Wird das Geschlecht immer genetisch festgelegt?

Halsamphore um 510–500 v. Chr. Der rechte Boxer geht zu Boden und gibt mit ausgestreckter Hand und Finger das Zeichen zum Aufgeben. Sein Gegner dringt trotzdem weiter auf ihn ein und wird deshalb vom Kampfrichter mit einer langen Gerte geschlagen. Foto: Gruppe von Kopenhagen 114 – MatthiasKabel Lizenz: CC BY 2.5


Mein etwas emotionaler Artikel zum Boxkampf XX vs. XY wurde auf social media viel kritisiert.

Dabei fiel mir auf, wie wenig die Leute über Intersexualität wissen. Das ist nicht überraschend, da es ein sehr seltenes Phänomen ist. Das biologische Geschlecht und seine medizinisch-pharmazeutische Bedeutung ist eines meiner Fachgebiete, deshalb folgt hier der Versuch eine populärwissenschaftliche Übersicht zu dem äußerst komplexen Thema Intersexualität zu geben.
Zunächst muss man das biologische Geschlecht noch einmal klar definieren: Männer besitzen XY-Chromosomen, also ein X- und ein Y-Chromosom. Sie bilden erhebliche Mengen des männlichen Sexualhormons Testosteron. Dadurch entwickeln sich ihre männlichen Genitalien und die sekundären Geschlechtsmerkmale wie Körperbau, Bartwuchs, tiefe Stimme usw. Sie produzieren Spermien, also die männlichen Geschlechtszellen. Frauen ihrerseits besitzen XX-Chromosomen, also zwei X-Chromosomen und bilden vor allem das weibliche Sexualhormon Östrogen. Dadurch entwickeln sich ihre weiblichen Genitalien und die weiblichen sekundären Geschlechtsmerkmale. Am auffälligsten sind hier sicher die Brüste mit den Milchdrüsen. Frauen produzieren weibliche Geschlechtszellen in Form von Eizellen. Bei der übergroßen Mehrheit der Menschen ist das so. Alle Abweichungen davon sind Varianten der Geschlechtsentwicklung (Differences of sex development, DSD), eher bekannt als Intersexualität. Auch wenn es sich weitestgehend um normale Männer oder Frauen handelt, aber bestimmte Abweichungen in der Geschlechtsentwicklung auftreten, werden sie zu den DSD gerechnet.

Genetische Ursachen

Genetische Abweichungen führen nicht unbedingt zu uneindeutigen Genitalien. So sind Männer mit dem Klinefelter-Syndrom, also Männer mit einem überzähligem X-Chromosom (XXY) fast normale Männer und Frauen mit dem Turner-Syndrom (nur ein X-Chromosom, X0) fast normale Frauen, die am ehesten unter einer Unfruchtbarkeit leiden. Genetische Abweichungen bei den Geschlechtschromosomen, die tatsächlich uneindeutige oder gegengeschlechtliche Genitalien zur Folge haben können, sind Mosaike und Chimären. Eine Chimäre ist ein Organismus, der aus genetisch unterschiedlichen Zellen bzw. Geweben aufgebaut ist und dennoch ein einheitliches Individuum darstellt. Die unterschiedlichen Zellen eines solchen chimären Organismus stammen aus zwei verschiedenen befruchteten Eizellen („zwei-eiiger Einling“). Ein Mosaik ist ein Individuum mit genetisch verschiedenen Zellen, die von der derselben befruchteten Eizelle stammen. Die genetischen Unterschiede beruhen hier auf Mutationen in der Frühentwicklung. Betreffen diese Abweichungen die Geschlechtschromosomen, können sich phänotypisch vollständig männliche oder weibliche Menschen oder aber auch in sehr seltenen Fällen Menschen mit intersexuellen Genitalien entwickeln. Bei Chimären oder Mosaiken sind diese intersexuellen Genitalien asymmetrisch angelegt, mit weiblichen Sexualorganen auf der einen und männliche Sexualorganen auf der anderen Seite (Gemischte Gonadendysgenesie). Diese sind allerdings oft nur rudimentär vorhanden und mit Fehlfunktionen verbunden. Die Betroffenen sind unfruchtbar.

