türme mit direktem Blick auf die Skyline kosten als Eigentumswohnung jetzt 600-700.000 Dollar. Ein One-Bedroom Apartment mit Blick zur Miete ist unter 3.000 pro Monat nicht mehr zu kriegen. Aber auch die Mieten um die Bedford Avenue sind trotz der vielen Neubauten in schwindelerregende Höhen geraten. Es reichte nicht mehr aus am äußersten Rand von Williamsburg und ganz weit weg von jedem Blick auf die Skyline und von einer Station der L zu hausen, um noch an der Szene teilhaben zu können. Jetzt versuchte man im anliegenden Bushwick einen bezahlbaren Unterschlupf zu finden. Wenn möglich in der Nähe einer U-Bahn-Station der Linie L die auch diesen Stadtteil durchquert. So ist man immer noch relativ schnell am Hotspot Bedford/North 7th, der letzten Station bevor es unter den Fluss nach Manhattan geht.
Von dort kreuzen jetzt jeden Abend die Yellow Cabs auf und bevölkern W-Burgs Straßen. Wer billiger fahren will ruft den Brooklyn-Taxi-Service an, eine von Latinos geführtes Unternehmen, das mit dem Williamsburg Boom mit gewachsen ist. Aber Limos gibt es jetzt hier auch zu mieten. Die ersten Hummer stehen in den Straßen rum. Schwere Jeeps sind gang und gäbe. Porsche und Maseratis noch selten. Selbst die farbige Schickeria lässt sich ab und zu sehen. In riesigen weißen Geländewagen. Sie kommen aus dem afroamerikanischen Brooklyn abends mal schnell ins nun vorwiegend junge und weiße Central-Williamsburg. Genauso wie die ebenfalls mehrheitlich weißen Manhattangirls and –boys , die hier jetzt täglich zum Lunch oder Dinner erscheinen. Selbst meine Freundin J. ist letztes Jahr gekommen und war begeistert.
Meine Künstlerfreunde aus meiner Loft Garage jedoch müssen dieses Jahr sehr wahrscheinlich dicht machen. Nach Ende des Vertrages wird die Mietet mindestens verdreifacht und muss jährlich neu ausgehandelt werden. Der Kaufpreis ist im Verhältnis zu der Zeit als sie nach Williamsburg kamen mindersten beim 10 fachen angelangt. Die Garage liegt in der zweiten Linie zur Waterfront und das Grundstück darf mindestens doppelt so hoch bebaut werden wie die heutige ehemalige Lastwagengarage. Sie überlegen in die Bronx zu gehen. Aber selbst diesen neuen Trend haben die Immobilienhaie schon mitbekommen.
Die Lage ist recht aussichtslos, was die nicht so erfolgreiche Kreativszene in Williamsburg betrifft und auch die Winner unter ihnen kommen in Schwierigkeiten. Die Studentenszene hat sich ebenfalls geändert. In Williamsburg können jetzt nur noch die Kinder reicher Leute studentisch wohnen. Aber deren Anzahl hat auf Grund des amerikanischen Millionärsbooms der letzten Jahrzehnte erheblich zu genommen. Da zahlen die Eltern gerne höhere Mieten, wenn der Sohn und/oder die Tochter wenigstens ein paar Jahre im nun hippsten und irgendwie noch immer Künstlerviertel der Welthauptstadt wohnen möchten. Wenn es von zu Hause nicht ganz so reicht, dann teilt man sich zu mehreren ein Loft, so wie die ersten kreativen Zuwanderer. Nur dass die Gesamtmiete jetzt ein Vielfaches höher ist.
Auch das Straßenbild hat sich geändert, aber dazu in der nächsten Folge.
Was bisher geschah:
Die Willamsburg Story I…Klack
Die Willamsburg Story II…Klack
Die Willamsburg Story II…Klack
Die Williamsburg Story IV…Klack
Die Williamsburg Story V…Klack
Die Williamsburg Story VI…Klack
Die Williamsburg Story VII…Klack
[…] Die Williamsburg Story VII…Klack […]