WM: Reaktionen auf den ‘Gaucho-Dance’ stimmen nachdenklicher als die unsensible Aktion selber

Am Dienstag begrüßten gut 400.000-Fans die heimkehrende Nationalmannschaft des DFB auf der ‚Fanmeile‘ in Berlin. Ein Empfang der auch heute in vielen Medien noch nachwirkt.

Neben einer unübersehbaren Maximierung des Kommerzes, kaum ein Blick ohne die Dauereinblendung diverser Sponsoren war in Berlin möglich, sorgte besonders der sogenannte ‚Gaucho-Dance‘ für Verärgerung und Diskussionen bei Millionen im Lande.

Was war geschehen? Jede der WGs aus dem ‚Campo‘ der DFB-Elf in Brasilien betrat einzeln die Bühne und sollte eine kleine ‚Vorführung‘ präsentieren. Belangloser Kram eigentlich, der die Dauer der ca. einstündigen Veranstaltung vor dem Brandenburger Tor etwas in die Länge zu ziehen helfen sollte. Doch schon zu Beginn der Einlage von Roman Weidenfeller, Toni Kroos und Co. zuckte auch ich innerlich etwas zusammen. Sich in der Stunde des Sieges auf die Unterlegenen zu stürzen und diese öffentlich zu verhöhnen, das ist wahrlich kein Zeichen von Größe, eher von zumindest fehlendem Taktgefühl.

Dass aus der Angelegenheit dann anschließend aber so eine große Sache gemacht wurde, das überraschte dann in den letzten Tagen allerdings auch mich. Kritiker und Verteidiger dieser Bühneneinlage beharkten sich dabei auf recht emotionale Weise. Über mehrere Tage läuft inzwischen schon die Affäre ‚Gauchogate‘, führte inzwischen auch schon zu einer offiziellen Entschuldigung von DFB-Boss  Wolfgang Niersbach in Richtung der teilweise verärgerten Argentinier.

Was bleibt nun am Ende von dieser ‚Affäre‘ hängen? Was werden die Auswirkungen bzw. hoffentlich die Erkenntnisse und Lehren daraus sein? Man hat gesehen, dass von FIFA und DFB durchgeführte Aktionen in Sachen Toleranz und ‚Fair Play‘ allzu häufig noch immer reine Lippenbekenntnisse sind, und wie leicht diesen gut gemeinten Bestrebungen ein Schaden zuzufügen ist, wenn die offiziellen Leitlinien der Verbände im Überschwang der Emotionen mal kurz aus dem Blickpunkt und der Kontrolle geraten.

Der ‚Gaucho-Dance‘ hat innerhalb weniger Sekunden deutlich gemacht wie viel Arbeit in diesem Bereich noch zu tun ist, wie viel Sensibilisierung für diese Dinge offenbar noch erfolgen muss, bis wirklich eine tolerantere und fairere Gesellschaft geschaffen wurde.

Die Freude über den eigenen Erfolg bedarf nämlich gar keiner Herabsetzung des Gegners. Und das selbst dann nicht, wenn man der Meinung ist der Tanz sei nicht verächtlich gegenüber den ‚Gauchos‘ gemeint  gewesen…. Schadenfreude über den vor Trauer gebeugt gehenden Gegner hat ein Weltmeister nämlich ebenfalls so gar nicht nötig.

Schuld an diesen traurigen Erkenntnissen ist übrigens natürlich auch nicht nur das halbe dutzend Nationalspieler, die jetzt so heftig für ihre völlig unsensible Aktion kritisiert wurden und werden.

Das eigentliche Problem wird in seiner tatsächlichen Größe nämlich erst dann so richtig deutlich, wenn man bedenkt, dass ein großer Teil der Fans und Beobachter es über Tage hinweg offenbar gar nicht bemerkenswert und taktlos findet, wenn der Sieger einer Sportveranstaltung den unterlegenen Gegner aus einem anderen Land auf diese Weise darstellt und betrachtet. Viele Medienvertreter und Fans finden diese Aktion nämlich in keiner Weise unsensibel und/oder unnötig. Das ist doch das eigentlich bemerkenswerte an dieser Sache, nicht etwa das ein paar Spieler im Überschwang der Emotionen mal mit ihrem Geschmack einen großen sportlichen Sieg zu feiern mit einer solch peinlichen Aktion mal daneben langen…

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Nansy
Nansy
10 Jahre zuvor

Man würde diese „Darbietung“ wohl kaum im Rahmen diplomatischer Veranstaltungen tolerieren. Wenn es also bemerkenswert sein soll, dass sich Fans und Medien (ich ebenso) über diese im Überschwang der Emotionen mißglückte Darbietung nicht besonders aufregen, dann liegt es vielleicht daran, dass den meisten Menschen die Antennen für solche Petitessen fehlen… ?

