Vor einigen Tagen haben wir hier bei den Ruhrbaronen bereits kontrovers über die Kommentatoren von ARD und ZDF während der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien diskutiert. Dabei kam es gerade auch bezüglich der Parteilichkeit bei den Übertragungen der Spiele der DFB-Auswahl zu sehr unterschiedlichen Einschätzungen.
Heute hat nun der Journalist Ivo Bozic bei den Kollegen der Berliner ‚Jungle World‘ einen spannenden und diskussionswürdigen ‚Offenen Brief‘ an die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gerichtet und sich darin ebenfalls bitter über die Art und Weise der bisherigen Berichterstattung von ARD und ZDF beklagt:
„Offener Brief an
Lutz Marmor (Vorsitzender ARD)
Thomas Bellut (Intendant ZDF)
den ARD-Rundfunkrat und den ZDF-Fernsehrat
Berlin, den 7.7.2014
Sehr geehrte Damen und Herren,
die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF übertragen zurzeit die Fußballweltmeisterschaft in Brasilien gemäß ihres Auftrages aus § 4 des Rundfunkstaatesvertrags zur Übertragung von Großereignissen.
Hierbei fällt auf, dass Sie bei Fußballspielen, an denen die deutsche Nationalmannschaft beteiligt ist – und auch jenseits der eigentlichen Spielübertragung -, in drastischer Form einseitig sympathisierend und parteiisch berichten, nämlich immer zugunsten der deutschen Nationalmannschaft. Dies verstößt eindeutig gegen § 11(2) des Rundfunkstaatsvertrages, nachdem Sie zur „Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung“ sowie der „Meinungsvielfalt“ verpflichtet sind.
In Deutschland leben 7,6 Millionen Menschen ohne deutschen Pass und weitere 9 Millionen Deutsche mit Migrationshintergrund. Auch sind längst nicht alle deutschen Staatsbürger automatisch Fans der deutschen Nationalmannschaft, wie Sie, aus welchem Grund auch immer, vorauszusetzen scheinen. Es sind ja auch nicht alle Bayern Fans des FC Bayern München. Auch die vielen Millionen, die bei der WM nicht der deutschen Mannschaft die Daumen drücken, zahlen Rundfunkgebühren. Mit welchem Recht wird diese Gruppe von Fernsehzuschauern völlig übergangen? Wer entscheidet, dass ARD und ZDF in Gänze immer zur deutschen Nationalmannschaft halten?
Laut Rundfunkstaatsvertrag § 11(1), sollen ARD und ZDF auch „die internationale Verständigung“ fördern. Dies wird mit Sicherheit nicht dadurch bewerkstelligt, dass Sie bei der WM ungebremst deutschen Patriotismus und Nationalismus verbreiten, immer die deutsche Mannschaft unterstützen und damit automatisch auch das Ausscheiden der gegnerischen Mannschaft zum gemeinsamen, quasi gesellschaftlichen Ziel erklären – und zwar nicht nur durch die Spiel-Kommentatoren und Expertengespräche, sondern auch in den Nachrichtensendungen, bei An- und Abmoderationen politischer Magazine und sogar bei der Sendung mit der Maus.
Dass die Mehrheit der Fernsehzuschauer in Deutschland womöglich (Hat das überhaupt schon mal jemand erhoben? Gibt es da Zahlen?) Fans der deutschen Mannschaft sind, kann kein Argument für Ihre vollkommen einseitige Berichterstattung und Kommentierung sein, denn dann müssten Sie bei der Bundesligaübertragung auch immer parteiisch für Bayern München sein, weil dieser Verein die meisten Mitglieder hat. Doch während Sie bei der Bundesligaberichterstattung Wert auf fußballerische Neutralität legen, tun Sie das bei Fußballweltmeisterschaften nicht, obwohl es dabei um genau denselben Sport geht. Nirgendwo im Rundfunkstaatsvertrag steht, dass es Ihr Auftrag ist, die deutsche und zudem die nichtdeutsche Bevölkerung zu deutschen Patrioten zu erziehen. Einen anderen Grund für Ihre hartnäckige Einseitigkeit kann ich aber nicht erkennen.
Ich fordere Sie deshalb hiermit auf, Ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachzukommen, und im weiteren Verlauf der WM endlich objektiv zu berichten und auch den Minderheiten unter Ihren Zuschauern und somit auch dem Auftrag aus dem Rundfunkstaatsvertrag gerecht zu werden.
