Wir sind mehr und das ist gut so!

Hier könnten überall Antifaschisten sitzen. Quelle: Flickr.com, Foto: Dennis , CC BY-ND 2.0 

Der Hashtag #wirsindmehr wird von vielen in Frage gestellt, genau wie das für heute geplante Konzert gegen Rechts in Chemnitz, gerade auch aus linker Richtung. Da wird die Frage gestellt, was denn wäre, wenn wir nicht mehr „mehr“ sind. Klargestellt, dass in einem Rechtsstaat auch eine Mehrheit keine menschenfeindlichen Entscheidungen treffen darf. Wird darauf verwiesen, dass die Nazis auch eine Mehrheit hatten und gerade die Behauptung, mit Volkes Stimme zu sprechen, ein Instrument der Populisten ist. Es wird postuliert, dass solche massenwirksamen Aktionen nur Lippenbekenntnisse sind, danach alle wieder nach Hause fahren und nichts sich ändert. Es wird auf den wahren Kampf eingeschworen, der auf der Straße stattfände. Ja, es scheint fast schon eine Art Sehnsucht zu geben, jetzt endlich an dem Punkt zu sein, wo man als letzte Bastion im Untergrund mit selbstgebastelten Bomben und geklauten Pistolen in den aufrechten Widerstand geht.

Ich will nicht in Frage stellen, dass die Antifa gerade in den nazi-dichten Gebieten wie Sachsen mutige und wichtige Arbeit leistet. Ich bin auch nicht der Meinung, dass man noch länger mit den Rechten reden sollte, denn jedes Gespräch spielt ihnen nur in die Hände. Aber ich will entschieden widersprechen, wenn es darum geht, möglichst viele Massen zu rekrutieren. Ja, in einem Rechtsstaat sollte auch die Mehrheit die Menschenrechte achten. Aber wenn jene erstmal die Mehrheit stellen, dann gibt es keinen Rechtsstaat mehr. Natürlich spielt es eine Rolle, wieviele sich zu ihm bekennen. Dazu sollen Hasthags und Konzerte und Testimonials von Prominenten, sollen Werbekampagnen, Preisausschreiben und Flaschenpost verwendet werden, was auch immer Leute erreicht und dazu bringt, in möglichst großer Zahl bei möglichst vielen Gelegenheiten klarzustellen, dass bei uns kein Platz für Nazis ist.

Es ist der AfD und den übrigen Vertretern der Rechten bemerkenswert gut gelungen, ihren Fremdenhass zum alles bestimmenden Thema zu machen. Es ist ihnen noch viel erschreckender gelungen, die Grenzen dessen, was die Öffentlichkeit an Aussagen toleriert, nach rechts zu verschieben. Sie haben das geschafft, indem sie immer wieder rechtsradikale Aussagen gerade soweit zurückgenommen haben, dass jemand, der eigentlich kein Nazi sein will, aber doch damit sympathisiert, sich noch auf der Seite der Guten wähnen kann. Mit ein bisschen Verdrehung der Wahrheit kann man sich empören, Nazi genannt worden zu sein, weil das ja so nicht gemeint war. Daher auch die Behauptungen, die Leute, die die Hitlergrüße gezeigt haben, wären linke Provokateure gewesen. Das Spektrum dessen, was man sagen und tun kann, ohne ein Nazi zu sein, wird auf diese Weise immer größer, bis es groteske Ausmaße annimmt.

Aber vielleicht ist jetzt ein Punkt erreicht, an dem dieses Spiel ein Ende hat. Es mag an der üblichen medialen Hysterie liegen, es mag sein, dass ich dieses Gefühl schon öfter hatte, aber es kommt mir so vor, als würde sich durch die Ereignisse in Chemnitz gerade etwas verändern. Wenn AfD und Neonazis so eindeutig zusammen marschieren wie zuletzt, dann muss sich jeder, der die AfD wählt, die Gewissensfrage stellen, ob er nicht doch ein Nazi ist. Diejenigen, die das sowieso die ganze Zeit waren und vielleicht früher die NPD gewählt haben, werden damit kein Problem haben.

