„Wir wollen Impulse der Bürger aus dem ganzen Ruhrgebiet auffangen“

Tanja Bendele Foto: Privat

Am 13. September wählen die Bürger des Reviers zum ersten Mal direkt die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr, das sogenannte „Ruhrparlament“. Mit der Ideengemeinschaft Ruhr tritt eine Liste an, die sich ausschließlich mit dem Ruhrgebiet beschäftigt und nicht in den Städten kandidiert.

Was ist die Ideengemeinschaft Ruhr und warum tritt sie zur Wahl des Ruhrparlaments an?

Tanja Bendele: „Die Ideengemeinschaft Ruhr ist eine parteiunabhängige Wählergemeinschaft, die sich für die Belange des Ruhrgebietes im Sinne eines bürgerschaftlichen Engagements einsetzt. Unsere Motivation ist es, das Sprachrohr der Bürger in die Parteien der demokratischen Mitte zu sein. Wählen können Sie uns unter Ideengemeinschaft Ruhr auf dem Listenplatz Nr. 17 für die Wahl des Ruhrparlaments am 13. September 2020.

Wir wollen Impulse der Bürger aus dem ganzen Ruhrgebiet auffangen und diese in das Ruhrparlament einbringen.

Wir leben berufsbedingt in einer viel weiter international harmonisierten Berufswelt und können es teilweise nicht begreifen wieso es in einer wirtschaftlich eng verwobenen Region – Metropole Ruhr – an für uns nicht nachvollziehbaren Kriterien eine Harmonisierung nicht erzielt werden kann.

Sie wollen, dass der RVR mehr Kompetenzen erhält? Warum?
Bendele: „Die gesamte Metropole Ruhr kann schlagkräftiger sein und wird von außen ganz anders wahrgenommen, als jede einzelne Stadt oder der jeweilige Kreis. In einer globalisierten Welt ist dies enorm wichtig. Zudem könnten die Städte und Kreise davor bewahrt werden, von ausländischen Investoren gegeneinander ausgespielt zu werden.

Wichtig dafür ist, dass der Regionalverband Ruhr mehr Aufgaben und auch die Kompetenz zur Umsetzung erhält. Ohne die Kompetenz zur Umsetzung macht es keinen Sinn mehr Aufgaben für die Städte und Kommunen wahrzunehmen.

Nehmen wir das Beispiel „Digitalisierung“. Alle reden von der Digitalisierung, aber fast keiner hat sie wirklich umgesetzt. Dies konnten wir als Betroffene an zwei Erlebnissen festmachen.
Bei der Aufstellung zur Wahl im direkten Kontakt mit den Wahlämtern konnten wir leicht erkennen, wie unterschiedlich digital die Städte oder Kreise aufgestellt sind. Recklinghausen war digital ganz vorne dabei. Zwei nicht namentlich genannte Städte wollten die Unterlagen analog erhalten und per Post übersenden oder analog übergeben.

Auch die letzten 5 Monate in denen unsere Kinder nahezu keinen Schulunterricht vor den Sommerferien hatten, verliefen sehr unterschiedlich. Eine Freundin aus Recklinghausen berichtete mir, dass die Schule Microsoft Teams seit Dezember 2019 hat und dies direkt mit dem Lock-Down für den Unterricht benutzt hat.

Demgegenüber hatten unsere Kinder keinen Teams-Unterricht vor den Sommerferien, teilweise sollten sie die Hausaufgaben bei den Lehrern in den Briefkasten werfen. Nur wenige Lehrer haben die Kinder per E-Mail kontaktiert. Der Unterricht hat nur extrem selten digital stattgefunden.

Wir sind aufgrund dieser niederschmetternden Erfahrung daher der Auffassung, dass Schule als Wirtschaftsförderung verstanden werden muss, und die Städte, insbesondere die Schulämter, oder wer auch immer für den Abruf der 5 Milliarden Fördermittel für digitale Schule und die digitale Umsetzung an den Schulen verantwortlich ist, nur beim Regionalverband Ruhr als zentrale Stelle zur Stellung von Förderanträgen besser aufgehoben sein kann.

Beispielsweise wurden von den fünf Milliarden Euro für den Digitalpackt erst 15,6 Millionen Euro abgerufen.

Aus diesen Gründen sind wir der Auffassung, dass der Regionalverband Ruhr besser geeignet ist, zentral für das gesamte Ruhrgebiet Förderanträge in ausgewählten Bereichen, wie dem Digitalpakt zu stellen, abzurufen und in Zusammenarbeit mit den zuständigen Personen der Städte umzusetzen.

Dieses Thema könnte unter dem Oberbegriff „smarte Metropole Ruhr“ in einem Masterplan erfolgen, statt „smarte Kirchtürme“ zu schaffen.

Wir setzen uns daher für einen digitalen Masterplan „smarte Metropole Ruhr“ mit Visionen und katalysierter Umsetzungskompetenz ein.

Der RVR und sein Parlament haben bei der Aufstellung des Regionalplans versagt. Wäre es nicht besser, die Städte zu stärken?

