Winkelmanns Reise zum U

A. W. setzt Tauben ins U Foto: Willi Weber

Der Regisseur Adolf Winkelmann wurde mit Filmen wie „Die Abfahrer“ und „Contergan“ berühmt – nun inszeniert er sein erstes Stück am Theater Dortmund und rechnet mit der Kulturpolitik der Ruhrgebietsstadt ab.

Ein wunderbarer Herbsttag. Adolf Winkelmann kommt gerade von den Beleuchtungsproben seines Stücks Winkelmanns Reise ins U und Winkelmann sitzt in der Raucherlounge des Unique-Hotels neben dem U-Turms. Lila Marmor, tiefe Sessel und die gespenstige Leere des Hauses passen nicht zu der Begeisterung, mit der der Regisseur von Filmen wie „Nordkurve“, „Die Abfahrer“ oder Contergan von seinem ersten Theaterprojekt erzählt. Und davon wie es dazu kam, das es am 26. November im Theater Dortmund Premiere feiern wird.

Alles begann im Herbst 2007, als Adolf Winkelmann einen Anruf bekam . In seinem Büro in der Fachhochschule Dortmund, wo er als Professor Film unterrichtete, meldete sich NRW-Kulturstaatssekretär Hans-Heinrich Grosse-Brockhoff und fragte nach, ob er sich nicht was zum Dortmunder U einfallen lassen könnte. Grosse-Brockhoff hatte großes mit dem U vor. Zu einem Zentrum für Kreativität, Kultur und Kunst sollte der U-Turm werden, einer der Leuchttürme der Kulturhauptstadt 2010 und der Kern eines ganzen Kreativquartiers, mit dem sich Dortmund neu erfinden würde.

Winkelmann sagte zu. „Mir gefiel die Idee, dass im alten U-Turm etwas entstehen würde, das die Diskussionen der Stadt aufnehmen und den Menschen einen Raum für lebendige Kultur geben würde.“ Von der alten, gescheiterten Idee des damaligen Dortmunder Oberbürgermeisters Gerhard Langemeyer, einfach das Museum am Ostwall in den U-Turm zu packen, hatte er nie viel gehalten – die neue Idee klang spannend. Und so entwickelte Winkelmann ein einmaliges Konzept für den U-Turm: Filminstallationen für die Dachkrone, weithin sichtbar mit wechselnden Motiven. „Ich wollte etwas schönes erschaffen, das den Menschen Spaß macht, über das sie sich unterhalten und wo sie manchmal auch rätseln, was sie denn da sehen.“ Tauben, schäumendes Bier, fliegende Dreiecke oder Kickerfiguren – Winkelmanns U-Turm Filme kennt heute jeder Dortmunder, sie verzaubern und laden zu Diskussionen ein. Das Projekt lebt vom Engagement Winkelmanns Produktionsfirma: „Das Systemhaus der Stadt Dortmund, Dosys, hat über ein Jahr lang geprüft, wie sie die Installation computertechnisch steuern können und kamen zum Ergebnis: Es geht nicht. Wir machen es jetzt selbst.“ Dortmunder Politiker lieben die Installation, loben sie bei jeder Gelegenheit, doch wenn mal Lampen ausgetauscht werden müssen, muss Adolf Winkelmann Druck machen. Nichts geht von alleine, nichts ist selbstverständlich. Anerkennung durch die Politik und die Verwaltung der Stadt sieht anders aus.

Doch bis es soweit war, hatte Winkelmann Ärger. Ärger mit den Architekten, die das U umbauten, Ärger mit der Stadt und Ärger mit den neuen Nutzern des U-Turms, deren Verhalten dazu führte, dass er schon 2008 sein Amt als Intendant des Us wieder hinwarf: „Ich hatte gemerkt, dass niemand daran interessiert war, gemeinsam etwas zu schaffen, sondern jeder der in das einziehen sollte oder wollte, egal ob Museum, Uni oder Hartware Medienkunstverein nur an sich dachte.“ Vieles, was heute im U zu sehen ist, ist für Winkelmann Antrags-Kunst: Ausstellungen, erdacht für Kommissionen, die Geld bewilligen müssen, nicht für das Publikum.

