Im Juni 2019 erklärte Bochum den Klimanotstand. Nun zeigt sich, was schon damals zu befürchten war: Die von den Grünen geprägte Politik der Stadt meint es damit ernst.
Im Juni 2019 erklärte der Rat der Stadt Bochum mit den Stimmen von Grünen, SPD, den Linken und Sozialer Liste den Klimanotstand. Zwölf Städte hatten das in diesem Jahr in Deutschland bereits getan, 66 sollten noch folgen. Bis heute ist die Zahl auf 74 gestiegen. Die Notstandsbegeisterung hat in den vergangenen vier Jahren deutlich nachgelassen. Es war das Jahr des großen Klima-Hypes. Greta Thunberg galt noch nicht als linksradikale Antisemitin, sondern wurde vom Berliner Bischof Heiner Koch mit Jesus Christus verglichen. Stündlich erwartete man von der Schwedin die Heilung von Gelähmten und Aussätzigen. Im Spätsommer zog dann eine Klimademonstration mit mehr als 5.000 Teilnehmern durch die Innenstadt, deren Plakate umso dümmer wurden, je älter sie waren.
In der vergangenen Woche hat der Rat der Stadt wieder mit den Stimmen der von den Grünen inhaltlich weitgehend bestimmten rot-grünen Koalition, wie fast überall im Ruhrgebiet haben Sozialdemokraten auch in Bochum eher wenig Interesse an Politik, aus dem Klimanotstand Konsequenzen gezogen und eine „Nachhaltigkeitsstrategie“ beschlossen. Dabei wurde geklotzt und nicht gekleckert: 11,2 Milliarden Euro soll die Umsetzung der über 200 Maßnahmen kosten, die bis 2035 dafür sorgen sollen, dass Bochum klimaneutral wird. Das ist für eine Stadt, deren Haushalt zurzeit einen Umfang von 1,7 Milliarden Euro im Jahr hat, eine schwindelerregende Summe. Wie üblich bei Grünen und SPD rechnet man nicht mit dem Geld, dass einem tatsächlich zur Verfügung steht, sondern mit Investitionen von privaten und volkseigenen Unternehmen und künftigen Fördermitteln. Von letzteren weiß heute natürlich noch niemand, ob sie je beschlossen werden und woher das Geld für sie kommen soll. Die Stadtwerke, das war schon vor dem Ratsbeschluss klar, werden in den kommenden Jahren 1,2 Milliarden Euro für den Ausbau des Fernwärmenetzes stecken. Eine Investition, die sich nicht nur aus klimapolitischer Sicht lohnt: Anders als bei Gas oder Strom lässt sich bei der Fernwärme der Anbieter nicht wechseln. Kunden werden zu Geiseln, die im Winter dann die Wahl haben, jede Preiserhöhung mitzumachen oder zu frieren. Nach Plan will die Stadt auch mehr Bäume pflanzen, was allein schon aus ästhetischen Gründen zu begrüßen ist, denn auch eine heruntergekommene Straße sieht zumindest im Sommer mit Bäumen besser aus als ohne. Straßen und Plätze sollen künftig hell gepflastert werden, weil sie sich so im Sommer weniger aufheizen. Das kann man machen, wenn man es denn schafft, sie regelmäßig zu reinigen. Ansonsten sehen sie schnell vergammelt aus.
Spannend ist, was man in der Nachhaltigkeitsstrategie zum Thema Wohnen lesen kann. Zwar ist der Bochumer Wohnungsmarkt im Vergleich zu anderen Städten nach wie vor relativ entspannt, aber ist auch hier Wohnraum zunehmen knapp und wird immer teurer. Nach Angaben der üblichen Aktivisten, die natürlich sowohl gegen Wohnungsmangel wie gegen Neubauten protestieren und der Ansicht sind, „Wir haben Platz“, fehlen in der Stadt 25.000 preisgünstige Wohnungen. Da man künftig weder in größer auf der „grünen Wiese“ bauen noch in bestehenden Quartieren massiv nachverdichten will, sollen die Bürger, der Bürgerinnen und natürlich auch die Bürger:innen, künftig enger zusammenrücken: „Ziel der Initiative ist es, unterschiedliche Anknüpfungspunkte für flächensparendes Wohnen im Bestand zu nutzen. Dazu gehört vor allem das Reduktionspotenzial bei der Wohnfläche pro Bewohner*in.“ Wer gerne etwas mehr Platz hat und sich einer größeren Wohnung erfreut, soll „identifiziert, angesprochen und beratend unterstützt (werden), um Alternativen zu finden.“ Also von einer schönen, großen Wohnung in der er oder sie vielleicht ihr ganzes Leben verbracht hat und an der die entsprechenden Erinnerungen hängen in ein kleines Loch gedrängt werden.