Doch es muss einen guten Teil von AfD-Anhängern geben, die bis vor kurzem eher unpolitisch oder irgendwie Teil des demokratischen Spektrums waren. Vielleicht haben diese Leute Vorurteile, vielleicht einfach ungefestigte Ansichten. Aber es sind Menschen die vor wenigen Jahren noch damit einverstanden waren, dass in Deutschland keine Hitlergrüße gezeigt werden. Die meisten Menschen sind nicht daran interessiert, Grenzen auszuweiten, die Gesellschaft zu verändern, sich am Rande zu bewegen. Die meisten Menschen wollen normal sein und sich in Sicherheit wiegen. Wenn es normal ist, dass man Nazis ächtet, wollen die meisten Menschen nicht zu den Nazis gehören.

Ich glaube, wir sind an einem Scheitelpunkt. Jetzt müssen sich viele entscheiden, ob sie den Weg nach noch weiter rechts mitzugehen bereit sind. Jetzt muss diese Gesellschaft klar definieren, was normal ist. Dass die AfD den Diskurs bestimmt, ist nicht normal. Dass sämtliche Parteien zähneklappernd darauf achten, bloß klarzustellen, dass sie auch was gegen die Flüchtlinge tun wollen, ist nicht normal. Dass Politiker den Holocaust verharmlosen, ist nicht normal. Dass „normale“ Bürger Seite an Seite mit Neonazis demonstrieren, ist nicht normal. Die Bilder aus Chemnitz sind nicht normal.

Was normal ist, bestimmt die Mehrheit. Und die Mehrheit der Menschen richtet sich in ihrem Urteil danach, was die meisten anderen so sagen. Die paar Prozent Extremisten, die früher auch schon NPD gewählt haben, die wird man damit nicht erreichen, das ist wahr. Aber die Massen, die jetzt von dieser gestörten Stimmung im Land angesteckt sind, die sind noch erreichbar. Die stecken in ihren Filterblasen und denken, das wäre normal, was sie reden und tun. Und das denken sie erst recht, wenn man ihre Vertreter in Talkshows einlädt und Politiker jeder Couleur davon sprechen, ihre Sorgen ernst zu nehmen. Flaschenwerfende Antifas werden sie nicht beeindrucken. Aber zu sehen, dass sie in der Unterzahl sind, dass sie sich den Außenseitern, den Verlierern anschließen, das wird sie nicht kaltlassen.

Die meisten Leute richten ihr Fähnlein nach dem Wind. Sie brauchen jetzt dringend Gegenwind.

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Thorsten Stumm
6 Jahre zuvor

"Wird darauf verwiesen, dass die Nazis auch eine Mehrheit hatten und gerade die Behauptung, mit Volkes Stimme zu sprechen, ein Instrument der Populisten ist."

Hier wird leider ein Mythos wiederholt der nicht stimmt. Bei den letzten freien Reichstagswahlen im November 1932 erreichte die NSDAP 33,1 % der Stimmen. Was ein Verlust von 4,1 % zu den Vorwahlen darstellt. In den nächsten Wahl unter Hitler in März 1933, trotz massiven Druck der SA, erreichte die NSDAP 43,9 %.

In freien Wahlen erreichte die NSDAP nie die Mehrheit.

Die Demokratie wird heute von einer Mehrheit der Menschen getragen. Und das ist gut so.

Matthias
Matthias
6 Jahre zuvor

Ich glaube, einen beträchtlichen Anteil daran, dass das Problem mit Rechts immer größer wird, haben auch die Linken selbst. Brave Bürgerlein radikalisieren sich auch deshalb, weil von vorneherein niemand bereit war, auch nur mit ihnen auf Augenhöhe zu reden. Wer konservativer ist als die Mitte (vulgo: „rechts“) und tagein, tagaus medial als moralisch verkommener Vollidiot dargestellt wird, statt dass einmal ernsthaft zugehört wird, was er/sie en detail zu sagen hat (und zwar nicht nur vorgeführt als zu bashende Witzfigur in einer Talkshow), um dann sachlich mit Argumenten dagegen zu halten, der/die radikalisiert sich irgendwann.