Neben den chromosomalen Abweichungen können auch komplexere Störungen in der Genkette zu uneindeutigen oder gegengeschlechtlichen Genitalien führen. Beim Swyer-Syndrom entwickelt sich trotz der vorhanden XY-Chromosomen kein Mann, sondern eine Frau, die eine normale Vagina und auch eine Gebärmutter, aber weder Eierstöcke noch Hoden besitzt. Beim De-la-Chapelle-Syndrom befinden sich die für die Geschlechtsentwicklung wichtigen Gene wie z.B. das SRI-Gen, die sich normaler Weise auf dem Y-Chromosom befinden, auf einem X-Chromosom (Translokation). Die betroffenen Personen sind XX-Männer, die bis auf Kleinwuchs, Unfruchtbarkeit und Brustwachstum fast normal entwickelt sind.

Auch beim Testikulären Regressionsyndrom (TRS) und beim Ovotestikulären DSD werden veränderte Abläufe in der genetischen Realisierung des Geschlechtes vermutet. Hier sind die genauen Mechanismen aber noch unklar. Während sich beim TRS, betroffen sind hier Männer, die Hoden komplett zurückbilden und dann weder Eierstöcke noch Hoden vorhanden sind, findet man beim Ovotestikulärem DSD beides: Eierstock- und Hodengewebe. Die äußere Erscheinung bei diesen beiden DSD ist variabel von eher männlich, über uneindeutige Zwischenformen bis hin zu eher weiblich. Beim TRS ist es so, dass je nach dem, wann in der Schwangerschaft die Rückbildung der Hoden stattfindet, sich eher weibliche (8.-10. Schwangerschaftswoche) oder eher uneindeutige bzw. männliche Geschlechtsmerkmale (12.-14- Schwangerschaftswoche) entwickeln. Da keine Keimdrüsen vorhanden sind, sind die Betroffenen komplett unfruchtbar. Beim Ovotestikulären DSD kann man tatsächlich beides, also männliches und weibliches Keimdrüsengewebe nachweisen. Genetisch kommen hier vor allem Frauen infrage, aber auch XY-Chromosomen, Mosaike und Chimären sind möglich. Die meisten Betroffenen sind auch hier unfruchtbar, wobei in Einzelfällen Frauen mit Ovotestikulärem DSD auch schon Kinder bekommen haben. Aber beides, also Eizellen und Spermien zu produzieren und sich so fortzupflanzen, wie es bei echten Zwittern z.B. bei den Schnecken möglich ist, ist bei Säugetieren ausgeschlossen. Es gibt eine Maulwurfsart (Talpa occidentalis) bei der die Weibchen ähnlich wie beim Ovotestikulären DSD normale weibliche Geschlechtsorgane besitzen, die auch funktionieren und zusätzlich Hodengewebe, das Testosteron produziert. Hier hat die Evolution also eine Variante des Ovotestokulären DSD zum Erfolg geführt. Echte Zwitter wie die Schnecken sind sie aber dennoch nicht. Denn sie können nur Kinder empfangen aber nicht zeugen. Beim Menschen ist die Ovotestokuläre DSD momentan allerdings kein Überlebensvorteil, sondern eher ein medizinisches Problem.

Hormonelle Ursachen

Um die Formen der Intersexualität, die hormonell verursacht sind, zu verstehen, muss man wissen, dass durch die genetische Vorgabe des X-Chromosoms alle Menschen weibliche Genitalien entwickeln, wenn die Wirkung des Testosterons ausbleibt. Dieses wird sehr frühzeitig noch im Mutterleib ausgeschüttet und geht auf das auf dem Y-Chromosom liegende SRY-Gen zurück, das bei Männern die Entwicklung der Hoden steuert. Die sich daraus ergebende Wirkung von Testosteron durch Ausschüttung aus den Hoden führt zu einer dauerhaften Vermännlichung des Fortpflanzungstraktes. In der Frühschwangerschaft führt es zur Ausbildung der männlichen Genitalien, fehlt es, entstehen weibliche Genitalien. Die Hoden bleiben dann aber entsprechend dem Genotyp erhalten und auch eine Gebärmutter wird nicht ausgebildet.