Axel
10 Jahre zuvor

Leider sind bei weitem nicht alle mit Fußball- und Fankultur vertraut.
Einfach mal hier gucken: https://www.youtube.com/watch?v=Kh_kV_kktQM
Ab 3min 8s sieht man, dass es sich tatsächlich um Tradition handelt. Es gibt keinen expliziten Gaucho-Dance!
Fans rechnen damit, dass auch selbst aushalten zu müssen.

Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Die Fußballwelt ist eine Welt der Reinen und Lauteren. Niemand trägt Shirts mit der Aufschrift „Lieber in Frankfurt sterben als in Offenbach leben“, niemand spricht von S.04 als Sch… vom Revier, niemand grölt „kniet nieder ihr Bauern, der BVB, S.O4, HSV etc ist in der Stadt.“ USW,USF! Hohn und Spott gehören zum Fußball. In Argentinien so sehr, dass in B.A. grundsätzlich keine Auswärtsfans zugelassen sind, bis mindestens in die vierte Liga, wie man kürzlich einem höchst aufschlussreichen Fernsehfeature im so viel geschmähten öffentlich-rechtlichen Fernsehen entnehmen konnte.
WE ARE THE CHAMPIONS; NO TIME FOR LOSERS. Ist das besser? Ist Gauchos nicht ein längst eingeführter Begriff für die argentinische Elf?
Hinzu kommt, dass die Vortragenden des Gauchotanzes sich in einem mental/emotionalen Ausnahmezustand befanden. Alkohol und wenig Schlaf taten ihr übriges. Also tiefer hängen das Tanzen am Tor.

Andi
Andi
10 Jahre zuvor

@Axel #2:
Das sagt aber eher etwas über die Fußball- und Fankultur (oder Fußball- und Fan“kultur“) aus.

der, der auszog
der, der auszog
10 Jahre zuvor

Es wird Zeit, dass wieder Krokodile in Deutschlands Baggerseen ausgesetzt werden. Die Medien hätten etwas neues, worüber sie schreiben könnten und vor lauter Angst würde auch der letzte Depp begreifen, dass die Fußball-WM zu Ende ist.

Ulf
Ulf
10 Jahre zuvor

Die Fernsehfizierung des Fußballs schreitet voran. Die Couchpotatoes, die sich über die Art des Feierns ereifern, haben garantiert selbst nie vor einen Ball getreten, haben nie bittere Niederlage angesichts der feiernden Sieger ertragen müssen oder umgekehrt als Sieger ausgelassen gefeiert. Wer nie erlebt hat, was in den Kabinen der Mannschaften nach einem emotionalen Spiel los ist, hat leicht predigen. Wenn der Fußball und das Drumherum nicht so wäre, wie es (zum Glück wenigstens ab und zu immer noch) ist, hätte ich meine Dauerkarte längst zurück gegeben. Das, was da in Berlin passiert ist, muss man nicht toll finden. Aber es war tatsächlich einer der wenigen ehrlichen Moment in dem Fußballgeschäft, in dem sonst gern nur noch über Millionen, über Show und Sponsoren geredet wird. Zum Glück stoßen die Fernsehsesselkritiker in diesem Fall auf breites Unverständnis. Wer etwas ändern möchte, sollte entweder öffentliche Siegesfeiern ganz verbieten (wer weiß, was da alles passieren kann!) oder so konsequent sein, sie nur nach einem fest vorgeschriebenen Drehbuch abzuhalten, damit die TV-Kameras garantiert keine spontanen und emotionalen Bilder mehr einfangen können. Fußballfans haben daran bestimmt keinen Spaß. Und wohin das führt, sehen wir ja an den TV-Bildern aus den Stadien, die allesamt von einer „Weltregie“ wunderbar vorzensiert werden. Dann lieber ab und zu einen Goucho-Tanz.