Sein Ärger war der Anlass für Winkelmann ein Buch zu schreiben. Eine fiktive Dokumentation über eine Schatzsuche im U-Turm, einer unterirdischen Stadt und dem ewigen Streit mit den Behörden. Und als Winkelmann im vergangenem Herbst bei einer Lesung das erste Kapitel vortrug, kam Kay Voges, der Leiter des Dortmunder Theaters auf ihn zu. „Voges hat der Text gefallen und er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, daraus ein Theaterstück zu machen. Er wollte das U auf die Bühne bringen.“

Seit seinem 13. Lebensjahr dreht Winkelmann Filme. Fürs Theater hatte er noch nie gearbeitet. Aber Voges und Winkelmann – das war so etwas wie Liebe auf den ersten Blick. Und Winkelmann sagte zu. „Mir hat gefallen, was Voges nach seinem Start im vergangenem Jahr aus dem Theater Dortmund gemacht hat. Er hat es geschafft, die Themen, die in der Stadt diskutiert werden auf die Bühne zu bringen. Das was ich mir vom Dortmunder U anfangs erhofft hatte, setzte er einfach um.“

Voges hatte unter anderem mit der Reihe Stadt ohne Geld in Dortmund für Furore gesorgt, mit der er die Armut Dortmunds thematisierte und das Gerede über Kreativwirtschaft, das im Kulturhauptstadtjahr allgegenwärtig war, als Luftblase entlarvte. Voges hielt den Druck aus, mit dem die Lokalpresse und die Kommunalpolitik Anfangs über ihn herfielen. Und mit hervorragenden Besucherzahlen und positiven Kritiken auch in bundesweiten Medien hat er sich einen Stand erarbeitet, der ihm die Freiräume bewahrt hat, auch im zweiten Jahr seiner Intendanz in Dortmund kritische Themen wie den U-Turm auf die Bühne zu bringen. Denn von dem ursprünglichen Konzept eines Kreativzentrums ist kaum etwas übrig geblieben: Das U ist ein Museumszentrum geworden, leidet unter chronischem Besuchermangel und hat seinen ersten Intendanten bereits verschlissen. Und es wird die Stadt teuer zu stehen bekommen: Statt der Anfangs geplanten 54,8 Millionen Euro könnte das U bis zu seiner endgültigen Fertigstellung bis zu 100 Millionen Euro kosten.

Das alles wird in Winkelmanns Stück nicht direkt aufgegriffen. Winkelmann zeigt den Versuch eines Künstlers, sich dem U zu nähern, es zu formen – zum Teil absurde Szenen, angelehnt an das Buch, wird das Publikum erwarten. Ergänzt durch viele Filmesequenzen – den Kinomann hat Winkelmann also nicht ganz an der Theatergarderobe abgegeben. Das Buch war für Winkelmann die Vorlage, aber für das Theater hat er den Stoff weiterentwickelt. „Das Buch war ja irgendwann fertig und musste in Druck, aber ich habe danach ja auch noch viel erlebt und das findet sich dann in dem Stück wieder.“

Die Produktion des Stückes war für ihn ein Abenteuer: „Auf einmal war ich wieder Anfänger. Ein Theaterdrehbuch ist etwas ganz anderes als ein Filmdrehbuch und auch die Arbeit mit den Schauspielern auf der Bühne ist etwas ganz anderes als die Arbeit auf einem Filmset.“

Winkelmann ist es gewohnt, beim Film eine Szene so lange zu drehen, bis sie perfekt ist: „Dann ist sie fertig und ich fange mit der nächsten Szene an. Beim Theater ist das anders: Wenn hier eine Szene so ist, wie ich mir sie vorstelle, heißt das noch lange nicht, dass sie so auch auf der Bühne zu sehen sein wird. Theater ist ein Live-Medium, die Möglichkeiten alles zu kontrollieren sind nicht da.“ Eine spannende Arbeit mit einem Ensemble, das er schätzt, die ihn aber trotzdem jetzt, kurz vor der Premiere, nervös werden lässt: „Ich liege oft Nachts wach und spiele ganze Szenen noch einmal durch.“ Trotzdem:  Die Chancen stehen gut, dass Winkelmanns Reise ins U nicht seine letzte Theaterregie sein wird, denn Winkelmann hat Spaß daran bekommen, für die Bühne zu arbeiten.

„Film hat immer sehr viel mit Technik zu tun. Gerade die Digitalisierung in den letzten zehn Jahren war noch einmal eine Revolution. Nun kann man nachträglich noch mehr verändern als das früher der Fall war. Theater ist dagegen pur. Ein guter  Schauspieler mit einem guten Text kann einen ganzen Raum in den Bann ziehen. Ob er perfekt ausgeleuchtet ist oder ob die Bühnentechnik auf dem neusten Stand ist, ist dann gar nicht mehr so wichtig.“

Adolf Winkelmann:

Winkelmanns Reise ins U

Buch: Boschmann-Henselowsky, 18,90 Euro

Theater: 26.11., Theater Dortmund, 19.30  Uhr

Der Artikel erschien in ähnlicher Form bereits in der Welt am Sonntag

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