Eine Studie der Uni Hamburg zeigt: Keiner will ins Ruhrgebiet, alle wollen nach Berlin, Hamburg oder München. Zeit zu handeln. Wir sagen wie…
In Berlin sind sogar die Bären niedlicher. Foto: Zoo Berlin
„Wenn Sie morgen umziehen müssten – wohin würden Sie gehen?“ Dieser Frage stellte das Institut für Marketing und Medien der Universität Hamburg über 1000 Akademikern im Rahmen einer bundesweiten Studie. Die Befragten bewerteten dabei nicht nur die Attraktivität der 15 größten deutschen Städte, sondern auch, auf wie viel Gehalt sie verzichten bzw. wie viel mehr sie verlangen würden, um in eine bestimmte Stadt versetzt zu werden. Als Einflussfaktoren wurden in dieser Studie vier sogenannte Metafaktoren verwendet: Urbanität & Vielfalt, Natur & Erholung, Berufliche Chancen und Kosteneffizienz. Das Ergebnis der Studie: "Berlin und Hamburg gelten unter Akademikern als die attraktivsten Städte zum Wohnen. Über die Hälfte der Befragten würde dorthin ziehen, müssten sie sich jetzt einen neuen Wohnort suchen. Auf den Plätzen drei, vier und fünf rangieren München, Köln und Dresden. Dortmund, Essen und Duisburg dagegen liegen in der Gunst der Akademiker auf den hinteren Plätzen." Um nach Berlin zu kommen, so ein weiteres Ergebnis, würden viele sogar deutliche Gehaltseinbußen in Kauf nehmen.
Zeit für das Ruhrgebiet zu handeln. Und Möglichkeiten, die Situation im Ruhrgebiet zu verbessern gibt es genug: Um die Urbanität zu steigern und gleichzeitig seine viel gepreisene dezentrale Struktur aufrecht zu erhalten muss das Ruhrgebiet dringend in die Bereiche Shopping und Kultur investieren: Mehr Einkaufszentren und mehr Konzerthäuser können dafür sorgen, dass auch in Wanne eine großstädtisches Lebensgefühl aufkommt. Recklnghausen geht mit dem Bau der Lörhöf-Arcaden mutig voran.
Vielfalt: So viele Bürgermeister, Oberbürgermeister und Landräte auf so engem Raum hat keine andere Region der Welt. Ein Pfund, mit dem endlich gewuchert werden muss. Das Ruhrgebiet wird so interessant für Politprofis aus ganz Deutschland – bei der Ämterdichte der Region ist die Chance Bürgermeister oder Dezernent zu werden höher als im Rest der Republik. Statt wie in New York (Sorry, Dirk) frech zu behaupten "Wenn Du es hier schaffst, schaffst Du es überall" könnte man im Ruhrgebiet stolz verkünden "Hier schaffst Du es". Und dann das metropolentypische Selbstbewußtsein im Revier: Nur hier glaubt jede hektisch aus dem Boden gestampfte Arbeitersiedlung sie wäre eine unverwechselbare Stadt mit einer ganz aufregenden Geschichte. Wie wäre es mit Slogans wie: "Das Ruhrgebiet – Hier macht jeder was er will" oder "Das Ruhrgebiet – wir arbeiten dran" oder "Das Ruhrgebiet – Ihr habt Geld, wir haben Zeit"
Womit wir beim Thema Werbung wären: Das Ruhrgebiet ist toll, aber keiner weiß es. Wir brauchen mehr Videos mit bombastischer Musik – so lange bis die Menschen glauben Wagner sei in einer Zechensiedlung in Resse zur Welt gekommen. Warum den Menschen mühsam erklären dass man auch zum Studieren ins Ruhrgebiet kommen kann, Wohnungen recht preiswert sind und die Menschen nett, wenn man ihnen zeigen kann, was keine andere Metropole der Welt hat: Hochhäuser, kleiner als in Frankfurt, Opern, unwichtiger als in Bremen und Arbeitsplätze, weniger als in Rostock?