Gute Zeiten brechen hingegen für Identifizierer, Bedränger und Berater an: Ob es um Solaranlagen, Wärmepumpen oder Wohnen geht, die Bürger werden künftig ohne Unterlass belästigt und dafür entweder mit ihren Steuergeldern oder aus ihrem durch die Energiewende immer schmaler werdenden Geldbeutel zahlen müssen. Das Ganze ist für Anhänger der Grünen, aber auch für etliche der SPD nahestehenden Nichtsnutze, ein großes Arbeitsbeschaffungsprogramm. Denn was sich Nachhaltigkeitsstrategie nennt, ist bei näherer Betrachtung ein großes, grünes Umerziehungsprogramm: Die Bochumer sollen sich künftig in ihren kleinen Wohnungen fleischlos und mit Bioprodukten ernähren, Repaircafés aufsuchen und möglichst in ihrem Stadtteil bleiben, um weniger Verkehr zu verursachen. Sollte man doch einmal einen Weg vor sich haben, der länger als 15 Minuten ist, hat man gefälligst Bus und Bahn zu benutzen. Das man damit im Ruhrgebiet nur schwer zu einem etwas weiter entfernten Arbeitsplatz kommt, ist egal. Menschen, die morgens früh aufstehen und arbeiten gehen, kommen in der Welt der Grünen ohnehin nicht vor und es ist durchaus im Bereich des Möglichen, dass die Sozialdemokraten, die der Strategie zugestimmt haben, gar nicht richtig verstanden haben, für was sie da im Rat ihre Hand gehoben haben. Vielleicht war es ihnen aber auch vollkommen egal. Immerhin ist das beschlossene Papier so ehrlich, dazu zu stehen, Bochum mit pädagogischen Mitteln in eine Art Öko-Umerziehungslager verwandeln zu wollen:
„Anstupser für klimaschonende Entscheidungen“, sog. „Nudges“, fördern Entscheidungen für nachhaltiges Handeln im Alltag. Der englische Begriff „Nudge“ bedeutet so viel wie Stupser, Impuls oder kleiner Anstoß. Die Grundidee von Nudging basiert auf der bewussten Gestaltung bzw. Optimierung der eigentlichen Handlungs- und Entscheidungssituation, in der Verhaltensänderung beginnt), die gezielt geplant und gestaltet werden muss, damit sich Menschen von sich aus für eine Verhaltensänderung entscheiden. Im Rahmen der Aktivität werden kommunale Leitlinien für den Einsatz von Nudges für den Klimaschutz in den Bereichen Wohnen und Energie, Konsum und Ernährung sowie Mobilität entwickelt. Es wird ein Instrumentenkoffer entwickelt und in die Anwendung gebracht.“
Das Menschen durch die „Anstupser“ von sich auch ihr Verhalten ändern, ist natürlich Unsinn. Sie werden manipuliert. Johannes Richardt beschrieb das Verfahren einmal treffend in Novo: „Nudging gilt als der sanfte Paternalismus. Er behauptet, ohne Zwang auszukommen. Der sanfte Paternalismus ist aber nicht so harmlos, wie er auf den ersten Blick erscheint. Sein trübes Menschenbild unterhöhlt die Fundamente einer freien Gesellschaft“. Wer „nudgen“ will, sieht den Menschen als Mängelwesen, das erzogen werden muss.
Die Nachhaltigkeitsstrategie will aus Bochum Bullerbochum machen. Die Politik wird sich künftig nicht mehr darum kümmern, dass neue Jobs entstehen, gibt die Innenstadt auf, will die Bürger in kleine Wohnungen zwingen und die Bundesregierung und die EU mit Begeisterung dabei unterstützen, dass Wärme und Licht zum Luxus werden. Das alles wird natürlich in eine freundliche Sprache verpackt, die allerdings von der grünen Ideologie der Postwachstumswirtschaft geprägt ist, deren Folge nichts anderes als Verarmung ist: Die taz-Redakteurin Ulrike Herrmann propagiert in ihrem Bestseller „Das Ende des Kapitalismus: Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind“, den heutigen Wohlstand auf ein Siebtel zu reduzieren. Noch weiter geht der Siegener Professor Helge Peukert. Der Berater der „Letzten Generation“ fordert, den Wohlstand auf ein Zehntel herunterzufahren. Man wird in den kommenden Jahren sehen, wie groß die Begeisterung der Bochumer darüber sein wird, dass die Mehrheit im Rat sich nicht dafür einsetzt, ihre Leben zu verbessern, sondern es zu ruinieren. Und wer nicht in Bochum wohnt, tut gut daran, den Politikern in seiner Stadt genau auf die Finger zu schauen. Denn Bochum könnte bald überall sein. Und soweit sollte man es nicht kommen lassen.