Bendele: Wir haben uns nicht mit der gesamten Umsetzung des Regionalplans beschäftigt. Es scheint aber im Wesentlichen um Kiesgruben und den Fahrradweg Diskussionen zu geben.

Wir wollen mit unserem Wahlprogramm andere dringende Fragestellungen in den Fokus bringen, die nach unserem Verständnis für die Zukunftsfähigkeit dringender sind.
Wir möchten, dass die Metropole Ruhr für den Zuzug von jungen Familien attraktiv wird und auch für junge, gut ausgebildete Menschen interessant bleibt hier eine Familie zu gründen.

Die Beispiele zur vorherigen Frage haben wir so beantwortet, dass wir denken, dass die Stärkung des Regionalverbandes Ruhr auch die Attraktivität der Städte zunehmen kann. Zudem würden die Städte bspw. um die Stellung von Förderanträgen im Digitalbereich entlastet.

Was sind Ihrer Ansicht nach die Probleme des Ruhrgebiets?

Bendele: „Wir möchten das Kohle-Revier „als gute, wichtige und abgeschlossene Vergangenheit“ im Herzen behalten.

Jetzt muss die Region aber Vorreiter für wichtige neue innovative, technologische Umbrüche werden. Das Revier muss endlich mal aus diesem Dauernickerchen erwachen. Allerdings muss man dann aber auch kollektives Selbstbewusstsein zulassen, wenn gute Resultate erzielt wurden.

Nach unserem Verständnis ist das Verharren an „altbewährten Verhaltensweisen“ teilweise das Problem sowie ein deutlich abweichendes Verständnis von Umsetzungszeiten.

Wie kann es sein, dass die Schule im Jahr 2020 auf dem Stand von 1985 ist? Ich habe bspw. in den 1980er Jahren an meiner Schule im Sauerland IT-Unterricht gehabt. Es sind in der Zwischenzeit 35 lange Jahre vergangen. Das sind 35 bis 20 Jahre zu viel.

Nach unserem Verständnis soll das Ruhrgebiet durch die neue, innovative und grüne Metropole Ruhr abgelöst werden. Da sind dann vielleicht auch mal Personalwechsel an verschiedenen Stellen notwendig.

Die jüngere Generation wünscht sich visionäre Leitbilder.

Wir setzen uns dafür ein, die Metropole Ruhr als Wasserstoff-Modell-Region auszubauen, in der bspw. mit Wasserstoff angetriebene Fahrzeuge in einer Art „Real-Labor-Metropole Ruhr“ getestet werden können.

Was muss passieren, damit es hier besser wird?

Wir sehen es als zwingend an, kurzfristig einen visionären Masterplan „Metropole Ruhr“ aufzustellen, in dem die Entwicklung der jeweiligen Städte und Kreise eingebettet ist.
Ein solches gemeinsames Projekt vermeidet Insellösungen und verstärkt die Zusammenarbeit über Stadtgrenzen hinaus.

Dazu müssen bestimmt auch mal andere Gesichter mit kreativeren Ansätzen ans Ruder gelassen werden.

Wir wünschen uns zudem eine Wandlung der Innenstädte der Cities in grüne, belebte Wohngebiete mit Freizeit- und Gastronomieangeboten – analog Frankfurter City.

Auch kann Schule nur schneller besser werden, wenn Wettbewerb zugelassen wird.
Da wir der Auffassung sind, dass die Schule von heute unmittelbar unsere Zukunftsfähigkeit beeinflusst, fordern wir, Schule als Wirtschaftsförderung zu begreifen. Im Sinne aller Kinder muss es dazu auch Umsetzungsfristen geben.

Daher können wir uns gut vorstellen, dass der Regionalverband Ruhr im Anschluss an das oben genannte Digital-Projekt Schule, einen Wettbewerb für die Schulen in der Metropole Ruhr ausschreibt, in dem die Zufriedenheit aller Schüler, aller Eltern und Lehrer mit der Umstellung auf digitalen Unterricht abgefragt und Anregungen für Verbesserungen gegeben werden können.

Bei der Wahl zum RVR Parlament gibt es einen 2,5 Prozent Hürde. Wie sehen Sie die Chancen der Ideengemeinschaft, die zu überwinden?

Bendele: „Die Hürde halten wir für sinnvoll, um eine Zersplitterung des Ruhrparlaments zu unterbinden. Ob wir die Hürde überwinden, hängt maßgelblich davon ab, welche und wieviel Öffentlichkeit wir erreichen und überzeugen können.
Wir haben uns aus Umweltschutz- und Kostengründen aktiv gegen Wahlplakate entschieden.
Wir wünschen uns unbedingt einen Einzug ins Ruhrparlament, um die Zukunft schneller Gegenwart werden zu lassen. Ist es realistisch? Man muss auch mal von der Taube auf dem Dach träumen, ohne den Traum wird es nicht wahr.

Das Interview erfolgte via E-Mail

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