Was das Ruhrgebiet jetzt braucht ist einen Masterplan Image. Die Öffentlichkeitsarbeiter der Städte sollten sofort eine Kommission bilden und damit beginnen, bis 2015 unverbindliche Kommunikationspläne, für deren Umsetzung es kein Geld gibt, aufzustellen und betonen, wie schön es ist, mal miteinander gesprochen zu haben. Die Stadtplaner haben auf diesem Weg schon spektakuläre Erfolge erzielt. Ruhrgebiet – das wird schon…
Lass‘ sie reden… Eine Region muss es ohne großes zu tun schaffen. Ein Image kann nicht durch bunte Flyer erworben werden. Vielleicht macht auch gerade die ?dorfdeppige? Engstirnigkeit diese M(etropole) Ruhrgebiet aus.
Lasst uns das M vom Nummernschild der Münchener klauen, denn wir sind M wie Ruhrgebiet. Ein sinnloses Zeichen muss gesetzt werden!
Das Umfrage-Ergebnis mag einen Ruhrbaron erschrecken. Aber eigentlich ist es nicht überraschend: Was sollte jemand in Dortmund, wenn er in eine aufregende Metropole wie Berlin, Hamburg, München oder auch Köln ziehen kann?
Das Ruhrgebiet spielt nun einmal in einer anderen Liga. In Liga Zwei. Zusammen mit Bremen, Leipzig, Nürnberg – aber auch Düsseldorf und Frankfurt. Die letzten beiden sind Tabellenführer, weil ihre wirtschaftlichen Daten stimmen. Deswegen ziehen da viele hin.
Klar: Zusammen genommen ist das Ruhrgebiet einwohnerstärker als die anderen Teams in Liga Zwei – aber das „Team Ruhr“ ist bloß ein zusammengewürfelter Haufen mit wenig Klasse. Daher plädiere ich dafür, erst einmal die Hausaufgaben zu machen. Die Verwaltung reformieren, die schlecht besetzten Positionen überdenken, das Zusammenspiel verbessern.
So lange sich das Revier in seinem desolaten Ist-Zustand befindet, kann es nicht in die erste Liga aufsteigen – und verliert sogar die Heimspiele gegen Düsseldorf. 😉
Nicht nur, dass ich bezweifele ob München eine aufregende geschweige den überhaupt eine Metropole ist. Selbst bei Hamburg hätte ich nicht unerhebliche Bedenken.Was ich vor allem für fraglich halte, ist die Methode des Städtevergleichs.
Dortmund oder Essen oder Bochum usw. stehen räumlich nicht für sich. Wenn man sie besucht oder in ihnen lebt ist man quasiautomatisch aufs engste mit der umliegenden Städteagglomeration verbunden. Man fährt dort nicht von der Innenstadt an die Peripherie sondern, ohne auch nur ansatzweise eine räumlich oder bauliche Grenze wahrzunehmen, in eine andere Stadt.
Damit ist das Ganze noch lange keine Metropole. Aber es gibt das, was man die Reise in die Nähe nennt. Selbst wenn man Jahrzehnte in einer dieser Ruhr-Städte seinen Hauptwohnsitz hat, gibt es in 30-60 Minuten Auto/Bahn-Radius immer noch etwas Neues zu entdecken, was über einzelne Gebäude/Einrichtungen weit hinaus geht. Von ausgedehnten Rad/Bootstouren ganz zu schweigen. Hinzu kommen nachwievor erhebliche und dauerhafte soziale, kulturelle und bauliche Veränderungsprozesse innerhalb der einzelnen Stadt/Landschaftsräume die auch den Besuch der gleichen Orte mit dem genügenden Zeitabstand spannend machen.
Auf diese Weise kann das Ruhrgebiet sehr wohl mit anderen Städten konkurrieren. Aber eben nicht, in dem sich die einzelnen Kommunen je alleine dem Vergleich stellen und damit gewöhnlich scheitern. Auch nicht in dem das Ganze mit nichtssagenden und zugleich irrwitzigen Kulturmengenangaben als Metropole hochgejazzt wird, sondern im wahrsten Sinne als Stadtlandschaft und als kulturräumliches Konglomerat. Als Puzzle das sich jeder vorrangig durch eigene und neugierige Mobilität zusammensetzen muss und nicht per „Stadtrundfahrt“ geliefert bekommt.