Jens
10 Jahre zuvor

Ja, ich finde die Aktion nicht schlimm oder bemerkenswert. Ich kann sie – als Fußballfans über dessen Mannschaft schon so (in der negativen Art) gesungen wurde – entsprechend einordnen und finde sie amüsant und keineswegs rassistisch. Ich fühlte mich auch als in Castrop-Rauxel geborener und jetzt in Bochum lebender Dortmund-Fan nicht wirklich rassistisch tangiert, oder gibt es den homo sapiens castroprauxeliensis?

Eher nicht amüsant finde ich manche Betroffenheitsreaktionen und Artikel – wie diesen hier.

M. Adelmann
M. Adelmann
10 Jahre zuvor

Die renommierte Web-Präsenz „Netz-gegen-Nazis“ meint dazu:

http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/zum-gaucho-tanz-der-deutschen-nationalmannschaft-9585

Der „Gaucho-Tanz“ von einigen Spielern der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Feier des Weltmeistertitels am Brandenburger Tor erregt die Sozialen Netzwerke. Netz-gegen-Nazis.de hat dazu gestern nur einen Artikel von Kollegen geteilt und hat darunter einen Shitstorm aus über 1.000 Kommentaren geerntet. Innerhalb dieses Shitstorms waren keine ernsthaften Argumentationen mehr möglich, es kamen aber einige Fragen immer wieder auf. Die möchten wir heute noch kurz beantworten, bevor wir die WM ziehen lassen (hoffentlich).

Von Simone Rafael

1. Was ist denn an dem Tanz rassistisch?

Der Tanz an sich war nicht rassistisch. Er war aber geschmacklos, unüberlegt und überflüssig, und wertet die Gegner ab. Das sollten die Spieler einer Mannschaft nicht nötig haben, die

a) Weltmeister sind.
b) für Fairplay einstehen sollten, auch außerhalb des Sports.
c) sich ihrer Vorbildfunktion dieser Tage durchaus bewusst sein sollten.

Abwertung anderer – ich fühle mich besser, weil ich Dich mies mache – ist der erste Schritt zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, wie Rassismus, Beharren auf Etabliertenvorrechten, Sexismus, Behindertenfeindlichkeit usw.

Schöner wäre eine Freude am Gewinn ohne Häme. Wie auch bei der Weltmeisterschaft Freude an schönen Fußballspielen schöner ist als Feier von Nationalismus.

Rassistisch ist höchstens die Bezeichnung „Gaucho-Dance“. Denn“Gaucho“ wird hier nicht in neutraler Verwendung genutzt, wie das vielleicht argentinische Cowboys für sich tun. Deshalb.

Dazu ist das Bild des aufrecht gehenden (marschierenden?) Deutschen gegenüber dem kriechenden Verlierer vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte zumindest ungeschickt und missverständlich: Vermutlich war nur „traurig“ und „fröhlich“ gemeint. Aber es bleibt missverständlich und zumindest ungeschickt.

2. Die anderen sind auch rassistisch / machen sich auch über Verlierer lustig, und da sagt keiner was.

Doch. Rassismus und Abwertung sind leider kein deutsches Phänomen, sondern weltweit verbreitet. Und weltweit problematisch. Etwas anderes werden Sie von uns nie hören.

3. Da waren auch Spieler mit Migrationshintergrund dabei.

Siehe Frage 2: Abwertung gibt es unter allen Menschen, nicht nur deutschen oder denen mit deutschen Wurzeln.

4. Den Tanz gibt es schon ganz lange / schon Oliver Pocher hat das 2008 gemacht / den gibt es in allen Stadien.

Und das macht es besser? Ernsthaft? Nein.

5. Ich habe mich nach Fußballspielen auch schon über die Verlierer lustig gemacht, das ist Teil des Spaßes!

Ernsthaft? Na, für uns ist Abwertung kein Spaß. Siehe oben.

Aber das ist vermutlich ein Grund, warum sich viele zu diesem Thema so aufregen: Weil es plötzlich das eigene Leben tangiert. Dann ist die erste Reaktion oft Abwehr. Wir hoffen aber auf spätere Reflektion.