Testosteron als männliches Sexualhormon (Androgen) entfaltet seine Wirkung über entsprechende Rezeptoren. Das sind Bindungsstellen an denen Testosteron andockt und dann im Normalfall einen Effekt verursacht, der zu einer typisch männlichen Entwicklung führt. Funktioniert dieser Rezeptor gar nicht, entwickeln sich XY-Frauen. Man spricht hier von kompletter Androgen-Resistenz oder einem kompletten Androgen-Rezeptor-Defekt (CAIS). Dadurch, dass dieser Rezeptor von Beginn an also noch im Mutterleib nicht funktioniert, entwickeln sich äußerlich weibliche Genitalien (verkürzte Vagina, fehlende Gebärmutter, Hoden im Bauchraum oder in der Leistengegend) sowie normale weibliche sekundäre Geschlechtsmerkmale. Ist dieser besagte Rezeptor nur teilweise eingeschränkt in seiner Funktion, entwickeln sich männliche, weibliche oder uneindeutige Genitalien, oft mit schweren Fehlbildungen. Hier spricht man von einem partiellen Androgen-Rezeptor-Defekt (PAIS).

Neben dieser über das komplette Leben bestehenden hormonellen Besonderheit einschließlich eines lebenslang bestehenden gegengeschlechtlichen oder uneindeutigen Phänotypes, gibt es DSD-Formen, bei denen im Laufe des Lebens eine Normalisierung zu dem Phänotyp stattfindet, der dem genetischen Geschlecht entspricht.

Bei Frauen ist dies das Androgenitale Syndrom (AGS), das bei den insgesamt sehr selten vorkommenden DSD die häufigste Form darstellt. 90% der Neugeborenen mit uneindeutigem Geschlecht haben AGS. Durch ein hormonelles Ungleichgewicht vor der Geburt, speziell ein Mangel an Cortisol und Aldosteron, kommt es zu einem Überschuss an Testosteron in der vorgeburtlichen Entwicklung. Dadurch findet eine Vermännlichung (Virilisierung) des eigentlich weiblichen Kindes statt. Zur Geburt erscheint dadurch das äußere Genital intersexuell. Die Klitoris ist zu einer Art Penis vergrößert, in einigen Fällen bis hin zu einer penisartigen Harnröhre. Die Schamlippen bilden einen Hodensack ohne Hoden. Die inneren Geschlechtsorgane sind regelrecht angelegt. Die medizinisch erforderliche Gabe von Cortison zur Substitution bewirkt dann bei diesen virilisierten Mädchen eine komplett normale, für Mädchen typische Entwicklung mit uneingeschränkter Fruchtbarkeit.

Beim 5-Alpha-Reduktase-Mangel (5-ARD) ist es ähnlich. Hier bedarf es jedoch keiner medizinischen Intervention, da in der Pubertät sowieso eine normale männliche Entwicklung einsetzt. Diese äußerst seltene Form der Intersexualität betrifft Männer und tritt lokal gehäuft v.a. in der Dominikanischen Republik auf. Es kommt hier durch die Fehlfunktion des Enzyms 5-Alpha-Reduktase, das Testosteron in eine effektiver wirksame Form, das Dihydrotestosteron umwandelt, zu einer Verweiblichung des ungeborenen Kindes (Feminisierung). Denn für die vorgeburtliche Entwicklung der männlichen Geschlechtsmerkmale, ist diese besser wirksame Form des Testosterons wesentlich. Kinder mit 5-Alpha-Reduktase-Mangel werden dann mit uneindeutigen und auf den ersten Blick eher weiblich aussehenden Geschlechtsmerkmalen geboren. Der Penis ist klitorisartig, die Harnröhrenmündung eher in der Nähe des Damms. Harnröhre und Scheide sind miteinander vereint. Eine Art Vaginaltasche im Bereich des Damms endet blind. Die Hoden liegen im Innern des Körpers. In der Pubertät erfolgt eine Entwicklung zu fast normalen männlichen Genitalien. Die Hoden treten nach außen und der Penis vergrößert sich. Diese nach der Pubertät fast normalen Männer produzieren dann auch entsprechende, für Männer typische Mengen an Testosteron. 80% der Betroffenen leben auch bei einer bis dahin weiblichen Sozialisation nach der Pubertät als Männer weiter.

