NRW-Umweltminister Johannes Remmel plant den massiven Ausbau der Windkraft in Nordrhein-Westfalen. Opposition und Windkraftgegner fürchten die Verspargelung der Landschaft.
Umweltminister Johannes Remmel will in Sachen Windkraft kräftig in die Hände spucken: „Die letzten fünf Jahre waren für die Windenergie und für NRW fünf verlorene Jahren. Unter CDU und FDP ist unser Land im Bundesvergleich von Platz 1 auf Platz 5 zurück gefallen. Diesen Trend wollen wir umkehren. Wir wollen aus einem Windkraftverhinderungserlass einen Windenergieermöglichungserlass machen, um damit Jobs zu sichern und das Klima zu schützen.“ Bis zum Jahr 2020 soll der Anteil an der Windenergie an der Stromerzeugung in Nordrhein-Westfalen von heute mageren drei Prozent auf üppige 15 Prozent ansteigen. Für die Landesregierung, die im April Eckpunkte für den Windenergieerlass verabschiedet hat, ist Windenergie die tragende Säule beim Umstieg auf Erneuerbare Energien. 2800 Windkraftanlagen gibt es bereits in NRW und sie produzieren rund die Hälfte des Stroms aus regenerativen Energien. Aber auch 28.000 Arbeitsplätze hängen schon heute im Land am Ausbau der Windkraft und es sollen mehr werden. Remmel wünscht sich, dass von der Windenergie starke Impulse für die Wirtschaft in Nordrhein-Westfalen ausgehen.
Auch die Opposition ist für den Ausbau der Windenergie. Oliver Wittke, der Generalsekretär der CDU in Nordrhein-Westfalen: „Wir müssen die Windenergie massiv ausbauen und uns dafür auch ambitionierte Ziele setzen.“ Allerdings glaubt Wittke im Gegensatz zu Remmel nicht, dass ein massiver Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen möglich ist: „Wer auf Windenergie setzt, muss die Offshore-Anlagen vor der Küste ausbauen. Da liegen für Deutschland die größten Windenergie-Potentiale.“
Und dann, erinnert Wittke, muss die Energie ja noch vom Norden in die Regionen Deutschland gebracht werden, in denen die großen Energieverbraucher sitzen: „Wir brauchen den Strom nicht in Emden, sondern im Ruhr- und im Rhein-Main Gebiet. Dafür müssen neue Überlandleitungen gelegt werden.“
Und die sorgen, überall wo sie auch nur angedacht werden, für das Entstehen neuer Bürgerinitiativen, die alle rechtlichen Mittel gegen den Bau neuer Trassen ausschöpfen.. Häufig, wie im niedersächsischen Hann. Gmünden, sind Remmels Parteifreunde von den Grünen vorne mit dabei, wenn es darum geht, neue Leitungen zu verhindern.
Genau solche Konflikte will der Umweltminister allerdings verhindern: „Der Ausbau der Windenergie ist eine der wichtigsten Stütze einer neuen Energiestruktur, die dezentral veranschlagt ist und weg geht von den zentralistischen Monopol der großen Energiekonzerne.“ Und dezentrale Versorgung bedeutet auch, weniger Konflikte wegen unpopulärer Überlandleitungen.
Allerdings teilen nicht alle Bürger die Begeisterung des Umweltministers für Windkraftanlagen. Rolf Ihsen ist Vorsitzender des Verbandes für Gesundheits- und Landschaftsschutz (VGL). In ihm haben sich die Gegner der regenerativen Energien zusammengeschlossen. Für Ihsen ist der weitere Ausbau der Wind- und Solarenergie vor allem eines: Geldverschwendung: „ Wir vertreten grundsätzlich die Meinung, das Wind und Sonne, da sie nicht speicherbar und grundlastfähig sind, für einen Industriestandort wie Deutschland nicht tauglich und volkswirtschaftlicher Unsinn sind. Die Sonne scheint in NRW nur an 800 Stunden, der Wind weht nur an 1500 Stunden im Jahr ausreichend stark. Im Rest des Jahres muss mit Kohle, Gas und Kernkraft die Stromversorgung unterstützt werden.“
Ihsen befürchtet, dass die Politik der Landesregierung zu einer Verspargelung der Landschaft führen und sich die Zahl der Windräder in NRW durch den Ausbau der Windenergie vervielfachen wird. Dem widerspricht die Landesregierung vehement. Der größte Teil des angestrebten Zuwachses der Windenergie soll nicht durch neue Windkraftstandorte kommen, sondern durch die Modernisierung bisheriger Standorte. „Repowering“ nennt sich das. Alte, wenig effektive Anlagen sollen durch effektivere und vor allem über 100 Meter hohe Anlagen ersetzt werden. Künftig soll es keine Höhenbeschränkungen mehr für Windkraftanlagen geben – die gültigen Regelungen zum Mindestabstand sollen allerdings nicht verändert werden. Der Bund Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) begrüßen den Wegfall der Höhenbeschränkung in einer gemeinsamen Erklärung: „Vom geplanten Wegfall der Höhenbegrenzungen für Windenergieanlagen und durch die flexiblen Abstandsregelungen erhoffen sich die Naturschutzverbände neuen Rückenwind für die Windkraft, ohne das immissionsschutzrechtliche oder naturschutzfachliche Standards aufgegeben würden.“ Auch die Pläne der Landesregierung, künftig Windräder in Nadelholz-Monokulturen und auf Flächen zuzulassen, die durch den Orkan Kyrill 2007 entwaldet wurden, finden die Zustimmung von BUND und NABU.
