Das Protestcamp syrischer Geflüchteter kann weiter an den Katharinentreppen bleiben. Eigentlich war der Protest erst einmal nur bis zum kommenden Montag geduldet worden, diese Befristung ist nun aufgehoben. Es gebe keinen Grund, den Protest an den Katharinentreppen zu beenden, hieß es von Seiten der Polizei Dortmund. Der Rat der Stadt hat am Donnerstag außerdem eine Resolution verabschiedet, in der er die Forderungen der Geflüchteten auf eine schnellere Anerkennung und einen schnelleren Familiennachzug unterstützt.
Update Donnerstag, 25. Juni
Damit hat sich die Stadtpolitik – wenn auch nur symbolisch – zum ersten Mal geschlossen mit dem Protest der seit zwei Wochen in Dortmund protestierenden Flüchtenden und ihren Forderungen befasst. Mit den Stimmen von SPD, CDU und Grünen sowie der gemeinsamen Fraktionen aus FDP/Bürgerliste und Linken/Piraten hat der Rat der Stadt die Resolution am Donnerstag verabschiedet.
Am Mittwoch waren einige Geflüchtete auf Einladung der Piratenfraktion NRW zu Besuch im Düsseldorfer Landtag gewesen und hatten unter anderem mit Ministerpräsident Hannelore Kraft gesprochen. Diese hatte in der gestrigen Landtagssitzung die Dauer der Asylverfahren als zentrale Frage bezeichnet und dabei mehr Personal für die Kommunen und mehr Beteiligung vom Bund gefordert. Wirklich Neues hatte aber auch sie der Delegation aus Dortmund nicht mitzuteilen.
Update Montag, 22. Juni
Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger hat heute Vormittag das Camp der syrischen Geflüchteten in der Dortmunder Innenstadt besucht. Der Innenminister sprach mit den Menschen, die seit fast zwei Wochen – zuerst vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, seit einer Woche an den Katharinentreppen – gegen die lange Bearbeitungszeit ihrer Asylanträge protestieren. Sie fordern außerdem die Möglichkeit, in Deutschland zu arbeiten und Deutsch lernen zu können.
Jäger wollte sich einen eigenen Eindruck vor Ort machen und diesen mit in die Innenministerkonferenz tragen, die am Mittwoch in Mainz beginnt. Dort beraten drei Tage lang die Innenminister des Bundes und der Länder unter anderem über die Themen Asyl und Flüchtlinge. Jäger wolle gemeinsam mit seinen Kollegen Möglichkeiten erörtern, wie Asylanträge für die Menschen aus Syrien schneller bearbeitet werden können. „Wichtig ist es, dass die Menschen mit einer guten Bleibeperspektive möglichst schnell einen Aufenthaltsstatus bekommen“, teilte die Pressestelle des Innenministeriums am Montag mit. Konkrete Zusagen aber machte er den Protestierenden nicht, wie schon die Kommunikationsabteilung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder auch die Flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen, Monika Düker, die das Camp vor zehn Tagen besucht hatte. Von beiden hatte es geheißen, dass man alles versuche, um die Anträge schneller bearbeiten zu können, aber für viele der von den Geflüchteten geäußerten Forderungen nicht zuständig sei.
Willkommen in Dortmund: Dortmund ist nicht ratlos: Das Syrer-Protestcamp ist willkommen!
Dienstag, 16. Juni:
Eine Woche lang haben Geflüchtete in einem Industriegebiet im Westen der Stadt protestiert, heute haben sie ihr Camp in der Innenstadt aufgeschlagen. Bis mindestens zum 29. Juni wollen sie ihre Forderungen nun an den Katharinentreppen in die Öffentlichkeit tragen, vor allem die schnellere Bearbeitung ihrer Asylanträge, einen schnelleren Familiennachzug und die Aufhebung des Dubliner Übereinkommens. In der Nähe hatten am Abend Dortmunder Nazis gegen das Protestcamp gehetzt.
Schweigend und mit Rosen zogen mehr als 300 Menschen vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in der Huckarder Straße bis in die Innenstadt.
Nazis haben die Selbstorganisierung der Geflüchteten seit Beginn des Protests immer wieder zum Anlass für Attacken gekommen – so auch heute. Ein paar hundert Meter weiter hetzten knapp 40 Personen gegen das Protestcamp. Sie packten zwar schon nach einer Stunde wieder ein, lieferten sich bei der Abreise aber mal wieder Scharmützel mit der zahlenmäßig unterlegenen Polizei und kamen dem frisch neu aufgebauten Camp dabei zwischenzeitlich nahe.
