Künftig können Hakenkreuze auch in Computerspielen verwendet werden. Allerdings gelten weiterhin strenge Regeln.
Die Debatte ist alt, sehr alt. Wahrscheinlich begann sie 1992. Damals veröffentlichte der amerikanische Computerspielhersteller id Software Wolfenstein 3D, einen, wenn nicht den ersten, Ego-Shooter überhaupt. In dem Spiel musste der amerikanische Soldat William „B.J.“ Blazkowicz, er war polnischer Herkunft, sich aus der Nazi-Burg Wolfenstein befreien. Und das tat er, in dem er sich durch die mit Hakenkreuzfahnen geschmückte Burg kämpfte und Nazis tötete. Wolfenstein 3D wurde indiziert, nicht wegen der Hakenkreuze, sondern wegen den für damalige Verhältnisse extremen Gewaltszenen. In den Medien galt es lange als Nazispiel, was vor allem eine Beleg dafür war, dass der Inhalt kaum bekannt war. Die Hakenkreuze reichten aus. Denn die waren in Spielen verboten. Das hat sich nun geändert. Nachdem die Obersten Landesjugendbehörden ihre Rechtsauffassung geändert haben, hat auch die Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK) ihre Prüfpraxis geändert: Spiele, in denen Hakenkreuze zu sehen sind, werden von ihr nicht mehr automatisch indiziert. Eine Praxis, die es bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ohnehin nicht gab: „Die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen erfüllt für sich allein noch keinen Tatbestand der Jugendgefährdung. Tatbestände der Jugendgefährdung stellen aber zum Beispiel die Verharmlosung oder Verherrlichung des Nationalsozialismus, die Diskriminierung von Menschengruppen oder ein Anreizen zum Rassenhass dar.“ Es komme bei der Verwendung von Hakenkreuzen in Medien hinsichtlich der Prüfung der Jugendgefährdung stets auf den Kontext und die Wirkung im Einzelfall an – sie müsse sozial adäquat sein. Landeten Spiele wie „Deutschland 2000“, „Türkenhass“ oder „Zog’s Nightmare” auf dem Index, dann weil sie den Nationalsozialismus verherrlichten und zu Gewalttaten aufriefen.
Bei Through the Darkest of Times von Paintbucket Game, dem Spiel, welches als erstes von der veränderte Praxis der USk profitiert, ist das alles nicht der Fall, sagt Jörg Friedrich, Game Designer -und Paintbucket-Gründer: „In Through the Darkest of Times (TtDoT) übernimmt der Spieler die Rolle eines zivilen Widerstandskämpfers in Berlin, zur Zeit der nationalsozialistischen Diktatur. Unser Ziel ist es, Spieler so gut wie möglich nacherleben zu lassen, wie sich diese Gruppen gefühlt haben müssen.“ Die Verwendung von Hakenkreuzen in dem Spiel war für Friedrich ohne Alternative: „Keinesfalls wollten wir Fantasie-Symbole einführen oder die Handlung in ein Fantasie-Universum verlegen, da es uns wichtig war, über eben diese historischen Gruppen, ihren Kampf gegen den Nationalsozialismus und dessen furchtbare Auswirkungen in einem Computerspiel zu erzählen.“ Eine generelle Freigabe lehnt Friedrich ab: „Wir bei Paintbucket Games finden es richtig, dass das Zeigen von NS-Symbolen verboten ist.“
Auch Felix Falk vom Verband der deutschen Games-Branche hält Einschränkungen für wichtig: „Grundsätzlich sollten verfassungswidrige Symbole in Medien keine Verwendung finden. Allerdings ist die Verwendung verfassungswidriger Symbole bei Spielen dann sinnvoll, wenn diese sich kritisch, reflektiert, künstlerisch, verantwortungsvoll mit entsprechenden Themen beschäftigen.“ Nun hätten auch Computerspielehersteller die selben Möglichkeiten wie andere Medienproduzenten: „Mit der neuen Regelung erhalten Computer- und Videospiele nun erstmals die gleichen Rechte wie andere Medien in Deutschland.“
Falk sieht Computerspiele als eine gute Möglichkeit, auch über die Schrecken des Nationalsozialismus aufzuklären: „Durch ihre Interaktivität schaffen sie es auch, dass sich die Spieler besonders gut in die Protagonisten hineinversetzen können und so eine besondere Empathie aufbauen. Ein gutes Beispiel ist hierfür der erste Titel, auf den die Sozialadäquanzklausel angewendet wurde: In „Through the Darkest of Times“ spielt man normale Bürger zur Zeiten der Machtergreifung durch die Nazis, die sich in Widerstandsgruppen organisieren.“
Die Entscheidung, das Verbot aufzuheben, wurde allerdings auch stark kritisiert. Abraham Lehrer, der stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist gegen die Freigabe: „Ich bin sehr enttäuscht, dass diese Freigabe erfolgt ist. Nach vielen Jahren der guten Arbeit dieser Selbstkontrolleinrichtung wurde jetzt still und leise eine Änderung so gravierender Art vollzogen, ohne die Öffentlichkeit an einer Diskussion zu beteiligen.“Bei einem pädagogisch gestalteten Film gäbe es im Gegensatz zu Computerspielen Begleitmaterial und es stünden Lehrer bereit, die manches einordnen könnten. „Hier geht es aber um Spiele, bei denen Kinder und Jugendliche mit den Eindrücken, die diese Symbole auf sie haben, alleingelassen werden.“
Auf Twitter kommentierte Familienministerin Franziska Giffey (SPD): „Mit Hakenkreuzen spielt man nicht“. Der DGB schrieb in einem Brief an Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD): „Die Ächtung der Symbole des NS-Unrechtsregimes ist ein Gebot unseres Grundgesetzes. (…) Auch in Zeiten der Digitalisierung muss gewährleistet werden, dass in Deutschland strengste Maßstäbe gewahrt bleiben.“ Jeremy Issacharoff, der Botschafter Israels in Deutschland twitterte: „Ich bin geschockt, dass es einer Berliner Firma erlaubt wurde, das abscheuliche und beleidigende Hakenkreuz in einem neuen Computerspiel zu benutzen. Dieses entsetzliche Symbol darf keinen Platz in Deutschland haben, besonders nicht in den Spielen der Jugend.“
Lehrer fordert nun die USK und alle Beteiligten auf, das Gespräch miteinander zu suchen und erst dann endgültig zu entscheiden: „Ich würde mich freuen, wenn die USK ihren Beschluss aussetzt und in einen Dialog mit dem Zentralrat der Juden und anderen gesellschaftlichen Gruppen eintreten würde. Dabei könnte sie ihren Standpunkt verdeutlichen und auch die Gegenargumente hören. Und dann sollte die USK am Schluss des offenen Dialoges entscheiden, ob sie bei ihrer Entscheidung bleibt.“
Der Artikel erschien in einer ähnlichen Version bereits in der Jüdischen Allgemeinen
Die Freigabe war eine richtige Entscheidung. Wir werden virtuelle Realitäten haben und Filme verschmelzen immer mehr mit Spielen.
Wie sollen Inhalte wie im Spiel beschrieben herübergebracht werden, wenn nicht in der Original-Welt?
Ersatzwelten würden lächerlich und verkrampft wirken, da die aufgeklärten Menschen wissen, um was es geht.
Die Gegenargumente sind für mich wenig überzeugend.