Das RWI-Essen hat seine Konjunkturprognose veröffentlicht. Bei näherer Betrachtung sind die Zahlen noch viel schlechter, als sie es auf den ersten Blick wirken.
Roland Döhrn, RWI, Foto: RWI-Essen
Mit einem Schrumpfen des Bruttosozialproduktes um zwei Prozent rechnet das RWI-Essen für das kommende Jahr in seiner aktuelle Konjunkturprognose. Allein das über ein ganzes Jahr die Wirtschaft schrumpft ist etwas extrem seltenes und zeigt die Dimension der Krise an, in der wir uns gerade befinden. Und sie ist noch schlimmer als es auf den ersten Blick scheint.
Denn -2 Prozent ist eigentlich schon -3,5. Warum? Weil ein Nullwachstum, die Stagnation, nicht der Normalzustand ist. Normal ist dass die Wirtschaft in Deutschland (In den USA liegt die Zahl wegen der größeren Dynamik höher) um 1,5 Prozent im Jahr wächst. Erst darüber kann man langsam von einem Aufschwung sprechen und kann beispielsweise die Arbeitslosigkeit spürbar sinken. Um 1,5 Prozent wächst die Wirtschaft aus sich selbst heraus: Neue Produkte entstehen, traditionelle Produkte wie z.B. Autos werden weiter entwickelt und erhalten neue Features. Vor ein paar Jahren waren das die Klimaanlagen. Auch ersetzen wir alte Produkte durch neue, die höherwertig sind: Alte Fernseher werden gegen Flachbildschirme getauscht und und und… . All das macht, wie gesagt, noch keinen Aufschwung, sondern ist der Alltag. -2 ist also ein gewaltiges Abweichen von diesem langjährigen Standardwachstum.
Und dann ist da noch etwas mit den RWI-Zahlen: Sie sind das wahrscheinliche Szenario, das ein paar Grundannahmen folgt: Es bricht keine weitere Großbank zusammen, es kommt zu keiner Eskalation militärischer Konflikte, die Regierungen bleiben stabil. Das wahrscheinliche Szenario schreibt die Gegenwart weiter – so kam es auch zur letzten, eher optimistischen Konjunkturprognose des RWI: 0,8 Prozent Wachstum wurden in der Prognose vorausgesagt, die das RWI am 12. September abgeschlossen hatte. Am 15. 9. ging Lehmann-Brothers in Insolvenz und die Finanzkrise erhielt eine ganz neue Dynamik. Das Negativszenario des RWI lag damals schon bei einem deutlichen Schrumpfen der Wirtschaftsleistung.
Nun zeichnen sich Krisen ganz allgemein dadurch aus, dass sie chaotisch sind. Das RWI kann also seriös nichts anderes machen, als die Gegenwart weiter schreiben denn die Zukunft hat es dummerweise so an sich, das sie niemand kennt. In Krisenzeiten allerdings kann sich die Lage sehr schnell ändern, werden Nachrichten anders interpretiert und verschlimmern so die Lage. Solche Ereignisse, erklärte mit gerade Dr. Roland Döhrn, der Leiter der Konjunkturforschung beim RWI-Essen seien nicht berechenbar. Die heute veröffentlichte Zahl von einem Schrumpfen der Wirtschaft um zwei Prozent hätte eine Wahrscheinlichkeit von 68 Prozent – und eine Abweichungsbreite von einem Prozent nach oben oder unten: Zu 68 Prozent wird die Wirtschaft also um drei, zwei oder einem Prozent schrumpfen. In einem Jahr werden wir wissen, was das für uns alle bedeutet.
ja, aber was heißt das jetzt im Tageszeitungsdeutsch?
auf der Seite des WDR steht, dass wir in eine tiefe Krise rutschen; eine Meldung, die zwischen vielen anderen, sehr interessant aufgemachten Beiträgen steht. hatdas Ganze also nichts weiter als Unterhaltungscharakter?
Das erinnert mich an das Theaterstück CONNECTING PEOPLE, mit dem in Bochum angeblich das NOKIA-Desater aufgearbeitet werden soll. Da heißt es, man wolle damit bewirken, dass die Kinder und andere Menschen nicht das Gleiche erleben müssen. Aber: was lernen die Besucher wirklich aus dem Theaterstück? Ich nehme nichts als Zorn auf den NOKIAkonzern war. Man kauft sich halt andere Handys.
natürlich will ich nicht sagen, dass man Informationen zurück halten soll, aber sollte man sie der Öffentlichkeit nicht besser so präsentieren, dass sie (von links bis rechts, von studiert bis ungebildet) was damit anfangen kann?
@Kulervo: Es wird ein starker Einbruch auf dem Arbeitsmarkt kommen und die Zahl der Insolvenzen wird steigen. Über die Steigerung der Kurzarbeiterzahlen haben wir auch schon zwei Texte veröffentlicht.