Im Gegensatz zu Clownsfischen, die physiologischer Weise ihr Geschlecht ändern können, sind die beiden Formen der hormonell bedingten DSD, die sich im Laufe des Lebens normalisieren, eher als biologische Besonderheit und oft auch als medizinisches Problem aufzufassen. Die Fähigkeit eine bestimmte Art von Geschlechtszellen zu bilden, ändert sich nämlich nicht.

Es gibt noch viele andere mögliche Formen des DSD, aber es würde den Rahmen sprengen, diese hier alle noch zu besprechen. Dabei sind intersexuelle Menschen biologisch tatsächlich eine seltene Ausnahme. Die Häufigkeit wird mit weniger als 1% angegeben. Aktuelle Schätzungen gehen von 1 von 4500 Geburten in Deutschland aus, bei denen das Geschlecht des Neugeborenen uneindeutig ist. Wenn 90% davon ein AGS aufweisen, bleiben 0,002% (1 von 50000) mit möglicherweise bestehenbleibendem unklarem Genital. Viele intersexuelle Menschen ordnen sich im Verlauf ihrer Entwicklung durch körperliche Veränderungen, medizinisch notwendigen Therapien oder auch nach ihrem individuellen Empfinden selbst einem Geschlecht zu. Sie leben demzufolge phänotypisch und auch psychisch als Mann oder Frau. Durch den in Deutschland möglichen Geschlechtseintrag divers, ist das aber nicht zwingend notwendig und Menschen, die phänotypisch uneindeutig sind, müssen sich nicht unbedingt zu einem der beiden Geschlechter bekennen.

Fragen

Auf folgende Fragen, die mir in der Diskussion um die mutmaßlich intersexuelle Boxerin begegnet sind, möchte ich noch eingehen:

Sind Personen mit 5-Alpha-Reduktase-Mangel Männer?

Ja, biologisch sind es Männer, da sie genetisch und nach der Pubertät auch phänotypisch männlich sind.

Können XY-Frauen Kinder zur Welt bringen?

Nein, da sie keine Eierstöcke besitzen, können sie keine leiblichen Kinder zur Welt bringen. Beim Swyer-Syndrom ist eine Schwangerschaft mittels einer Eizellspende möglich. Da anderen XY-Frauen keine Gebärmutter haben, bleibt dies die einzige Ausnahme. Leibliche Kinder sind nur möglich durch Zeugung mittels Spermazellen. Die Hoden sind bei XY-Frauen jedoch meist nicht zur Bildung von Spermien in der Lage. Personen mit 5-Alpha-Reduktase-Mangel können aber Kinder zeugen, da sie funktionierende Hoden besitzen, die auch ausreichend Spermien produzieren. Prominentes Beispiel hier ist die umstrittene Sportlerin Caster Semenya, die mit ihrer Frau leibliche Kinder hat.

Warum sollte es eigene Kategorien im Sport geben?

Durch die erhöhte Testosteron-Produktion, aber auch die genetischen Vorteile durch das XY-Chromosom selbst, sind intersexuelle Personen mit männlichem Genom im Sport XX-Frauen gegenüber im Vorteil. Die Argumentation, dass ja generell körperliche Gegebenheiten über Vor- und Nachteile im Sport entscheiden, kann ich hier nicht nachvollziehen. Männer und Frauen sind bis in jede einzelne Zelle hinein völlig unterschiedliche Organismen, eine biologische Gegebenheit, die man im Sport berücksichtigen muss. Frauen sind Männern körperlich deutlich unterlegen, weshalb ja der Frauensport überhaupt etabliert wurde. Für intersexuelle Menschen muss entweder eine eigene Kategorie geschaffen werden, oder XY-Personen müssen bei den Männern mit antreten. Ansonsten hat sich das mit dem Frauensport erledigt. Es muss doch möglich sein, hier eine gerechte Lösung zu finden. Menschen die Abweichung aufweisen, sollten nicht ausgeschlossen, aber auch nicht auf Biegen und Brechen inkludiert werden. Der IOC hat hier jedenfalls auf ganzer Linie versagt und zwar zum Nachteil der biologischen Frauen und der intersexuellen Personen.