Ivo Bozic, Journalist“ (Quelle: http://jungle-world.com/jungleblog/2833/)
Passend zum Thema: https://www.ruhrbarone.de/wm-die-uebertriebene-emotionalitaet-des-ard-kommentators-gerd-gottlob/80904
Zitat Ivo Bosic: „….immer die deutsche Mannschaft unterstützen und damit automatisch auch das Ausscheiden der gegnerischen Mannschaft zum gemeinsamen, quasi gesellschaftlichen Ziel erklären …“
das finde ich allerdings auch – es geht doch nicht an, dass Fußballspiele immer wieder zum Ausscheiden der gegnerischen Manschaft führen – sollte nicht das gemeinsame Spiel im Vordergrund stehen?
Dieses ständige vorrechnen der Tore stört die Harmonie doch ganz gewaltig – für mich würde es genügen, wenn sich die Mannschaften am Ende der Spielzeit umarmen und in Frieden auseinandergehen…. 😉
Ich persönlich habe ja auch nie verstanden, warum nicht jeder Spieler einen eigenen Ball bekommt. Dann müssen die sich nicht streiten und alle sind glücklich. Und durch die Vergesellschaftung der Spielmittel wären wir dann auch dem wahren Sozialismus endlich etwas näher gekommen…
„denn dann müssten Sie bei der Bundesligaübertragung auch immer parteiisch für Bayern München sein“
…immer diese WM-Teilzeit-Fußballbeobachter 😉
OK, es ist bei den ÖRs nicht ganz so extrem wie z.B. bei Sport1 mit ihrem „Bayernpass“ und „Bayernliga Total“ (Ähnlichkeiten zu real vorhandenen Sendungen rein zufällig) oder Sky (da schafft es der Kommentator selbst bei Spielen wie Dresden – Frankfurt regelmäßig irgendwie den Bogen zu den Bayern zu spannen um sie anschließend heftigst abfeiern zu können), aber man gucke sich nur die „Experten“ an und denke dann mal einen halbe Sekunde drüber nach ob so objektive Berichterstattung möglich ist.
Natürlich ist sie es nicht, aber es geht beim Fußball schließlich auch nicht um objektive Berichterstattung sondern darum ein Produkt zu verkaufen (die Übertragungsrechte kosten schließlich hunderte Millionen Euro).
Insofern kann von mir aus der Kommentar auch parteiisch sein, so lange es fair bleibt, aber genau an dieser Stelle sehe ich das Problem – wenn jeder Pass eines Deutschen Spielers Weltklasse ist und gleichzeitig jede Aktion der gegnerischen Mannschaft „in höchster Not gerettet“ ist da nichts mit Fairness.
Ich vermisse die Übertragungen auf Eurosport, dort fühlte man sich immer sowohl fachlich gut aufgehoben als auch generell objektiv und fair informiert.
Robin,
„wir “ müssen eben alle „gemeinsam“, und zwar „Alles“ geben, damit „wir“ Weltmeister werden; das beginnt mit der Kanzlerin, die alles gibt, mit den Fans, die alles geben und das gilt folglich selbstverständlcih auch für die „Öffentlich-Rechtlichen“ und von daher pflichtgemäß für deren angestellte Sportredakteure. So entsteht dann eben „die eine große Volksgemeinschaft“, die geschlossen hinter der Mannschaft, dem Trainer, dem DFB steht bzw. zu stehen hat.
„Abweichler“ gehören verbannt!
Ich finde diesen Zustand zwar erbärmlich, aber „es ist wie es ist“!
Im übrigen bin ich sicher, daß die Funktionäre des DFB und das Managment bei ARD und ZDF ein so hohes Maß an Arroganz besitzen, daß sie einschlägige Kritik bestenfalls zur Kenntnis nehmen, aber nicht `mal bereit sein werden, darüber nachzudenken, geschweige denn, daraus Konsequenzen zu ziehen.
Ich habe mir einige Spiele angesehen, allerdings keines mit deutscher Beteiligung. In der Vergangenheit waren mir die Kommentatoren einfach zu penetrant und zu einseitig. Ich bin (wohl zu Recht) davon ausgegangen, das dies bei dieser WM wieder so ist. Vielleicht sollte man die zur Verfügung stehenden Technologien nutzen, um zwei verschiedene Kommentare zu ermöglichen.
Wie sieht es eigentlich im Ausland aus? Ist man dort neutraler ?
Ansonsten hake ich den Brief als Satire ab…
@6: Nein, dort ist man i.d.R. parteiischer als bei uns.
Auf so eine Diskussion wie bei uns, schüttelt man im Ausland verständnislos den Kopf.
„Fachlich gut aufgehoben“ bei Eurosport? Klar, vor allem wenns um Doping und Fahrradfahren geht. Früher mit Herrn Altig und bis heute mit anderen einschlägigen „Giftmischern“ aus aller Herren Ländern, gerade war ein Herr Lemond zu Gange.
