In Köln erinnern 450 Menschen an die israelischen Geiseln. Von unserem Gastautor Roland Kaufhold.
Sechs Monate sind vergangen seit dem barbarischen, zwei Jahre lang minutiös vorbereiteten Angriffskrieg der Hamas gegen Israel. Noch immer befinden sich 133 Geiseln in der Hand der Terroristen. Und den Ermordeten bleibt höchstens noch die Erinnerung. Diese zumindest sollten wir ihnen nicht verweigern.
Am Kölner Heumarkt wurde am 7. April aus diesem Anlass von 450 Menschen an den Genozid der Hamas und an die israelischen Geiseln erinnert. Hoffnung macht hierbei, dass sich in Köln kürzlich ein breites, bewusst parteiübergreifendes Bündnis aller demokratischen Parteien und weiterer Gruppierungen zusammen getan hat. Das ist durchaus bemerkenswert. Immerhin, der Schock über das Genozid der Hamas und die Verschleppung von 1400 Geiseln ist von großen Teilen der Kölner Zivilgesellschaft nun doch noch in verantwortlicher Weise wahrgenommen worden. Vier Monate zuvor war dies der einst hoch angesehenen Musikerinitiative „Arsch Huh“ eher nicht gelungen.
Die „Allianz gegen Antisemitismus“ – so nennt sich das parteiübergreifende Bündnis, das auch jeweils einen Redner schickte – hatte zur Kundgebung aufgerufen, zusammen mit der Synagogengemeinde sowie dem Bündnis gegen Antisemitismus. Weitere Kölner und Bergisch Gladbacher Gruppierungen kamen hinzu, darunter die rührige Kölnischen Gesellschaft und kleinere linke, aktionsorientierte Gruppen wie „Klare Kante“. Gemeinsam mit City of Hope Cologne organisiert Letztgenannte seit sechs Monaten die kleinen Gegenproteste gegen die zahlreichen, der Hamas durchaus nicht fernstehenden „pro palästinensischen“ Gruppierungen. Auf diesen wird auf Kölner Straßen seit Monaten Israel ist teils vulgärer Weise dämonisiert. Aktivisten der inzwischen verbotenen Gruppierung Samidoun bilden hierbei bis heute einen organisatorisch und ideologisch zentralen Kern.
Es müsse einen „wirklichen Aufschrei“ gegen das Hamas-Pogrom geben, hatte Jürgen Wilhelm von der Kölnischen Gesellschaft, der auch zu den Rednern der Kundgebung gehörte, bereits im Vorfeld mitgeteilt. Diesen Aufschrei habe er bisher vermisst.
„Bring them home NOW“
Bei Sommerwetter versammelten sich 450 Menschen am Heumarkt. Parallel dazu fanden in Israel und in weiteren Städten weitere vergleichbare Erinnerungsveranstaltungen an die Geiseln statt. Optisch dominierten zahllose Israelfahnen sowie Photos aller weiterhin in der Hand der Hamas befindlichen, überwiegend israelischen Geiseln. Diese Photos waren an Schnüren befestigt und wurden von zahlreichen Kölner Passanten wahrgenommen.
Im Mittelpunkt stand das auf der Rednerbühne – am Reiterdenkmal – angebrachte großformatige Banner „Bring them home NOW“ sowie das riesige Banner „Gegen jeden Antisemitismus“.
Zu gezielten Störungen durch propalästinensische Gruppierungen, was im Vorfeld befürchtet wurde, kam es übrigens nicht! Die Polizei hatte nichts zu tun.
Moderiert wurde die Solidaritätsveranstaltung souverän durch Ännecke Winckel. In ihrem einleitenden Redebeitrag beklagte sie die „bestürzende Empathielosigkeit gegenüber den Opfern“ seit dem 7.10: „Um dem Hass auf die Juden, um dem grassierenden Antisemitismus etwas entgegenzusetzen, sind wir heute hier“, betonte sie.
Der Grundtenor der Reden auch aller Parteipolitiker war eindeutig: Es gehe bei diesem wichtigen Grundanliegen vor allem um eines: Die Geiseln müssen unverzüglich von der Hamas freigelassen werden. Das sei die Voraussetzung für eine friedliche Konfliktlösung. Und der Schmerz, der die Ermordung so zahlreicher Israelis sowie weiterer in Israel lebender Menschen kollektiv hinterlassen habe, der müsse auch in Deutschland wahrgenommen und innerlich akzeptiert werden. „Wir unterstreichen erneut, dass wir uneingeschränkt an der Seite der Jüdinnen und Juden in Köln, Deutschland und weltweit stehen, betonten die in der Allianz vereinigten Kölner Parteien und Gruppierungen. Deutschland müsse weiterhin ein sicherer Ort für Jüdinnen und Juden sein, das hoben alle Redner in ihren Redebeiträgen hervor.
