Nach dem Schulmassaker von Winnenden drohten den Schützen massive Einschränkungen. Umgesetzt wurde von den Plänen kaum etwas – der Schützenverband freut sich nun über seine effektive Öffentlichkeitsarbeit.
Schützenbruder. Foto: Florian Seiffert / Flickr
Winnenden im März dieses Jahres: Ein ehemaliger Schüler der Albertville-Realschule tötet in seiner alten Schule 15 Menschen mit den Jagdwaffen seines Vaters. Elf weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Der Amokläufer, Tim K., entzog sich seiner Verhaftung durch Selbstmord.
Winnenden erschütterte – wieder einmal – die Republik. Schnell wurde der Ruf nach Verboten von Computerspielen laut, K. hatte am Abend vor der Tat Far Cry gespielt – aber auch die Schützen, denn die Morde begang K. mit den Waffen seines Vaters, einem Sportschützen, gerieten unter Druck: Zahlreiche Politiker forderten strengere Auflagen für die Schützen, um weitere Amokläufe zu verhindern: Keine Waffen mehr in den Privatwohnungen von Schützen, die Beschränkung des Sports auf Kleinkaliberwaffen und geringere Munitionsvorräte in den Häusern der Schützen sollten es künftigen Tätern schwerer machen, an die Mordwaffen zu gelangen. Auch die Eltern der Opfer wendeten sich mit einem offenen Brief an die Politik und forderten eher moderate Konsequenzen. Passiert ist wenig: Die große Koalition beschloss schärfere Kontrollen der Schützen und hob das Alter für Schießsport mit Großkalibern von 14 auf 18 Jahren an.
Regelungen, mit denen die Schützen gut leben können, wie sich in einer Pressemitteilung des Deutschen Schützenbundes zeigt. Die Opfer des Mordlaufs werden mit keinem Wort erwähnt, der Amoklauf mit 15 Toten wird zu einem Ereignis und am meisten bemitleiden sich die Schützen selbst:
"Nach den Ereignissen im Frühjahr diesen Jahres sah sich der viertgrößte olympische Spitzensportverband zahlreicher unsachlicher Angriffe ausgesetzt: „Wir mussten die Krisenkommunikation professionell managen“, sagte Jörg Brokamp. Dabei hätten sich vor allem erhebliche Diskrepanzen in der Außen- und Innenwahrnehmung des Verbandes gezeigt. Während Außenstehende den DSB häufig als einflussreichen Teil der Waffenlobby ansähen, fühlten sich nicht wenige verantwortungsvolle Sportschützen als „Prügelknaben der Nation“, angesichts der erneuten Verschärfungen des Waffengesetzes.
Zugleich war ein bislang noch nie da gewesenes Interesse der Medien an schießsportrelevanten Themen zu beobachten. Fernseh- und Hörfunksender hätten den DSB geradezu überfallen und mit Interviewanfragen überhäuft. Dabei zahlte sich die Festlegung klarer Sprachregelungen aus: Während Pressesprecher Birger Tiemann die Medienvertreter mit Erstinformationen versorgte, konnten sich Präsident Josef Ambacher und Vizepräsident Jürgen Kohlheim um die mediale Nachsorge kümmern.
Die Ergebnisse dieser Informationspolitik – festzumachen an den drei Größen Transparenz, Sachlichkeit und Information – seien nach Kohlheim durchaus zufriedenstellend: Das Waffengesetz wurde in einer unzweifelhaft schweren Zeit bei weitem nicht in dem Umfang verschärft, wie es viele Medienvertreter und Politiker anfangs noch gefordert hatten. Im Rahmen eines Ausblicks auf die zukünftig verstärkte Nutzung neuer und interaktiver Medien verwies Jörg Brokamp an dieser Stelle auch auf die neue Twitter-Seite des DSB (www.twitter.com/dsb_de), womit zukünftig noch schneller als bisher Kurznachrichten an alle Internetnutzer verschickt werden können. Dieses Angebot werde ab sofort die bewährten Informationswege wie DSB-Internetseite, Newsletter und Deutsche Schützenzeitung ergänzen.
Als völlig indiskutabel bezeichnete Ambacher polemische und beleidigende Briefe und E-Mails, die von einer zahlenmäßig sehr kleinen Gruppe von Schützen massenhaft versendet worden seien und dem Ansehen des Schützenwesens erheblich geschadet hätten: „Das ist keinesfalls der Stil unseres bald 150 Jahre alten Verbandes!“."
Selbskritik? Eigene Vorschläge wie solche Taten nicht wieder vorkommen? Mitleid? Keine Spur. Die Pressemittteilung des Schützenbundes ist ein widerwärtiges Dokument menschenverachtender Selbstgerechtigkeit.
Ob die 150 Jahre nun wirklich als Gütesiegel gebraucht werden können ist höchst zweifelhaft. Denn dann stellt sich die Frage, wie es wohl im NS-Staat mit dem Verein war.
Ansonsten, es wurde schon erwähnt, auf die Idee, daß keiner weiß, der Junge Amok lief, daß das Drama also wiederholbar ist, scheint keiner zu kommen.