Mark Lilla, ein amerikanischer Linker, beschreibt dieses unterkomplexe Verhalten ganz gut für die USA (The Once and Future Liberal). Dort bezeichnen sich die extremeren Republicans noch immer selbst stolz als „Deplorables“, als die Erbärmlichen, wie sie Hillary genannt hat. Mit dieser offensichtlich zur Schau gestellte Abscheu der doofen Rechten, um den Beifall der eigenen Leute zu ernten, hat sie alle Vorbehalte der Nicht-Dems bestätigt und sicher auch deswegen die Wahl verloren. Es ist nicht sehr schlau, moderate Leute geradezu in extreme Ecken hinein zu drängen und das passiert auch in Deutschland.

Ich glaube, labelfreies miteinander Reden, sofern das überhaupt noch möglich ist, wäre effektiver als die „mutige und wichtige Arbeit der Antifa“ oder mehr „Gegenwind“. Außer, und so kommt es mir manchmal vor, der Clash of Cultures ist gewünscht und gewollt.

paule t.
paule t.
6 Jahre zuvor

@ #2, Zitat: "Es ist nicht sehr schlau, moderate Leute geradezu in extreme Ecken hinein zu drängen und das passiert auch in Deutschland."

Ich verstehe diese Redewendung "in die rechte Ecke/ in extreme Ecken drängen" nicht. Wer, wie viele Leute in Chemnitz, auf Demos geht, wo Hitlergrüße gezeigt werden, Naziparolen skandiert werden, anders aussehende Leute gejagt werden, insgesamt "die Flüchtlinge" als Schuldige für Vebrechen dargestellt werden … – den muss man nicht in die rechte Ecke "drängen". Er ist mit voller Kraft in diese Ecke hineingerannt.

Natürlich muss man den Leuten auch die Chance geben, aus dieser Ecke auch wieder rauszukommen. Aber das erreicht man gewiss nicht, indem man einfach so tut, als stünden sie gar nicht da.

Matthias
Matthias
6 Jahre zuvor

Auch „die AfD“ ist kein monolithisch denkender Block des Bodenlosen, sondern besteht aus Individuen, die möglicherweise unterschiedlichste Motive und Vorstellungen haben, die sich nicht mit „unseren“ (auch kein monolithischer Block) decken. Wir glauben aber, wir wüssten, was in deren kollektiven Kopf vorgeht: Niedertracht. Ich gehe aber davon aus, dass die meisten Menschen keine in ihren eigenen Augen niederträchtigen Motive verfolgen, sondern aus ihrer Sicht Folgerichtige. Aus dieser Perspektive sollte man rangehen: Der des Individuums und der des verstehen Wollens – was nicht Zustimmung bedeutet. Klingt naiv, ich weiß.

Matthias
Matthias
6 Jahre zuvor

@ paule t. Ja, jetzt stehen sie da in der rechten Ecke.
Und manche davon sind, wie ich glaube, dahinein gedrängt worden. Warum ich denke, dass das so gekommen ist, habe ich oben beschrieben. Dem kann man zustimmen oder nicht. Ich glaube, es war und ist eine schlechte Strategie.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor
Matthias
Matthias
6 Jahre zuvor

@Klaus Lohmann:
Ich habe im Moment leider nicht die Zeit, die beiden verlinkten, langen Artikel zu lesen, die scheinbar irgendwas mit dem zu tun haben, was ich oben geschrieben habe.

Die Namen der Links selbst geben mir allerdings keinen Hinweis. Darüber, dass irgendwelche AfD-Idioten den Holocaust leugnen, so wie viele Deutschen damals auch schon, habe ich jedenfalls nicht geschrieben. Stattdessen darüber, dass wir ursprünglich moderate Konservative und andere, wie zum Beispiel Globalisierungsverlierer, diesen Leuten in die Arme getrieben haben, weil wir partout nicht mit Ihnen auf Augenhöhe diskutieren wollen, schließlich Sie sind ja pauschal Vollidioten, Rassisten, Hetzer und was es sonst noch für Etiketten gibt, die einem das Leben leichter machen. Und dass ich diese Strategie nicht für besonders schlau halte — falls man tatsächlich in deren Köpfen etwas ändern möchte.