5. Warum darf man nicht einfach mal feiern?

Darf man. Die Feier war toll, die Weltmeisterschaft und die Leistung der Mannschaft war es auch. Übrigens waren wir auf der Fanmeile. Wir haben eine offene, fröhliche, ausgelassene Stimmung unter glücklichen Fußballfans erlebt, die sehr schön war und Menschen aus anderen Ländern, etwa die vielen Berlin-Touristen, die sich das Event auch nicht entgehen ließen, mit einschloss.

Trotzdem werden wir immer kritisieren, wenn etwas schief läuft. Nicht, um das Event madig zu machen, sondern um die Aufmerksamkeit auch auf Bruchstellen im demokratischen Konsens zu lenken. Das sehen wir als unsere Aufgabe. Wie sehr wir dafür beschimpft werden, zeigt, wie nötig das ist.

Die Medienreaktionen, die sagen, damit sei die ganze WM entwertet, sind überzogen. Es war eine kleine Entgleisung, aber leider vor Millionenpublikum.

Tatsächlich hätte ich mir deshalb am meisten gewünscht, ein sensibles Management hätte den aufgedrehten Jungs, die sicher zuvor tagelang gefeiert und nicht geschlafen hatten (was nicht immer die besten Ideen hervorruft), zur Seite gestanden und sie von einer solchen geplanten (!) Aktion abgehalten. Bisher hatte die deutsche Mannschaft im Turnier auch im Auftregen und Verhalten einen sehr guten und fairen Eindruck gemacht. Schade, dass sie ihn nun auf der Zielgeraden selbst angekratzt haben.

Update 17.07.2014

Zwei Fragen scheinen noch unbeantwortet:

6. Nur die Deutschen regen sich auf – im Ausland stört das keinen.

In Argentinien reichen die Reaktionen von entspannt bis empört. Die Sportzeitung „Olé“schreibt: „Die Deutschen denken, sie schauen von oben herab. Sie halten sich für eine andere Rasse.“ Auf CNN Spanish heißt es: „Es scheint so, als hätten die Deutschen ihre eigene Art, die Argentinier zu fragen: ‚Wie fühlen Sie sich?'“ Die Tageszeitung „Infobae“spricht von einer „provokativen anti-argentinischen Feier der Weltmeister“, „La Nación“ von einem „polemischen Witz“ (siehe z.B. faz.net).

7. Im Jahr 2008 haben die Spieler das auch schon gemacht und da hat sich keiner aufgeregt!

Dazu empfehle ich den Artikel „Torresgate? So gingen die Deutschen 2008“ von Stefan Niggemeier. Der hat mit einem Blick ins Archiv festgestellt: Schon damals fanden das viele Menschen und Medien gar nicht lustig. Und sogar auch der DFB nicht. Nationalmannschaft-Manager Oliver Bierhoff etwa wird damals angesichts des von Oliver Pocher angeregten Tanzes, der die Spanier verhöhnen sollte: „Wir müssen noch mehr Einfluss und Kontrolle nehmen, was den Ablauf einer solchen Veranstaltung angeht. Das Fernsehen hatte viel vorgegeben, dazu gehörte auch der Auftritt von Oliver Pocher. Bei solchen Auftritten müssen wir künftig darauf achten, dass eine gewisse Seriosität und der sportliche Charakter gewahrt bleiben.“ Hatte er Recht. Hätte er sich nur dran erinnert.

Hank
Hank
10 Jahre zuvor

@Ulf
Die ganze Show war einer der ehrlichsten Momente im Sport?
Und was in der Kabine geschieht bleibt auch in der Kabine, so war es auf jeden Fall früher als ich noch spielte.

Hering
Hering
10 Jahre zuvor

Würde sich irgendeiner aufregen wenn dieser Tanz nach dem DFB Pokalendspiel
2015 aufgeführt wird ? Wenn die Dortmunder singen “ so gehen die Schalker…“
Kein Arsch hätte darüber geschrieben.
nur weil irgendein Spinner 10.000 km weit weg von Deutschland einen Furz macht gibt es wohl bald einen neuen Krieg. Jeder Scheiß Wird von der deutschen Presse aufgenommen um alles schlecht zu reden.
Lasst die doch in Der restlichen Welt schreiben was sie wollen, sind doch eh alles Neider auf das geilste Land der Welt !!!