Sind XY-Frauen Frauen?

XY-Frauen sind Frauen und sollten gesellschaftlich auch als Frau gesehen werden. So wie bei Transfrauen wäre es respektlos, sie als Männer zu bezeichnen. Aber sportlich sind sie nun einmal bei vielen Sportarten im Vorteil und in dieser Hinsicht ist es wichtig, sie als genetischer Männer wahrzunehmen und dies zu berücksichtigen.

Dürfen Operationen an intersexuellen Säuglingen durchgeführt werden?

Urogenitalen Fehlbildungen führen oft zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen bzw. sind es medizinische Problemen, die in manchen Fällen auch operative Eingriffe erforderlich machen. Diese Eingriffe dienen dann aber nicht dazu, ein bestimmtes Geschlecht festzulegen, sondern sind medizinisch begründet. Operationen an Säuglingen, die ausschließlich dazu dienen, die Geschlechtsmerkmale so zu gestalten, dass man sie einem bestimmten Geschlecht zuordnen kann, sind inzwischen in Deutschland aus gutem Grund verboten. Man wartet hier vernünftiger Weise die Entscheidungsfähigkeit der betroffenen Person ab.

Gibt es Zwitter beim Menschen oder können wir unser Geschlecht wechseln?

Zweimal nein. Wie ich an den Vergleichen mit Schnecken, Maulwürfen und Clownsfischen schon verdeutlicht habe, sind Menschen keine echten Zwitter und sie können auch nicht ihr Geschlecht wechseln. Sie können immer nur eine Art von Geschlechtszellen bilden und das ändert sich auch im Laufe des Lebens auch nicht.

Wird das Geschlecht immer genetisch festgelegt?

Im Gegensatz zu anderen Organsimen, wie z.B. bei Krokodilen, wo dies temperaturabhängig erfolgt, ist die Geschlechtsdetermination bei Säugetieren ausschließlich genetisch.

Übersicht

Zum Abschluss folgt eine kleine Übersicht zu den erwähnten DSD. Dabei unterscheide ich rein biologisch nur phänotypisch und genetisch. Gesellschaftliche und emotionale Aspekte lasse ich hier bewusst außen vor.

  • Genetische Männer mit weiblichem Phänotyp (XY-Frauen)
    • Komplette Androgen-Resistenz (CAIS)
    • Swyer- Syndrom
  • Genetische Männer mit uneindeutigen Phänotyp
    • Partielle Androgen-Resistenz (PAIS)
    • Ovotestikuläre DSD
    • Testikuläres Regressionssyndrom (TRS)
  • Genetische Frauen mit männlichem Phänotyp (XX-Männer)
    • De-la-Chapelle-Syndrom
  • Genetische Frauen mit uneindeutigem Phänotyp
    • Ovotestikuläre DSD
  • Genetische Männer, die sich zu phänotypischen Männern entwickeln
    • 5-Alpha-Reduktase-Mangel (5-ARM)
  • Genetische Frauen, die sich zu phänotypischen Frauen entwickeln
    • Androgenitales Syndrom (AGS)
  • Genetisch nicht eindeutige Personen
    • Mosaik
    • Chimärismus

 

Fehler passieren und letztendlich führen sie uns nach vorn. Ohne Mutationen und sich zufällig ergebende Überlebensvorteile würde Evolution nicht funktionieren. Aber wir Menschen sind noch lange nicht soweit, uns zu Zwittern zu entwickeln und es deutet auch nichts darauf hin, dass es jemals passieren wird. So bleiben intersexuelle Menschen vorerst eine biologische Ausnahme, eine Laune der Natur. Sie sind weder schlechter noch besser als Menschen ohne DSD. Man sollte ihre spezifischen Unterschiede erkennen, aber nur dann berücksichtigen, wenn es wirklich relevant ist. Im Sport ist dies der Fall, genauso wie es bei einer eventuell gewünschten Familiengründung eine Rolle spielen könnte. In den meisten Bereichen unserer Gesellschaft ist es aber schlicht und ergreifend völlig unwichtig.