Auf die sehr allgemeine Frage, ob sich „was geändert hat in über 80 Jahren?“, möchte ich genauso sehr allgemein mit „Ja, klar.“ antworten. Geschichte wiederholt sich nicht identisch. Die heutige Situation ist eine andere.

ke
ke
6 Jahre zuvor

Es gibt das Zitat: "Rechts von der CSU dürfe es keine demokratisch legitimierte Partei geben."
Da die C-Parteien beide stark nach links gerückt sind und dadurch insbesondere Frau Merkels Kanzlerschaft mit vielen Posten gesichert wurde, gibt es nun ein großes Feld ab Mitte-Rechts.

Kritische Töne im Umgang mit den aktuellen Einwanderern/Flüchtlingen führen direkt zu einer Kategorisierung im rechten Bereich.
Es fehlt also eine Heimat für konservative Ideen/Einstellungen. Aber früher gab es noch dichte Grenzen und wenig Globalisierung. Alles war viel langsamer und passte zu unseren Gesetzen.

Aktuell hat hier die AfD großen Zulauf. Sie deckt direkt alles rechts der Mitte ab und hat bisher nur als Oppositionspartei die Möglichkeit zu zeigen, was sie alles kann/nicht kann.

Es muss jeder Demokrat darauf achten, dass Grenzen auch im persönlichen Umfeld genannt werden. Das ist anstrengend, macht unbeliebt, ist aber notwendig.

Ebenso sollten Leader zwar optimistisch vorangehen, aber es auch vermeiden, offensichtliche Fehlinformationen zu verbreiten.
Es war bspw. schwer nachvollziehbar, dass wir unseren Fachkräftemangel direkt mit Flüchtlingen lösen werden.

Aktuell fällt mir bspw. auf, dass bei Abschiebungen immer wieder darauf hingewiesen wird, dass die betroffene Person doch hier bleiben könnten, da sie irgendwas mit Pflege macht. Meistens handelt es sich dann um ein Praktikum bzw. um den Plan in dem Bereich zu arbeiten.

Daniel
Daniel
6 Jahre zuvor

#2 Matthias hat die Zusammenhänge imO korrekt beschrieben. Jeder ernstzunehmende Soziologe wird bestätigen, dass gruppenbezogene Stereotype natürlich auch Einfluss auf selbsbild und Konstrukte der betreffenden Personen hat. Unterstellt man Menschen mit Migrationsgeschichte kriminelles verhalten, wird auch die Wahrscheinlichkeit eines solchen Verhaltens steigen. Es ist ja grundsätzlich irritierend, wenn eine AfD trotz erkennbarer Radikalisierung weiterhin an Zustimmung gewinnt. Es scheinen aber nur wenige an der rationalen Betrachtung der Zusammenhänge interessiert. Den verwahrlosten Elendsgestalten ist es offensichtlich wichtiger, sich als bessere Menschen gerieren zu können statt nach Ursachen zu forschen. Das hat in Deutschland ja lange Tradition.

Daniel
Daniel
6 Jahre zuvor

#2 Matthias hat die Zusammenhänge imO korrekt beschrieben. Jeder ernstzunehmende Soziologe wird bestätigen, dass gruppenbezogene Stereotype natürlich auch Einfluss auf Selbstbild und Konstrukte der betreffenden Personen hat. Unterstellt man Menschen mit Migrationsgeschichte kriminelles verhalten, wird auch die Wahrscheinlichkeit eines solchen Verhaltens steigen. Es ist ja grundsätzlich irritierend, wenn eine AfD trotz erkennbarer Radikalisierung weiterhin an Zustimmung gewinnt. Es scheinen aber nur wenige an der rationalen Betrachtung der Zusammenhänge interessiert. Den verwahrlosten Elendsgestalten ist es offensichtlich wichtiger, sich als bessere Menschen gerieren zu können statt nach Ursachen zu forschen. Das hat in Deutschland ja lange Tradition.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