Update Dienstag, 16. Juni, 14.40 Uhr
Um 17 Uhr soll es eine Demonstration vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bis zu den Katharinentreppen geben. Dort dürfen die Protestierenden ihr Camp zunächst bis zum 29. Juni aufschlagen.
Für den Abend hat auch der Dortmunder Kreisverband von „Die Rechte“ eine Kundgebung angekündigt – ebenfalls in der Innenstadt. Der genaue Ort wird noch nicht bekannt gegeben, die Neonazis wollen sich aber um 19 Uhr an der Reinoldikirche versammeln. Bereits am Montagabend hatten etwa 40 Nazis in der Innenstadt gegen die syrischen Geflüchteten gehetzt.
Update Montag, 15. Juni
Als neuer Platz für das Camp wurden die Katharinentreppen ausgewählt. Um 17 Uhr startet eine Demonstration am Bundesamt in der Huckarder Straße, die an den Katharinentreppen enden wird. Dort darf das Protestlager bis vorerst zum 29. Juni bestehen.
Update Samstag, 13. Juni
Die Geflüchteten betonten am Freitagabend, dass sie ihren Protest mit friedlichen Mitteln durchführen wollen. Der Mann, der seit Montagabend keine Nahrung mehr zu sich genommen hatte, hat seinen Hungerstreik beendet. Auch der Rest der Gruppe kündigte an, vorerst nicht, wie zu Beginn der Woche angekündigt, in einen Hungerstreik zu treten.
Zuvor hatte es ein Gespräch mit der Grünen-Sprecherin für Flüchtlingspolitik im Landtag gegeben, die das Protestcamp am Freitagnachmittag besucht hatte.
Am Freitagnachmittag kam es während des Besuchs der Parteiendelegation zu einem Zwischenfall. Ein Mann begoss sich mit Benzin, wohl in dem Plan, sich anzuzünden. Andere Protestierende konnten ihn abhalten, bevor es dazu kam. Am Abend teilten sie dann mit, mit dem angekündigten Hungerstreik erst einmal nicht zu beginnen.
Grünen-Landtagspolitikerin Monika Düker, die das Camp am Nachmittag besucht hatte, hatte vor dem Gespräch mit den Geflüchteten Verständnis für deren Situation und deren Angst um ihre Angehörigen gezeigt. Sie machte jedoch auch klar, dass nicht alle Forderungen erfüllt werden könnten, unter anderem, weil nicht für alle genannten Forderungen das Bundesamt zuständig sei, sondern auch kommunale Ausländerbehörden. Fälle, die unter das Dubliner Übereinkommen fallen, seien auf europäischer Ebene zu klären. Wichtig sei, dass der Protest möglichst schnell ende.
Kommentar: Hinhalten, aussitzen.
Update 13:50 Uhr:
Am Mittag ist ein weiteres Gespräch zwischen Protestierenden und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu Ende gegangen. Wieder gab es keine konkreten Zusagen, die Asylanträge der Betroffenen und aller syrischen Geflüchteten wie gefordert schneller zu bearbeiten. Daran hält die Gruppe aber fest: „Wir wollen unser Recht, nämlich die Bearbeitung der Anträge innerhalb von drei Monaten“, erklärt Shady, der ebenfalls seit Dienstag Früh in dem Industriegebiet im Dortmunder Westen protestiert. „Über diese Frist haben nicht wir entschieden, sondern die Bundesregierung.“
Mehmet Ata, Sprecher des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg, zeigte am Morgen Verständnis für die Sorgen und Forderungen der Protestierenden. Wegen der hohen Zahl an Asylanträgen hätten in einigen Fällen Anträge von Menschen aus Syrien nicht so schnell bearbeitet werden können, „wie wir uns das gewünscht hätten.“ Für syrische Geflüchtete und religiöse Minderheiten aus dem Irak gelte jedoch seit November ein beschleunigtes Verfahren. Das heißt konkret, dass die Anhörung, in der geflüchtete Menschen ihren Antrag auf politisches Asyl begründen müssen, entfällt und stattdessen lediglich ein Fragebogen ausgefüllt werden muss. Auch mit mehr Personal wolle man die Bearbeitungszeit verkürzen, für 2015 seien gerade 1000 neue Stellen bewilligt worden, weitere 1000 sollen 2016 folgen.
Nach einem Gespräch zwischen Geflüchteten und der Polizei darf das Protestcamp vorerst und unter Auflagen bestehen bleiben. So sollen sanitäre Einrichtungen aufgestellt und sich darum gekümmert werden, dass der Platz vor der BAMF-Außenstelle nicht vermüllt.