Jürgen Wilhelm betonte in seiner kämpferischen Rede – die hier schwerpunktmäßig vorgestellt sei – , dass Geiselnahme eines der „grausamsten und widerlichsten Verbrechen“ sei. Sie alle Empfänden seit dem Hamas-Pogrom vor allem „Wut und Trauer“. Das Geschehene zeige unsere Machtlosigkeit angesichts eines so umfassenden, sorgfältig vorbereiteten Massakers. Darum sei eine nicht nachlassende Solidarität, eine wirkliche Anteilnahme für uns alle eine innere Verpflichtung. Das müsse man immer wieder betonen. Der Hamas hingegen seien die palästinensischen Opfer egal, diese würden „von ihren eigenen Brüdern und Schwestern in Geiselhaft genommen“. Nein, die Hamas kämpfe eindeutig „nicht für die Bevölkerung in Gaza, sondern sie kämpft nur für sich selbst. Sie hat kein tragfähiges politisches Ziel zum Wohl der Palästinenser! Sie will Israel vernichten, alle Israelis töten.“ Die Opfer unter den Palästinensern seien ihr dabei egal.
Auch dieser Einschätzung stimmten alle nachfolgenden RednerInnen, auch alle Parteivertreter – die Liste der Reden war vielleicht etwas zu lang – zu. Es sprachen als Parteivertreter Frank Jablonski (Grüner Landtagsabgeordneter), Karl Alexander Mandl (CDU), Andre Schirmer (SPD), Lorenz Deutsch (FDP) und Thomas Santillan (Die Linke).
Musikalisch im Mittelpunkt stand die junge israelische Sängerin Lio Peretz,
https://twitter.com/hashtag/k0704?src=hashtag_click die in den vergangenen Monaten häufig auch in der Bundesrepublik auf Solidaritätsveranstaltungen für die israelischen Geiseln aufgetreten ist.
Sowohl Frank Jablonski (Grüne) als auch Lorenz Deutsch (FDP) betonten, dass sie durchaus Kritik an der israelischen Regierung wie auch an bestimmten Aspekten der Siedlungspolitik hätten. Aber der Mangel an Empathie in Deutschland für die israelischen Opfer, darunter viele Vertreter von israelischen Friedensgruppen, sei auffallend und besorgniserregend. „Lasst die Geiseln frei“ rief Lorenz Deutsch, wie auch weitere Redner.
Monika Möller vom Städtepartnerschaftsverein Köln – Tel Aviv beklagte gleichfalls, dass eine eindeutige Kritik an der auf Vernichtung ausgerichteten Politik der Hamas in Deutschland weitgehend ausgeblieben sei. Ein Frieden mit der Hamas sei grundsätzlich nicht möglich. Der Beifall des Publikums war bei diesen Passagen besonders stark. Der Westen wende sich zunehmend von der einzigen Demokratie im Nahen Osten ab, beklagte Möller.
Petra Hemming, die rührige Vertreterin des Bergisch Gladbacher Ganey-Tikva Vereins, ist mit Israel auch familiär eng verbunden. Über 50 mal war sie, die auch fliessend hebräisch spricht, in den vergangenen 45 Jahren in Israel. Auch vor wenigen Wochen noch einmal.
Sie verlas auf der Solidaritätsveranstaltung die Namen aller weiterhin von der Hamas als Geiseln gehaltenen Menschen. Und sie stellte ihr neues, aus ihrer jüngsten Israelreise erwachsenes konkretes Engagement vor: Ihr zweiter, neuer Verein möchte dabei helfen, dass die ehemaligen Bewohner des Kibbuzim Nir Oz – in dem die Hamasterroristen besonders barbarisch wüteten
– einen neuen großen Garten gestiftet bekommen.
Johannes Platz, gleichfalls seit vielen Jahren engagierter Vorsitzender der Kölner DIG, hob hervor, dass es alleine in NRW in den vergangenen sechs Monaten 140 israelfeindliche Kundgebung gegeben habe – davon auch zahlreiche in Köln. Die Anzahl der Gegendemonstranten hält sich hierbei in Grenzen.
Am Anfang und am Ende der Veranstaltung wurde die Hatikva angestimmt, musikalisch untermalt von Igor Epstein an der Geige und intoniert von der stimmgewaltigen israelischen Sängerin Lior Peretz sowie einem eigenen Chor aus dem Umfeld der Synagogengemeinde.
Es ist ein ermutigendes Zeichen, dass sich dieses parteiübergreifende Bündnis in Köln zusammen gefunden hat, gerade in diesen schwierigen Zeiten.