: Wir reden/schreiben über diejenigen "moderaten Konservativen und andere, wie zum Beispiel Globalisierungsverlierer", über die Michel Friedman vor nicht allzu langer Zeit gesagt hat, dass "Wehret den Anfängen!" für diese Bevölkerungsgruppe als wohlmeinende Handlungsempfehlung sinnlos sei, weil es niemals eine echte Unterbrechung nationalsozialistischer "Traditionen" in Deutschland gab (https://www.welt.de/kultur/buehne-konzert/article172938083/Michel-Friedman-Wer-noch-sagt-Wehret-den-Anfaengen-begreift-nichts.html)?
Dann haben wir tatsächlich nicht besonders schlau gehandelt, als wir nie versucht haben, diese Unterbrechung zu erreichen. Und es hat sich nichts geändert, sie laufen dort mit, wo am lautesten geschrien und gedroht wird.

Matthias
Matthias
6 Jahre zuvor

@ Klaus Lohmann: Ich bin mit Ihnen absolut einer Meinung, dass es in Deutschland immer einen braunen Bodensatz von, keine Ahnung, 5 Prozent? gab und gibt. Über die Prozentzahl will ich mich nicht streiten, ich kenne sie nicht.

Ich halte es deshalb für einen Fehler, alle , die sich aus der bürgerlichen Klientel weiter nach rechts bewegt haben (aus Gründen, die ich oben anführe), als unbelehrbare Nazis zu begreifen. Diese Sichtweise ist zwar bequem in einer Welt, die sich immer mehr in Wir-und-Die-Stammeskämpfen aufreibt, sie ist aber in meinen Augen nicht trennscharf und deshalb nicht zielführend.

Wenn es wirklich so wäre, das mit all diesen Menschen nicht mehr zu sprechen ist (und vielleicht auch nicht nur im Sinne einer „wohlmeinenden Handlungsempfehlung“, sondern vielmehr eines echten Dialogs), was dann? Bürgerrechte entziehen, alle hinter Gitter stecken? Ich glaube, es gibt konstruktivere Lösungen.

Gerd
Gerd
6 Jahre zuvor

"Ich will nicht in Frage stellen, dass die Antifa gerade in den nazi-dichten Gebieten wie Sachsen mutige und wichtige Arbeit leistet."

Soll das ein Witz sein? Gewalttätige Extremisten sind das Problem und nicht die Lösung. Toleriert man die auf der einen Seite, züchtet man sie auf der anderen. Und überhaupt sollte die Presse verbal ein paar Dezibel abrüsten., denn 'Sachsens Generalstaatsanwaltschaft widerspricht Merkel'

"Es ist ein einfacher klarer Satz von Wolfgang Klein, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Sachsen. „Nach allem uns vorliegenden Material hat es in Chemnitz keine Hetzjagd gegeben“, so der Beamte … Aber eine Hetzjagd in den Straßen von Chemnitz gab es weder nach Erkenntnissen der Behörden, noch existieren bis heute Fotos oder Bewegtbilder, die den Vorwurf stützen."

https://www.publicomag.com/2018/09/sachsens-generalstaatsanwaltschaft-widerspricht-merkel/

Yilmaz
Yilmaz
6 Jahre zuvor

@#9 / ke:

"Es war bspw. schwer nachvollziehbar, dass wir unseren Fachkräftemangel direkt mit Flüchtlingen lösen werden. "

Es gibt keinen Fachkräftemangel, aktueller Artikel dazu:

https://www.welt.de/wirtschaft/article181343286/Fachkraeftemangel-Oekonomen-zweifeln-an-der-Millionen-Luecke.html

Fachkräftemangel? Ökonomen zweifeln an der Millionen-Lücke

Das Problem sei weniger, dass es nicht genug Arbeitskräfte gebe – sondern dass Unternehmen nicht bereit seien, angemessene Löhne zu zahlen, sagt Eric Seils, Verfasser des jüngsten WSI-Reports zur Situation des Arbeitsmarkts. „Die Klagen vieler Unternehmer über ein angebliches Geschäftsrisiko Fachkräftemangel dienen nur dem Ziel, den Anstieg der Arbeitskosten im deutschen Niedriglohnsektor zu dämpfen“, so Seils.