Update Dienstag, 22:20 Uhr:
„Unsere Familien sind noch im Kriegsgebiet“, steht auf einem Transparent. „Wir wollen hier arbeiten und lernen“, auf einem anderen. Hinter den Transparenten stehen und hocken Menschen, die aus Syrien und dem Irak geflohen sind und in Deutschland Asyl suchen. Seit Monaten warten sie auf einen Aufenthaltstitel, seit Monaten werden ihre Asylanträge nicht bearbeitet. Darum protestieren sie seit Dienstagmorgen vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Dortmund. Die Gruppe hat einen Hungerstreik angekündigt, sollten ihre Forderungen nicht erfüllt werden. Einer der Teilnehmer hatte bereits am Montag aufgehört, Nahrung zu sich zu nehmen.
Fast 100 Menschen zogen um 9 Uhr morgens vor das die Dortmunder Außenstelle des in Nürnberg angesiedelten Bundesamtes BAMF in der Huckarder Straße und übten dort heftige Kritik an der Behörde und der Bundesregierung: „Wir sind vor der Hölle, Tötung, Zerstörung und dem Krieg in Syrien geflüchtet“, ist in einer Erklärung zu lesen, die sie mitgebracht und den Mitarbeitern des BAMF übergeben hatten. Zwar sei ihnen bei ihrer Ankunft in Deutschland zugesagt worden, dass ihre Asylanträge binnen drei Monate bearbeitet würden, faktisch warteten aber sie schon seit Monaten, manche seit mehr als einem Jahr auf die Bewilligung. „Viele von uns haben noch nicht einmal einen Termin zur Anhörung.“ Diese ist notwendig, um einen Aufenthaltstitel in Deutschland zu erhalten.
Und das hat Konsequenzen: Viele haben ihre Familien, ihre Kinder, Geschwister, Eltern oder Ehepartner zurückgelassen, die weiterhin täglich dem Krieg ausgesetzt sind. Doch ohne Aufenthaltstitel haben sie keine Chance, ihre Familien in Deutschland in Sicherheit zu bringen.
Sie fordern, dass ihre Anträge schneller bearbeitet werden und bessere Möglichkeiten zum Familiennachzug. Außerdem fordern sie das Recht zu arbeiten und Deutsch zu lernen. Denn auch das bleibt ihnen ohne Aufenthaltstitel verwehrt. Bis dahin wollen sie Druck machen: Die Gruppe hat angekündigt, in einen Hungerstreik zu treten, wenn ihre Forderungen nicht erfüllt werden. „Wir werden hier bleiben“, erklärte einer der Protestierenden. Am Nachmittag gab es ein Gespräch mit Vertretern des Bundesamtes, doch dieses brachte vorerst kein Ergebnis. Man könne nichts tun, sei den Syrern gesagt worden.
Bis in die Abendstunden war die Situation entspannt: Die Gruppe der Geflüchteten war auf etwa 50 geschrumpft, doch Unterstützergruppen waren eingetroffen, hatten Decken, Essen und Getränke vorbeigebracht. Allerdings war die Protestaktion auch Dortmunder Neonazis nicht vorbeigegangen: Kurz nach 20 Uhr zogen etwa 20 Personen Parolen rufend in Richtung des Protestcamps. Nachdem sie von der Polizei Platzverweise erhalten hatten, kam es dort zu einem Gerangel, das für fünf Nazis „zur Durchsetzung der Platzverweise und wegen Gefangenenbefreiung“ in Gewahrsam endete. Unter ihnen war auch Michael Brück, der für „Die Rechte“ im Dortmunder Stadtrat sitzt.
„Wir gehen gegen rechte Hetze entschlossen vor“, betonte Polizeisprecherin Amanda Kolbe am Abend, „und wir lassen nicht zu, dass Menschen, die hier Asyl suchen, mit Nazimethoden gezielt eingeschüchtert werden.“ Zumindest bis Mittwochfrüh darf die Gruppe ihren Protest fortsetzen.
Die armen Leute. Hoffentlich geht alles gut.
„Wir gehen gegen rechte Hetze entschlossen vor“
Zumindest *ein* Beispiel, dass in der Exekutive manchmal verstanden wird, dass juristische "Gleichheit" auch ihre verfassungsmäßigen Grenzen hat.
[…] “Seit dem Morgen (des 9. Juni 2015) protestieren syrische Geflüchtete vor dem Dortmunder Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Nachdem sie am Morgen eine Erklärung mit einer Reihe an Forderungen übergeben haben und es am Nachmittag ein Gespräch mit Vertretern des Bundesamtes gab, richtet sich die Gruppe derzeit darauf ein, vor dem BAMF ein Camp zu errichten. Am Abend zogen Neonazis in Richtung der Gruppe, wurden aber von der Polizei gestoppt…” Beitrag von Alex Gehrhardt bei den Ruhrbaronen vom 9. Juni 2015 […]
Ganz bescheuerte Situation und sicherlich furchtbar, was die Menschen in Syrien erleben mussten.