Glossar

AGS: Androgenitales Syndrom, vorgeburtliche Vermännlichung, die sich im Laufe des Lebens normalisiert

5-ARD (5-alpha reductase deficiency): 5-Alpha-Reduktase-Mangel vorgeburtliche Verweiblichung, die sich im Laufe des Lebens normalisiert

CAIS: Komplette Androgen-Insensität: Testosteron wirkt nicht, XY-Frauen mit weiblichem Phänotyp entwickeln sich

Chimäre: Organismus, der aus genetisch unterschiedlichen Zellen bzw. Geweben aufgebaut ist und dennoch ein einheitliches Individuum darstellt. Die unterschiedlichen Zellen eines solchen chimären Organismus stammen aus zwei verschiedenen befruchteten Eizellen („zwei-eiiger Einling“).

DSD (differences of sex development): Varianten der Geschlechtsentwicklung

Gonadendysgenesie: Fehlentwicklung der Keimdrüsen (Gonaden), also des Hodens bzw. der Eierstöcke

Gemischte Gonadendygenesie: asymmetrische Entwicklung der äußeren und inneren Genitalien mit fehlentwickeltem Hoden auf der einen Seite und unterentwickelten Eierstöcken auf der anderen Seite

Genotyp: genetische Ausstattung eines Individuums, sein individueller Satz von Genen, den es im Zellkern jeder Körperzelle in sich trägt

Gynäkomastie: Hypertrophie von Brustdrüsengewebe bei Männern

Hemiuterus: halbseitiger Uterus mit nur einem funktionalen Eileiter

Hodenhochstand (Kryptorchismus): Hoden sind innerlich und nach der Geburt nicht im Hodensack tastbar, liegen meist im Leistenkanal oder im Bauchraum (Leistenhoden, Abdominaler Hoden)

Hypospadie: Fehlmündung der Harnröhre mit Verkürzung und dadurch einer Verkrümmung des Penisschaftes und atypischer, gespaltener schürzenhafter Vorhaut

Hypogonadismus: hormonelle Funktionsstörung der Keimdrüsen mit verminderter Hormonproduktion, bei Männern auch Störung der Spermatogenese (Spermienbildung)

Mosaik: Individuum mit genetisch verschiedene Zellen, die aus derselben befruchteten Eizelle stammen, genetische Unterschiede beruhen auf Mutationen in der Frühentwicklung

Ovotestikuläre DSD: Vorhandensein von sowohl testikulärem (Hoden) als auch ovariellem (Eierstöcke) Gewebe bei nicht eindeutig ausgeprägte äußeren Genitalien

PAIS: Partielle Androgen-Insensität, Testosteron wirkt nur teilweise, Entwicklung uneindeutiger Genitalien möglich

Penile Harnröhre: Harnröhre befindet sich in der vergrößerten Klitoris

Phänotyp: durch Erbanlagen und Umwelteinflüsse geprägtes Erscheinungsbild eines Organismus, im Gegensatz zur genetischen Grundlage (Genotyp)

Stranggonaden, Streak-Gonaden: rudimentäre Keimdrüsen (Hoden/Eierstöcke) wie z.B. Hoden mit bindegewebigen Strängen oder eine unterentwickelte Eierstöcke, können keine Hormone produzieren

TRS, Testikuläres Regressionssyndrom: Rückbildung der Hoden in der Frühschwangerschaft mit einer möglichen Entwicklung uneindeutiger Genitalien, Keimdrüsen fehlen ganz

Urogenitaler Sinus: Vagina und Harnröhre miteinander vereint

XY-Frauen: Menschen mit männlichen Geschlechtschrosomen, die aber phänotypisch und psychisch weiblich sind (CAIS, Swyer-Syndrom)

Quellen können bei der Autorin angefragt werden.

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