Ke
Ke
6 Jahre zuvor

#15
Ja, das ist plausibel.
Mit vielen neuen Arbeitskräfte für den Niedriglohnsektor und Ein-Personen-Dienstleistern mit Förderung iSt das Ziel auch erreichbar.

Für die Rente ist das katastrophal.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

@#14: Ein Generalstaatsanswalt in einem Bundesland, dessen Regierung z.Zt. krampfhaft versucht, seinen guten Ruf zu erlangen (von wiedererlangen oder erhalten kann man schwerlich reden), und ein Polemik-Blättchen, welches selbst gern und saftig die Spaltung zwischen Wahrheit und Dichtung zugunsten des rechten Randüberhangs und dessen Fakes forcieren will – zusammen ein echter Brüller;)

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

Was auch noch lustig ist: Die sächsische AfD in Person ihres Parteichefs spricht selbst von "Jagdszenen":
"Die AfD Sachsen distanzierte sich von der Gewalt in Chemnitz. Sie hatte am Sonntag ebenfalls eine Demonstration in der Stadt veranstaltet. Diese habe „nichts, aber auch gar nichts, mit den anschließend stattgefundenen Jagdszenen in der Stadt zu tun“ gehabt, erklärte der sächsische Parteichef Jörg Urban"
https://www.waz.de/politik/nach-toedlichem-streit-rechte-marschieren-in-chemnitz-auf-id215181351.html

ke
ke
6 Jahre zuvor

#17 K Lohmann
Warum soll man einem Generalstaatsanwalt nicht glauben?
Wen soll man überhaupt noch von staatlicher Seite trauen?
Sind überall nur Vertreter der Lügenpresse und der Staats-Vertuscher? Das klingt doch zu sehr nach einer Verschwörungstheorie bzw. nach einer selektiven Aufnahme von Infos, die ins eigene Weltbild passen.

Ein Generalstaatsanwalt sollte dafür sorgen, dass Straftaten verfolgt werden.
Wenn er mit seiner Behauptung falsch liegen sollte, muss eine gesellschaftliche Kontrollfunktion stattfinden, d.h. Recherche der Presse, Untersuchungsausschüsse, private Initiativen, die Anzeigen bündeln…..

Matthias
Matthias
6 Jahre zuvor

@#17: Ich kann nicht beurteilen, was die Wahrheit ist, denn ich war nicht dabei, sondern gemütlich auf dem sofa herumgesessen. Ich weiß auch nicht, ob der Generalstaatsanwalt eine seriöse Quelle ist. Was ich an der Reaktion von Klaus dennoch sehe, ist, dass Informationen, die nicht ins Narrativ passen, nicht etwa am Narrativ etwas zu ändern vermögen, sondern stattdessen sicherheitshalber von vorneherein als irrelevant weggewischt werden. Der Grund, wie immer: die wahren (immer niederträchtigen) Absichten, die man genau zu kennen meint. So bleibt die eigene Wahrheit unbefleckt.

Wenn an der Stastsanwalts-Information etwas dran wäre und es tatsächlich keine Hetzjagden gab: Hieße das dann, dass beide Lager überreagierten, die einen wegen des Mordes (der in der Berichterstattung irgendwie unterging, obwohl das doch der Auslöser der Unruhen war) und die anderen, weil sie das Abendland in brauner Soße untergehen sehen?

