In der vergangenen Nacht hat es in Witten gebrannt. In einer geplanten Flüchtlingsunterkunft im beschaulichen Ortsteil Bommern wurde ein Feuer gelegt. Die Polizei geht von Brandstiftung aus. Der oder die Täter hatten ein Fenster eingeschlagen, die Polizei entdeckte Reste von Brandbeschleunigern. Die Welle von Brandstiftungen auf ist also im östlichen Ruhrgebiet angekommen: In einer geplanten Flüchtlingsunterkunft im beschaulichen Wittener Ortsteil Bommern wurde in der vergangenen Nacht ein Feuer gelegt. Witten scheint dabei kein zufälliger Ort, in der 100.000-Einwohner-Stadt gab es über Jahre hinweg eine gewalttätige Neonazi-Szene. Die Aktivitäten der Wittener Nazis haben in den letzten Jahren zwar nachgelassen, aber verschwunden sind die Rechten nicht aus der Stadt.
Schon Ende Juli soll es in Witten zu einem neonazistischen Vorfall gekommen sein. Vor der Notunterkunft in einer Turnhalle in der Jahnstraße sollen Rechte aus einem Auto gestiegen sein und neonazistische Parolen gebrüllt haben. Polizei und Stadt konnten den Vorfall damals nicht bestätigen. Nun also die Brandstiftung auf die geplante Unterkunft in Bommern – dass der Anschlag so glimpflich ausgegangen ist, liegt auch daran, dass der oder die Brandstifter, aus ihrer Sicht, großes Pech hatten. Kurz nach der Brandstiftung erschien die Feuerwehr an der geplanten Unterkunft. Sie sollte heute planmäßig die Brandschutzmaßnahmen begutachten. Die Polizei hat den Staatsschutz eingeschaltet, um mögliche Täter zu ermitteln. Bei der Suche nach dem oder den Tätern könnte ein Blick in die Vergangenheit helfen.
Witten kann auf eine lange neonazistische Geschichte zurück blicken. Schon in den 1980er-Jahren war die FAP in der Stadt aktiv. 1988 gab es in Witten einen Anschlag auf eine bewohnte Flüchtlingsunterkunft. Fensterscheiben waren eingeschmissen, ein Brandsatz an der Tür platziert worden.
Die Wittener Neonazis agierten in den 1980ern oft gemeinsam mit Kameraden aus Dortmund. Auch in den 1990er-Jahren gab es Nazi-Aktivitäten in Witten. Eine neonazistische Kleinstpartei unterhielt ein Büro und nach diversen Verboten beteiligten sich Wittener Nazis an der Gründung einer „Ruhrpott Kameradschaft“. Im Jahr 2001 half der damalige Kameradschafts-Aktivist Carsten K. einem Sauerländer Nazi bei der Flucht in die Niederlande. Der Sauerländer hatte bei einer Feier in München einen Migranten beinahe zu Tode geprügelt. Für die Fluchthilfe ging Carsten K. ins Gefängnis. Nachdem er dort mit Sicherheitsbehörden gesprochen hatte, fiel er in der NS-Szene in Ungnade.
Aber die Ex-Freundin von K. half beim Aufbau neuer Strukturen mit. Sabine G. verfügte über die nötigen Kontakte in der Naziszene, um dem Nachwuchs beim Kameradschafts-Aufbau zu helfen. Vor gut zehn Jahren hatte sich eine neue Kameradschaft in Witten gegründet. Und diese Kameradschaft gehörte von 2005 bis 2007 zu den aktivsten Gruppen im Ruhrgebiet. Bei keinem größeren Aufmarsch fehlten die Wittener Neonazis und auch in ihrer Heimatstadt waren sie umtriebig.
Das bevorzugte Ziel der Wittener Neonazis waren Linke und alternative Jugendliche. Immer wieder gab es Überfälle und Bedrohungen. Das alternative Zentrum „Trotz Allem“ war besonders zur Zielscheibe der Rechten geworden. Bewaffnete und vermummte Neonazis versuchten 2005 Besucher des Kulturzentrums anzugreifen, konnten diese aber nur leicht verletzen. In der Folgezeit gab es immer wieder Farbattacken, Flaschenwürfe, und Sprühereien am Gebäude des „Trotz Allem“.
Immer wieder fielen die guten Kontakte zwischen Wittener und Dortmunder Rechten auf. So feierte die neonazistische Hooligantruppe „Borussenfront“ im Jahr 2006 ihren Geburtstag in Witten. Eine Demonstration von Nazi-Gegnern im Frühjahr 2007 wurde von Nazis aus dem Umfeld der Rechtsrockband Oidoxie, die offen zum bewaffneten „Rassenkampf“ aufruft, provoziert.
Nach mehreren Verurteilungen von Neonazis wurde es in den letzten Jahren ruhiger um die Wittener Naziszene. Lediglich das „Trotz Allem“ wurde im Sommer 2012 noch einmal Ziel einer Farbattacke. Außerdem ist die NPD bei den Kommunalwahlen 2014 aus dem Rat der Stadt ausgeschieden, sie war zu den Wahlen nicht mehr angetreten. Das ist allerdings kein Grund zur Beruhigung, denn eventuell haben sich alte Kameraden im Anbetracht der derzeitigen Welle von Rassismus wieder zusammen geschlossen. Dass die Wittener Neonazis zur Gewalt und zu Anschlägen neigen, haben sie in den letzten 27 Jahren bewiesen.
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