WALTER Stach
WALTER Stach
10 Jahre zuvor

Robin,
ich habe in einem Beitrag an anderer Stelle hier bei den Ruhrbarone gestern bereits zum „Gaucho-Tanz“ meinen Senf dazu gegeben.
Deshalb hier „kurz und knapp“:

So feiern nun ‚mal Fußballer und Fußball-Fans -von der Kreisklasse bis zur Bundesliga einschließlich DFB-Auswahl; die „Bierdusche“ ist bekanntlich eine der Besonderheiten, die die Fußballer in Deutschland pflegen und die viele Fans „lieben“.

Wer sich daran macht, dieses Verhalten zu erfassen, zu erforschen, zu werten -so oder so-, mag das, um für sich einen Erkenntnisgewinn zu erzielen, tun, nur kommt er damit dem Fußball, den Spielern und den Fans nicht näher; die sind nun ‚mal so wie sie sind.
Das bezieht sich genaus so auf all die angestrengt wirkenden Bemühungen, die WM im allgemeinen, den Gewinn der Weltmeisterschaft durch die DFB-Auswahl, alles das was vorher, was während und was unmittelbar nach der WM registriert wurde, „ideologisch zu überhöhen“; für mich als Fußball-Fans ist das alles Unsinn.

Robin,
sh.-5-DER,DER……….

Wird der FC Bayern dank „seiner Weltmeister“ in der Saison 2o14/2o15 für alle anderen Bundesligisten, den BVB eingeschlossen, „noch weiter -unschlagbar-vorne weg sein als das bereits 2o12/2o13, 2o13/2o14 der Fall war?

Wie siehst Du die Verstärkungen seitens der beiden Ruhrgebiets-Bundesligisten BVB/S04?

Also, Robin, im Sinne von DER,DER……“mach ein anderes (Fußball-)Fass auf!

PS:
Ich erinnere mit (schwach) daran, vor einiger Zeit ‚mal irgendwo ein Interview mit einem Sportpsychologen(?) gelesen zu haben unter der Überschrift:
„Der Fußball kennt keinen Humor“! Ist ‚was dran, meine ich.
Aber:sh.oben im 3.Absatz meines Beitrages und vor allem: sh.meine Anregung zum Schluß.

Björn Wilmsmann
Björn Wilmsmann
10 Jahre zuvor

Stimmt. Die Reaktionen sagen eine ganze Menge über die deutsche Gesellschaft und insbesondere die die deutschen Medien aus.

Die Aktion selbst zeugte von schlechtem Stil, was man auch zu Recht kritisieren kann. Was aber in Medien und sozialen Netzen daraus gemacht wurde, ist geradezu surreal.

Da wurde der hässliche Deutsche hinauf beschworen, der sich in kriegergleichen Triumphgesten – typisch teutonisch – über den Rest der Welt erhebt. Fremdenfeindlichkeit, deutsche Überheblichkeit, Chauvinismus waren nur einige der Eigenschaften, die Journalisten zu erkennen glaubten. Dabei zeigte diese Einschätzung vor allem, wie verdreht diese Journalisten die Welt sehen und darstellen:

Man stürzte sich eifrig auf eine unbedachte Handlung von ein paar Sportlern, die sich hier nicht von ihrer besten Seite gezeigt haben und davon mit Sicherheit etwas für die Zukunft lernen können. Aber dass so etwas dann fast zu einer Staatskrise aufgebauscht wird, während die wirklich wichtigen Dinge nur allzu oft unter den Tisch fallen, ist erbärmlich und wirft ein bezeichnendes Licht auf die deutschen Medien.

Deren Vertreter gerieren sich gerne als moralische Instanz, handeln dabei aber schlicht nach Angebot und Nachfrage: Sie geben dem Markt wonach er verlangt. Und die Nachfrage nach Themen, über die man sich so richtig schön empören und dabei kräftig aufstampfen kann, ist leider sehr groß. Dass das woanders nicht grundsätzlich anders ist, zeigt der Beitrag eines argentinischen Radiokommentators, der in dem Zusammenhang von „ekelhaften Nazis“ redet. Berechtigte Kritik hätte man auch gelassener und konstruktiver ausdrücken können. Hier geht es aber eben leider nicht um Kritik, sondern darum, Empörung in Aufmerksamkeit und Reichweite umzumünzen. Nichts weiter. Moral als Vorwand für Werbeeinnahmen.