paule t.
paule t.
6 Jahre zuvor

Die Debatte um die "Hetzjagden" geht mW zurück auf den Chefredakteur der Lokalzeitung "Freie Presse". Der sagte in einem Interview (Deutschlandfunk, meine ich), Hetzjagden im Sinne einer Jagd auf Menschen über längere Zeit und weitere Strecken habe es nicht gegeben; wohl aber Übergriffe und kürzere Jagdszenen (die durchaus hinreichend dokumeniert sind).
Es geht also um eine Differenzierung in der Wortwahl. Die entsprechend Interessierten benutzen den ersten Teil der Aussage jetzt natürlich, um überhaupt in Abrede zu stellen, dass es Übergriffe gegeben habe, und dass die entsprechenden Berichte von der "Lügenpresse" erfunden seien, und lassen den zweiten Teil fein weg. Gegen solche Verharmlosungen oder Leugnungen der tatsächlich stattgefundenen Taten unter falscher Verwendung seiner Aussagen wendet sich ebenjener Chefredakteur nun wieder ganz ausdrücklich.

https://www.freiepresse.de/chemnitz/chemnitz-darum-sprechen-wir-nicht-von-hetzjagd-artikel10299149

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

: paule t. hat's grad schon angesprochen, Regierungssprecher Seibert heute auch noch mal konkretisiert: "Es gibt nichts kleinzureden". Das Fehlen einer juristischen Definition von "Hetzjagd" mag Oberstaatsanwälte sofort für ihren Arbeitgeber in Stellung bringen, aber es geht letztlich und ohne Haarspalterei um verbal und körperlich bedrohliche Übergriffe jeder Art gegen Ausländer, Asylanten, Journalisten, einfache Bürger, Polizisten etc. Das ist nicht irrelevant und kann auch nicht weggewischt werden, auch wenn die AfD dies nun gern so hätte.

Wenn selbst ein AfD-Landeshäuptling von "Jagdszenen" spricht, sollte klar sein, dass Verharmlosung oder gar Verleugnung dieser mannigfach registrierten (und auch zum Teil polizeilich ermittelten) Taten seitens des braunen Mobs das Letzte sind, was in einer öffentlichen Diskussion etwas zu suchen hat. Und das sollten langsam auch die begreifen, die sich – meinswegen aus purer Sensations- und Unterhaltungsgier – "halt mal dazustellen", wenn's laut wird und Ausländer/Journalisten zu rennen anfangen.

Dass die braune Soße jetzt auf die Straße überschwappt und dass solch eine Soße nach dem Verschütten wenn überhaupt, dann nur mit Riesenmühe und Verbrennungen wieder in den Topf zurückschwappbar ist, sollte ebenfalls jedem klar sein, der etwas aus unserer Vergangenheit gelernt hat.

Matthias
Matthias
6 Jahre zuvor

#21: Wir sind im Bereich der Linguistik angekommen. War es eine „Hetzjagd“ oder waren es „kürzere Jagdszenen“ und „Übergriffe“? Wird das aus Verharmlosungsgründen von Teilen der Presse „fein weggelassen“, weil die auch auf der rechtsradikalen Seite stehen?

Klar ist, dass die Leute auf der einen Seite die gleichen erlebten Vorfälle völlig anders bewerten als die auf der anderen, das war noch nie anders. Gibt es denn verfügbares Videomaterial (außer dem einen Handyvideo, bei dem die Frau Ihren „Hasen“ vernünftigerweise zurückpfeift)? Ich würde denken, tausende Handykameras haben den Tag von allen Seiten dokumentiert. Ich habe keinen Fernseher, deshalb habe ich vielleicht solche Clips in den Nachrichten verpasst?

Ums nochmal klar zu stellen: Ich will mit diesen Fragen keinesfalls Fremdenhasser verteidigen. Mich interessiert an dieser Geschichte, was die Psyche mit der Wahrnehmung der Leute auf allen Seiten macht und schon auch deshalb, was da abgelaufen ist.

Klaus Lohmann
Klaus Lohmann
6 Jahre zuvor

@23: Nix Linguistik. Es gab nachweisbar braune Hetze allerorten, es gab Jagdszenen und es gibt Videoclips, wenn man danach sucht. Im Übrigen ist es auch im Zeitalter von Youtube & Co. noch üblich, dass man sich polizeilich auch auf Opfer- und Zeugenaussagen stützt. Da muss man halt wie früher auf die Ermittlungsergebnisse und entspr. Verfahren warten.
Wie das die Auslöser von Hetze und Jadgszenen bewerten, ist mir in diesem Fall so was von sch..ßegal.