Das sieht Oliver Wittke anders. Er warnt vor eine massiven Veränderung des Landschaftsbildes. Wittke sorgt sich vor allem um die Höhenzüge des Sauerlandes: „Wir müssen die Windenergie ausbauen – aber mit Augenmaß. Eine massive Veränderung des Charakters der Landschaft Nordrhein-Westfalens muss verhindert werden. Die Hohe Bracht darf kein Windpark werden.“
Der Landesregierung ist klar, dass der Ausbau der Windenergie zu Konflikten mit den Bürgern führen wird. So sehr die Mehrheit im Moment vom Ausbau der regenerativen Energien begeistert ist – in der Nähe eines Windrades leben wollen viele dann doch nicht.
Und so will die Landesregierung von Beginn an durch Dialoge mit den Bürgern und den Naturschutzverbänden die Akzeptanz für den Ausbau der Windenergie erhöhen. So sollen Kommunen intensiv beraten werden, wenn es um die Ausweisung neuer Standorte geht. Auch um Fälle wie in Bochum zu verhindern, wo zur Zeit ein fast hundert Meter hoher Windratmast zersägt werden muss. Ein Ehepaar hatte gegen die Errichtung des Windrades wegen zu geringem Abstand geklagt und Recht bekommen. Die Kosten von 200.000 Euro für den Rückbau muss die Stadt Bochum tragen, die die Anlage genehmigt hatte. Dazu kommen noch die Schadensersatzforderungen des Investors, die deutlich über einer Million Euro liegen.
Eine Clearingstelle soll in Zukunft helfen, solche Konflikte mit den Bürgern schon im Vorfeld zu lösen.
Begeistert werden sollen die Städte für den Ausbau der Windenergie durch finanzielle Anreize: Die landeseigenen NRW.Bank soll sich an der Projektfinanzierung von Offshore-Windparks beteiligen, an denen sich dann Stadtwerke oder die Kommunen selbst beteiligen können. Auch der Bau von Windkraftprojekte vor Ort soll unterstützt werden. Die Logik hinter diesen Plänen: Wenn die Bürger merken, dass ihre Städte durch die Windkraft-Einnahmen finanziell gestärkt werden, steigt die Akzeptanz, denn dann weht der Wind für den Erhalt der Stadtbücherei oder den Ausbau der Kindergärten.
Doch auch Remmel ist klar, dass der Ausbau der Windenergie es nicht ohne Eingriffe in die Landschaft gehen wird: „Die Kulturlandschaft wird sich durch Windanlagen sicherlich verändern. Aber das hat sie auch schon die letzten 50, 100 und 150 Jahre gemacht. Durch Repowering, also dem Erneuern von alten Anlagen durch neue und leistungsfähigere, können wir aber die notwendigen Standortzahl weitgehend stabil halten.“ Was dieses weitgehend bedeutet, wird dann in den kommenden Jahren wohl klarer werden.
Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag
Ist die Frage dann nicht, wie wir ein Netz erfinden, dass das Endprodukt – die Energie – speichern kann?
Ich hab jetzt gar nicht lange nach dem allergruseligsten Bild gesucht, aber so könnte es da aussehen, wo das Öl für die beschissenen SUVs (auch so eine Landschaftszierde vor dem Herrn!) herkommt mit denen der gemeine Windradgegner durch die unverspargelte Landschaft braust. Wer gelegentlich mal bei gutem Wetter mit dem Flieger in Köln oder Frankfurt gelandet ist, konnte vielleicht beim Anflug einen Eindruck gewinnen, was es hierzulande noch so zu verschandeln gibt zwischen den ganzen Autobahnkreuzen. Immer wenn ich mal so ein Grüppchen Windräder irgendwo sehe, dann denke ich mir – was haben die Leute – das mutet doch wenigstens ein wenig futuristisch oder sogar surreal an – letzteres erst recht, wenn ich mir dann eine Gruppe neuzeitlicher Don-Qui-Schotten dagegen anreitend vorstelle. Ich will hier gar nicht den Super-Öko geben – meistens sehe ich Windräder von der Autobahn aus auf der ich gerade nicht mit dem Fahrrad fahre. Aber diesen Begriff „Verspargelung der Landschaft“ würde ich gerne mal dem Propagandaknecht um die Ohren hauen, der ihn erfunden hat. Lieber verspargelte Landschaft als verstrahlten Spargel, sag ich!
Jeder Mensch der regelmäßig ein privates Auto oder ein Flugzeug zur Entfernungsüberwindung benutzt und sich gleichzeitig gegen die Veränderung von Landschaft durch Technik wehrt müsste eigentlich wegen geistiger Unzurechnungsfähigkeit untersucht werden.