Dann wären da noch die ganzen #Aufschreier in den sozialen Medien. Hier kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass vor allem diejenigen sich über die Angelegenheit echauffiert haben, die während der WM gar nicht oft genug demonstrativ kund tun konnten, dass sie ja keinen Fußball schauen. Ja, es gibt viele deutlich wichtigere Dinge als Fußball. Aber sich über Fußball aufzuregen und sich für etwas besseres zu halten, weil man keinen Fußball guckt, gehören nicht dazu. Manch einer sollte sich mal überlegen, ob er seine Zeit nicht sinnvoller verwenden kann, als Shitstorms zu nichtigen Aufregerthemen zu produzieren.

Zuletzt gibt es da noch die Fraktion ‚Das wird man doch wohl noch sagen dürfen.‘, die sich jetzt wieder herrlich darüber aufregt, dass Deutsche nicht nur nicht sagen dürfen, was sie wollen, sondern nicht mal mehr feiern dürfen, wie sie wollen:

Menno! Zum auf den Boden stampfen! Als nächstes verbieten die uns noch Helene Fischer!

Auch diese Fraktion fügt sich nahtlos in die kleinbürgerliche deutsche Empörungswirtschaft ein. Wenn es die nicht gäbe, könnte man Themen nur halb so gut hochkochen und müsste am Ende noch seinen Arsch hochkriegen und sich um wirklich relevante Dinge kümmern.

Rambow
10 Jahre zuvor

#11: „die sind nun ‘mal so wie sie sind“. Entschuldigung. Was ist das denn für ein unqualifizierter Satz? Auf dieser Ebene ist dann wohl jedes menschliche Verhalten zu rechtfertigen. Sehr gefährlicher Argumentationsansatz, Herr Stach.

Und zum Thema, dass dieser Tanz auch bei anderen Spielen aufgeführt wird. Freude auf Kosten des Verlierers auszuleben ist nicht schön, aber durchaus hinnehmbar. Das Problem in diesem Fall (das viel zu selten erwähnt wird) ist, dass es eben nicht heißt „So gehen Argentinier, Argentinier, die geh’n so“, sondern „Gauchos“. Dadurch bekommt der Gesang eine völlig andere Qualität, die tatsächlich in problematische Bereiche reinreicht, da hier nicht die Nationalmannschaft eines Landes benannt wird. „Gauchos“ in diesem Zusammenhang ist nicht in einer lexikalischen Bedeutung zu lesen, sondern als vorurteilsbesetzter Begriff (ähnlich etwa „Bauer“). Hier wird (wissentlich oder nicht) Argentinien als unterentwickeltes Land dargestellt. Und da wird es wirklich hässlich.

Jens
10 Jahre zuvor

@Rambow:

Das wird jetzt meiner Meinung nach zum ersten Mal interessant, denn ich habe mich auch schon gefragt: Ist die Verwendung des Begriffs „Gauchos“ ggf. problematisch?

Das man Gauchos genutzt hat ist ja fast klar (da deutlich kürzer und dadurch besser zu singen), aber ich habe bei einer Minimal-Recherche nichts gefunden, wonach die Bezeichnung eher zu unterlassen ist. Selbst in diversen Medien wurde (vor dem Spiel gegen Argentinien) von den Gauchos gesprochen. Ich sehe das insofern fast wie die Cowboys, Yankees, Tommies oder ähnliche Bezeichnungen.

Sarcast
Sarcast
10 Jahre zuvor

Lasst und denn Fußball abschaffen und wie Randy March am 26. 09. 2012 in South Park „Sarcastaball“ einführen – einen Luftballon statt Fußball, damit niemand verletzt werden möge, gegenseitiges Umaramen der Mannschaften und nur noch Gewinner am Ende jeden Spiels, weil „Verlierer“ demütigend ist.

Rambow
10 Jahre zuvor

@ Jens. Wenn in Deutschland US Amerikaner als „Cowboys“ bezeichnet werden, hat das in nahezu jedem Fall ebenfalls etwas Abwertendes. Siehe Bush, dessen Vorgehen gerne als „Cowboy-Manier“ bezeichnet wurde. Bei „Tommies“ bin ich mir nicht wirklich sicher. Zumindest sind alle Ausdrücke ähnlich wie „Krauts“ zu werten. Nett ist das auch nicht.