Vielleicht tut es gut, mal einen Blick in die Sportzeitungen anderer Länder zu werfen, oder ein Ohr in entsprechende Radioübertragungen. Auch ohne weitergehende Sprachkompetenzen kann das durchaus den Blick auf unsere Sportkommentatoren etwas entschärfen und relativieren.
Der Bozic hat’s nicht kapiert.
Nur das er und sein Arbeitgeber eine Rundfunkabgabe zahlen müssen bedeutet nicht das er irgendwelche Forderungen an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stellen darf.
Wie so eine Beschwere abläuft habe die Jungs von Stigma Videospiele schon mehrmals erlebt.
Als sie sich darüber beschwert hatten das ein öffentlich-rechtlicher Sender gefaktes² Material dazu verwendet hat um zu behaupten im Videospiel GTA:San Andreas gehe es darum möglichst viele Frauen zu vergewaltigen wurde vom Intendanten geantwortet das es sich dabei um die übliche Form der Berichterstattung handelt.
Also Leute: Zahlen und Klappe halten und an Deutschland denken, denn ohne diese kopfsteuerähnliche Abgabe bricht morgen unsere Demokratie zusammen !
Dann werden Neonaziterroristen jahrelang unerkannt morden, ausländische Geheimdienste uns abhören und Steuergelder unkontrolliert in Großprojekten verballert.
Ich verweigere allerdings seit 1. Januar 2013 die Zahlung, da ich nicht einsehe das ich nach dem neuen Rundfunkstaatsvertrag zahlen soll, während der Stadt Köln erlaubt wird weiterhin nach dem alten Rundfunkstaatsvertrag zu bezahlen.
Einen Bescheid von meiner Rundfunkanstalt hab ich erst im September 2013 erhalten, obwohl ich sie schon im Januar aufgefordert habe mir einen zu schicken.
Ich hab im September gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt, und meine Rundfunkanstalt ist bislang nicht in der Lage gewesen ihn zu bearbeiten.
Saftladen.
____________________________________________________________________
²Die hatten damals das Spiel mit den Hot Coffee Mod verändert um Sexszenen im Spiel zeigen zu können und diese dann mit RapMe von Nirvana unterlegt.
Bei diesen Mod bekommt der Spieler bei erfolgreichen flirten ein Einladung zu einer heissen Tasse Kaffee, d.h. einvernehmlichen Geschlechtsverkehr.
Mit RapeMe von Nirvana (das im Spielsoundtrack nicht enthalten ist) hat der Sender dann die Soundfiles der Mod überdeckt.
„…während Sie bei der Bundesligaberichterstattung Wert auf fußballerische Neutralität legen..“ Wo? Wann? SW3 und Saison 71/72???
So einen Schwachfug kann ja nur ein „bekennender Schalke-Anhänger“ (lt. seiner FB-Seite) schreiben. Werner Hansch und Manni Breuckmann z.B. scheinen ihm gänzlich unbekannt zu sein:-))
@#3 | Björn04: Eurosport??? Da, wo der Torjubel regelmäßig gefühlte 3 Minuten nach dem Bild kommt, weil der deutsche Ton erst genau die entgegengesetzte Welthalbkugel umrunden muss??
Selten so einen Mist gelesen!
„Deutschland von Sinnen“ mehr fällt mir dazu nicht ein.
Der deutsche Fußball-Nationalismus ist die kulturelle Variante des ökonomischen Standortnationalismus.
Er gibt den Kommentatoren Gelegenheit, zugewanderte Beschäftigte als Leistungsträger zu loben, die ein mysteriöses Etwas namens „Deutschland“ „stark“ machen.
Ich finde das auch nicht gut. Vielleicht gelingt es Bozic ja, diesen volklosen Standortnationalismus abzuschaffen; dadurch würde objektiv wieder ein Freiraum für einen echten Ethnonationalismus entstehen, dessen Mittelpunkt die Leute sind und nicht das „Land“.
Sorry Herr Bozic, aber dieser Brief, wenn er denn keine Satire ist, ist einfach nur krank. Ich bin auch kein Freund dieser GEZ-Steuer sowie der einseitigen Berichterstattung durch die ÖR Medien (Ukraine, Montagsdemos etc.). Aber ich mag Fussball, und ich mag wie die deutsche Nationalmannschaft diesen als Team spielt. Und nur darum geht es. Und es ist absolut ok, wenn sich deutsche Moderatoren auch über die Leistung dieser Mannschaft freuen. Es sei übrigens erwähnt, dass diese Mannschaft gegen Algerien überhaupt nicht gut gespielt hat und dass die Kommentatoren diese schlechte Spielweise auch deutlich bemängelt haben. Von einseitiger Berichterstattung kann in diesem Fall also gar keine Rede sein!!! Des Weiteren haben Sie die Möglichkeit auf andere Kanäle auszuweichen, wenn Sie keinen Fussball mögen. Oder schalten Sie Ihr Fernsehgerät doch einfach mal ab. 😉 Anmerkung: Ich habe übrigens auch Migrationshintergrund wahrscheinlich genauso wie Sie. Dennoch freue ich mich, wenn das deutsche Team gut spielt und gewinnt. Und ich bin kein NAZI!!!