@ Arnold: Genau. Und unter uns: Aber genau deshalb halte ich es ja für eben nicht zwingend notwendig, sich jetzt zwanghaft (!) in der Gegend hier radikal so umzuorganisieren, dass man in die „Stadt“-Schublade der Statistiker passt. Dann ist nämlich das strukturelle Alleinstellungsmerkmal weg und man macht nur auf Zahlenwerte, passt sich also dem Käse der anderen (in Berlin) an. Muss nicht m.E., ich bin ja Realo was „Ruhrstadt“ angeht. Und auch wenn es (mich) langweilt: Nur weil irgendwelche Bürgermeister und Kämmerer in Stadt- bzw. „meine Stadt“-Begriffen denken, lass ich mich doch nicht mit Köln oder Hamburg ärgern – von Statistikern! Aus Hamburg! Ich glaub es hackt!
@Voss: Nicht, dass wir uns falsch verstehen. Ich bin ein Freund des Ruhrgebiets und glaube fest an sein Potenzial. Doch der Ist-Zustand ist für mich wirklich nur zweite Liga.
Es geht mir da auch nicht um Größe oder interessante Gebäude, die man mit dem Auto erreichen kann. Worum es mir in erster Linie geht ist Atmosphäre und ein bestimmtes, internationales Menschengemisch.
Und dieses Gemisch habe ich in Dortmund, Bochum und Essen nur mit der Lupe gefunden. Daher macht es für mich keinen Unterschied, ob ich von Dortmund nach Essen oder von Bochum nach Duisburg fahren kann. Letztendlich bewegt man sich die ganze Zeit in der zweiten Liga.
Dass man im Ruhrgebiet Rad- und Bootstouren unternehmen kann ist schön, würde mich aber nicht zurück ins Revier locken. Solche Touren kann man auch in Berlin oder Köln machen – und in München und Hamburg erst recht.
Und klar: ich gebe Ihnen Recht. Zwischen München und Berlin gibt es auch himmelweite Unterschiede. Aber letztendlich ist München schon ein weitaus internationalerer Ort als das Ruhrgebiet. Wenn man dort U-Bahn fährt, sieht man viele Touristen, durchreisende Geschäftsleute etc. Es gibt eine florierende Wirtschaft, Kultur und eine erstklassige Medienlandschaft. Im Ruhrgebiet sieht es wirklich anders aus.
Wenn man mit den Metropole Ruhr-Menschen redet, habe ich oft das Gefühl dass sie die Welt mit anderen Augen sehen. So im Sinne von: „Na ja Hamburg… in Bottrop gibts nen Tetraeder.“ Nur mal ehrlich: ich kenne niemanden, der deswegen das Ruhrgebiet einer internationalen Hafen-Metropole mit spannenden Arbeitsplätzen (wie es Hamburg nun einmal ist) vorzieht.
Klingt vielleicht hart. So eine bittere Wahrheit könnte den Ruhrgebiets-Imagebastlern aber weiterhelfen. Nur wenn man weiß, wo man steht, kann man den besten Weg zum Ziel finden. 😉
Für mich klingt das nicht sonderlich hart. Es ist in großem und ganzen die Wahrheit. Allerdings mit ein paar räumlichen Ausnahmen, was die urbane Atmosphäre betrifft (z.B. das Bermuda-Dreieck in Bochum), die den Kohl jedoch nicht wirklich fett machen.
Die alltägliche die Dauerbewohner betreffende und damit „harte“ Internationalität des Ruhrgebietes ist jedoch weitaus größer als z.B. die von München oder Hamburg. Da müssen sie sich im „Emscherland“ nur regelmäßig mit Bus- und Bahn jenseits der ICEs bewegen oder noch besser in den entsprechenden Vierteln wohnen. Beides habe ich viele Jahre getan.
Aber ich war nie der Meinung, dass das Ruhrgebiet angestrengt nach Berlin, Hamburg oder München, geschweige denn nach New York schauen sollte. Die Entwicklungsbedingungen dieser vier Großstädte sind weder miteinander und nicht im Ansatz mit denen der Stadtlandschaft an Rhein und Ruhr zu vergleichen.
Ich selber wohne seit vielen Jahren im wesentlichen an drei Orten und kenne mich dort auch entsprechend aus: Ruhr, Berlin und New York City, wobei meine Verbundenheit zur Ruhrprovinz ein besondere ist, weil ich dort und nur dort meine Kindheit und Jugend und auch meine Studienzeit verbracht habe. Diese besondere Gegend hat mich sehr geprägt, daran gibt es keinen Zweifel. Seit meinem 27 Lebensjahr lebe ich allerdings nicht mehr nur an einem Ort und habe dieses regelmäßige Wechseln/Pendeln auch immer gebraucht.