Daniel
Daniel
6 Jahre zuvor

@KLaus: erst die Aussagen der Staatsanwaltschaft in Frage stellen und dann auf die Polizei (die mit der Feststellung der Straftat ja auch nur peripher zu tun hat) verweisen? Merkste selber, dass du gerade schwimmst….?

Und es „gab nachweisbar“ „jagdszenen“? Wenn die Suche so einfach ist, dann liefer doch mal. Ich habe nichts gefunden, der vorkommentator offensichtlich auch nicht.

Dir ist aber imO alles egal, was nicht zu distinktionsgewinn und abwärts gerichteten sozialen vergleichen nutzt. So ist das eben bei selbstwertdefiziten häufig.? da ist die Realität aber manchmal hinderlich.

bob hope
bob hope
6 Jahre zuvor

@ # 14 Gerd: Auch wenn ich mit einem Großteil der Antifa (Antiimps, Leninisten, etc.) überhaupt nichts anfangen kann, muss man anerkennen, dass es ohne deren Präsenz Anfang der 1990er Jahre gerade im Ruhrgebiet böse hätte enden können. Da gab es nicht nur in Dortmund eine aktive, militante Neonaziszene (u.a. in Duisburg, Essen, Hamm oder Wattenscheid). In Leipzig oder Halle ist die Antifa auch präsent und durchaus erfolgreich. Und auch hier muss man zwischen den verschiedenen Gruppen differenzieren – zwischen Autoritären und im besten Sinne Libertären.

Zurück zum Thema: In den 1990er Jahren gab es Lichterketten und Großdemonstrationen an denen mehrere hunderttausend Menschen teilgenommen haben, darunter die die höchsten Würdenträger der Republik. Dagegen wirkt der aktuelle Aufschrei recht mickrig. Auch wenn ich es damals schon für verlogen gehalten habe, schien die „Zivilgesellschaft“ wesentlich wacher zu sein. Natürlich gab es damals die Mordanschläge von Solingen, Mölln und Hünxe. Der NSU hat aber gezeigt, dass so etwas jederzeit wieder passieren kann. Zumal die Sympathisantenszene größer geworden ist.

Anno 2018 scheint man vor allem darauf zu warten, inwieweit sich die AfD als parlamentarischer Arm der militanten Rechten geriert. Einige Leute haben sich ja bereits geoutet, aber die Parteiführung traut dem Braten noch nicht. Beim „Schweigemarsch“ in Chemnitz haben sie den Rückzug angetreten als es „interessant“ wurde, was ihnen sehr viele „besorgte Bürger“ hinterher vorgeworfen haben. Und gerade die völkischen Beobachter wie Tillschneider, AfD-Vordenker Kubitschek oder Elsässer fühlen sich im Stich gelassen. O-Ton Tillschneider: „Eine Partei, die sich Alternative für Deutschland nennt, aber im Angesichts des Unrechts (Anm. Auslösung der Demo durch die Polizei) keine Alternative mehr zu bieten und sogar nichts Besseres zu tun hat, als das Unrecht eilfertig zu befolgen, gefährdet ihre Substanz.“ Für den völkischen Flügel der Partei sind das bereits vorrevolutionäre Zustände. Da ist es letztlich auch egal, ob jetzt Hetzjagden stattgefunden haben oder ob es „nur“ vereinzelte Attacken gab. Es gibt nicht wenige, die nur darauf warten, endlich im wörtlichen Sinne zuschlagen zu dürfen.

Mal sehen, wie sich Gauland, von Storch, Weidel, Meuthen und Co taktisch dazu verhalten werden. Meine größte Hoffnung: Dienstwagen und Diäten sind ihnen am Ende doch wichtiger als als „Gefallene der Bewegung“ zu enden – was tatsächlich zur Spaltung der „Bewegung“ könnte. Darauf wetten sollte man aber nicht.

Ansonsten gilt demnächst wohl wieder: Das bisschen Totschlag…

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