Keine Aufregung, der Brief kann doch nur Satire sein!!!!
Danke, Ivo! So eine ähnliche Idee hatte ich auch, aber dann darauf gesetzt, die WM einfach zu ignorieren – jedenfalls, was deutsche Spiele betrifft. Das war ein Fehler. Am Sonntag werden die Nationalidioten leider Oberwasser haben (ich gehe ins Kino und werde davon wenigstens nichts mitbekommen).
Während solcher Turniere freut es mich dann doch, dass ich die Zwangsgebühr immer noch nicht zahle. Vor einem Jahr kam ein Erinnerungsbrief, der flog in den Müll, danach nichts mehr. Mal sehen, ob sie noch drauf kommen, dass immer noch nicht alle zahlen – der Zwangsgebühr zum Trotz.
Ich kann den Kommentar verstehen. Ich ärgere mich auch, dass die norddeutschen Radiosender ständig so tun, als wäre jeder Mensch im Norden auch Fan eines norddeutschen Clubs. Ständig beziehen sie mich in ihre euphorische Spieltagsberichterstattung ein, als müßte ich qua Herkunft ein naturgegebenes Interesse am HSV oder St. Pauli haben. Als könne die ganze Stadt nachts nicht schlafen, wenn der HSV mal wieder Anstalten macht abzusteigen. Ich möchte auch hier gerne mal offene Briefe. Ich nämlich fühle mich da nicht repräsentiert und in meiner Abneigung gegenüber dem HSV nicht respektiert…
Grundsätzlich muss ich dieser Tage leider feststellen ein Nationalist zu sein. Dazu werde ich nämlich gemacht, weil ich der deutschen Mannschaft die Daumen drücke. Ich lebe in einem linken Umfeld und trau mich schon gar nicht mehr anzumerken, dass ich die deutsche Mannschaft und ihre Spielweise mag. Es ist anstrengend sich ständig rechtfertigen zu müssen und fast schon um seine Reputation fürchten zu müssen. Ich bin halt jetzt Nationalist. Punkt.
Dabei ist mir Deutschland als Land total egal. Ich empfinde null Stolz. Ganz im Gegenteil. Und da ich dem Land, in dem ich lebe gegenüber nichts empfinde, bin ich scheinbar auch gleich gezwungen seine Nationalmannschaft zu hassen und jeden seiner Gegner zu bejubeln. Das ist seit Wochen extrem unangenehm, teilweise bedrückend. Ich würde schon gern frei entscheiden, für welche Mannschaft ich bin und auch gegen wen ich bin – was im Sport leider unvermeidbar ist – ohne dass mir dann sofort die schlimmsten Sachen unterstellt werden.
Mitfiebern mit den Gegnern ist übrigens legitim und ein Zeichen gegen Nationalismus? Aber bejaht es das Konstrukt Nationalstaat nicht ebenso wie es mir unterstellt wird? Egal. Um weiter dazu zu gehören, sollte ich morgen besser für Argentinien sein.
Wie auch immer, ich würde mir sehr wünschen, dass akzeptiert wird, nicht jeder, der für die deutsche Mannschaft ist ist auch für Deutschland. Es kann auch tatsächlich nur um Fußball gehen. Ja tatsächlich.
Auch wenn ich mich als Deutscher nun leider für das deutsche Team entschieden habe. So wie sich eventuell manch ein Hamburger für einen Hamburger Club entscheidet. Ich muss mich mit dieser Sympathie für eine Mannschaft nicht zwangsweise zu dem Staat dahinter bekennen. Wenn ich für das Team juble, dann muss ich nicht denken, ach wie geil ist es deutsch zu sein, wir sind ein so viel besserStaat als die anderen, all die anderen sind scheiß… Ich sehe keine Notwendigkeit den Fußball mit irgendeinem Mist aufzuladen. Er ist ein Spiel. Punkt. Heute gewinnt der eine, morgen der andere. Über Deutschland sagt ein Sieg der Nationalmannschaft rein gar nichts. Mein Jubel ist kein politisches Statement. Auch kein unterbewusstes, sondern schlichte Begeisterung über schönen Fußball, den mir mein Lieblingsclub leider eher selten so liefert. Ich würde mir nur wünschen nicht ständig deswegen in undifferenzierte Schubladen gesteckt zu werden. Just my two cents…