Das Ruhrgebiet ist in jeder Weise lebenswert, wenn man eben nicht an Metropolitanität interessiert ist. Und wer sogenannte Metropolen im Alltagsgeschäft und ohne überdurchschnittliche Finanzausstattung erleben darf oder vielmehr muss, der weiß eine attraktive Provinz zu schätzen. Und sei es nur als Erholung von all den stressig-hippen Menschen, der künstlich-coolen Atmosphäre, den lächerlichen look-a-like Bohemiens die mit ihren riesigen Sonnenbrillen und dem „Mac“ im Anschlag ihre winzigen Persönlichkeiten verstecken, und nicht zuletzt von überteuerten Restaurants und „Wir kaufen aus der Welt das Beste ein-Kulturangeboten“.
Es gibt nur sehr sehr wenige (westliche) Metropolen auf dieser Welt, die diesen Titel im Positiven wie im Negativen verdienen bzw. sich ihn selbst verdient haben. Der Rest ist angestrengtes Mittelmaß mit teuren materiellen und immateriellen Zukäufen aus der globalisierten Welt der Spitzenprodukte aller Art.
Ansonsten empfehle ich zu diesem Thema eines meiner Lieblingsaufschriften für T-Shirts: Provinz ist da wo ich bin!
… und den Lieblingssatz meiner Freundin Julie: „Wherever you are, it is your friends who make your world“ der übrigens im Original von William James stammt.
@Voss: Schöner T-Shirt-Spruch. Ich persönlich finde die Sachen, die Sie an echten Großstädten stören allerdings gar nicht so schlecht – von den Möchtegern-Bohemians mal abgesehen. 😉
@ Mit-Leser
Das ist ein Missverständnis. Stören tun sie mich nicht, denn sie gehören wie der Verkehrs- und Lärmstress nun mal zu einer ernst zu nehmenden Großstadt die eine soziokulturelle und ökonomische Führungsolle einnimmt. Aber wer unterschlägt, dass eine Metropole nicht auch anstrengend bis nervend ist,der lebt nicht wirklich dort.
Allerdings belohnen einen echte Metropolen auch dafür dass man ihre „Schattenseiten“ erträgt, in dem sie neben der üblichen Mimikry eine solch authentische Erlebnis-, Bilder- und Begegnungsvielfalt in einer solchen räumlichen Dichte bieten, wie sie sie andere Städte einfach nicht zu liefern in der Lage sind.
@Voss: Stimmt schon. Das Großstadt-Leben kann auch anstrengend sein. Aber dass es sich lohnt diese Anstrengungen zu „ertragen“ haben Sie ja in sehr schönen Worten auf den Punkt gebracht.
Den inflationären Gebrauch des Wortes „Metropole“ sehe ich genauso kritisch wie Sie. Die wirklichen Metropolen des Westens sind New York, London und Paris. Danach kommt lange nichts. Daher gebe ich Ihnen Recht, dass Hamburg und München – global betrachtet – keine Metropolen sind. Es sind jedoch internationale Drehkreuze und Handelsplätze – mit hohem Bekanntheitsgrad weltweit.
Berlin dagegen war mal eine Metropole, ist es aus wirtschaftlichen Gründen aber nicht mehr. Als Teilzeit-Berliner würde ich mir allerdings sehr wünschen, dass es mit der Stadt in den nächsten Jahren wirtschaftlich aufwärts geht.
Das Gleiche wünsche ich auch dem Ruhrgebiet. 2010 werde ich mir das Revier jedenfalls mal wieder genauer anschauen. Bin sehr darauf gespannt, was sich in den letzten Jahren alles verändert hat. Hab mir die Region früher schon mal sehr genau angesehen, war viel zwischen Duisburg, Essen, Bochum und Dortmund unterwegs. Hab mich damals auch auf den ersten Blick in die Region verliebt. Aber es ist auch eine tragische Liebe: Das Revier und ich passen nämlich nicht wirklich zusammen. Aus der Ferne etragen wir uns besser. 😉