Aber ein Bundesamt dazu zu bewegen, in einem Teil der Fälle die Bürokratie-Mühle schneller mahlen zu lassen, halte ich für aussichtslos.
Hier wird eine der vielen Baustellen unseres Staates angesprochen. Es ist auch wenig nachvollziehbar, dass die Behörden wechselnde Auftragslagen so schlecht managen können.
Bei der Demonstration dieser Art verstehe ich 2 Punkte nicht.
1) Die Politik wird fast nie aufgefordert sich stärker in den Problemgebieten zu engagieren und damit aus der Haftung genommen. Viele Angehörige der Mörderbanden kommen auch aus der EU. Mir fehlen auch öffentliche Initiativen, aus der Fremde, das Land wieder zu befreien/befrieden. Kleine brutale Gruppen wie der IS schaffen es, Millionenstädte und ganze Landstriche zu erobern. Es wird auch wenig über groß angelegten Widerstand wie man ihn auch aus dem 2. Weltkrieg kennt berichtet.
2) Es gibt immer wieder Forderungen, die wenig nachvollziehbar sind und wo erwartet werden kann, dass Menschen, die selbständig solche Entfernungen/Gefahren überwinden, diese Probleme selber lösen können.
z.B:
– Wasserflaschen in der Brüggemann-Halle
– Deutschkurse
Es gibt genügend Internet-Kurse. Man kann durch die Stadt gehen und die Sprache erleben.
Wo bleiben die Demos, die die Politik auffordern, sich endlich für die Kriegsregionen zu engagieren. Es kann doch nicht akzeptiert werden, dass ganze Regionen ihre Bevölkerung verlieren.
[…] Das eine Veranstaltung unter dem Motto „Was stoppt rechte Hetze“ den Extremismustheoretiker Prof. Dierk Borstel einlädt und sein Publikum mit Panikmache vor „Linksautonomen“ auslädt lässt tief blicken. Mit den Verhältnissen in Dortmund scheint sich die Redaktion nicht auseinandergesetzt zu haben. Sind es nicht eben jene „Linksautonomen“ die an jedem verdammten Montag gegen Nazis auf die Straße gehen? Waren es nicht hunderte „Linksautonome“ die das Camp von syrischen Flüchtlingen bei seinem Umzug begleitet haben? (Unser Bericht über das Camp) […]
"Sie fordern außerdem die Möglichkeit, in Deutschland zu arbeiten und Deutsch lernen zu können."
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Dürfen Asylanten eigentlich ohne Arbeitserlaubnis wenigstens ehrenamtlich tätig werden oder wie ist da die rechtliche Lage?
@Urlauber
Asylbewerber dürfen ehrenamtlich tätig werden. In Schwäbisch Gmünd gab es eine Aktion bei der Asylbewerber während des Umbaus der Bahnsteige als Kofferträger eingesetzt wurden.
Die Aufwandsentschädigung dafür wären 1,5 Euro pro Stunde plus Trinkgeld gewesen.
Die Aktion wurde eingestellt, nachdem von Seiten der Unterstützer von Refugees auf den offensichtlichen Rassismus hingewiesen wurde. Die Asylbewerber sind mehrheitlich Afrikaner gewesen, und sie haben zum Schutz vor der Sommersonne Strohhüte erhalten.
Strohhüte und Afrikaner, das geht gar nicht.
Leider haben es die meisten Refugees nicht verstanden, warum die Aktion beendet wurde.
@8:
Die "Kofferträger"-Aktion war damals lange in der Presse.
Insbesondere gab es auch viele Interviews von Asylbewerbern, die damals gerne insbesondere Müttern und alten Menschen geholfen hatten.
Ihnen ging es auch um den Kontakt mit der Bevölkerung, da sie aus der Isolation herausgekommen sind. Es war eine pragmatische Lösung für ein Problem, das bei der Bevölkerung und bei den interviewten Asylbewerbern auch gut ankam.
Nur kam dann der "Rassismusvorwurf".
[…] gute Lösung für die syrischen Flüchtlinge im Protestcamp und ihrer, von Gewalt und Tod bedrohten Familienmitglieder, ist nach Meinung der Unterzeichner der […]
Laut Twitter will das Protestcamp jetzt nach Berlin?
[…] Rückblick: Syrische Geflüchtete protestieren in Dortmund […]