WALTER Stach
WALTER Stach
10 Jahre zuvor

Rambow,
„gefährlicher Argumentationsansatz“……….????

Ja,ja, das paßt exakt zudem, was mich als Fußball-Fan „nervt.“

Ich habe doch lediglich „aufgeschrien“ angesichts der Hype im Land, angesichts der Soziologen, Psychologen und all der Laien, die sich diesen Zünften zurechen, aber auch angesichts der auflagen-/quoten“geilen“-sorry-Medien nebst sommerloch-nutzender Poltiker: „Fußball-Fans -mich eingeschlossen-sind wie sie sind“ – und das wollen wir bleiben -mit allen unseren unterschiedlichen Fan- Macken. Fans lieben (!!)ihren Sport und ihren jeweiligen Verein. Und so soll es bleiben. Solange wir Fans dabei nicht gemeingefählich agieren, sollten Nicht-Fußball-Fans uns in Ruhe lassen und uns akzeptieren wie wir nun einmals sind einschließlcih all der verschiedenen Fan- (und Spieler) Macken, die nicht immer die meinen sind.

„Ein gefährlicher Argumentationsansatz“?????

Gefährlich ist weder der Fußball, noch sind es seine Spieler, noch sind es seine Fans, noch ist -im Regelfall-ihr Verhalten, folglich ist auch nicht der „Aufschrei“ eines Fans als „Argumentatsionsansatz“ gefährlich.

Im übrigen nehme ich, wie hier bei den Ruhrbaronen bekannt, wenn ich etwas von gesellschaftspolitischer Relevanz halte, wenn ich etwas für gefährlich halte , beinahe jede Gelegenheit war, mich argumentativ mit Mitdiskutanten auseinanderzusetzen -aktuell z.B. in Sachen „Freiheit“. Und dann selbstverständlich in der Sache engagiert- argumentativ auch mit Aussagen wie der, ich hätte einen gefährlichen Argumentationsansatz gewählt, was so bzw. sinngemäßt so oder so ähnlich dann und wann schon vorgekommen ist.
Aber jetzt und hier……….???

Hoffentlich findet Robin Patzwald bald(!!)Zeit und Gelegenheit, meinem Fan-Vorschlag -11- nachzukommen und kommentiert das, was Fußball-Fans jetzt interessiert, nämlich die Vorbereitung, die Spekulationen im Zusammenhng mit der Bundesliga-Saison 2o14/2o15.

Thomas Weigle
10 Jahre zuvor

Völlig richtig Walter Stach Ich fang da schon mal an. Kann die SGE mit Trainer Schaaf und dem bis dato nicht wesentlich verstärkten Kader die Klasse halten? Wird sie wie schon so oft in Dortmund abgewatscht werden? Wird ihr zur Freude aller BVBler in der großen weißblauen Bierschüssel ein Punktgewinn gelingen?

Thorsten Stumm
10 Jahre zuvor

Ich für meine Teil bin sehr froh, dass die deutsche Öffentlichkeit so reagiert wie sie reagiert…und der PC und dem auch hier aufkeimenden Belehrungsjournalismus einen Vogel zeigt…..

Nansy
Nansy
10 Jahre zuvor

#21: „Belehrungsjournalismus“ gefällt mir 😉

Vielleicht hilft auch dieser Beitrag der FAZ:
http://www.faz.net/aktuell/politik/fraktur/fraktur-zum-fuerchten-13051083.html

Zitat: „…der DFB will ja nur noch öffentlich feiern, wenn es ein Land gibt, das wir öffentlich demütigen können. Unsere Fußballer hätten wieder deprimiert wie die Gauchos in den Urlaub gehen dürfen. Und wir restlichen Deutschen hätten uns weiter daran erfreuen können, was für herrlich verklemmte, humorlose und bis in die Haarspitzen hinein politisch korrekte Weltbürger wir doch sind. Also richtig zum Fürchten.“

KClemens
KClemens
10 Jahre zuvor

Nein, nicht Millionen Menschen fanden den Tanz „unerträglich“.

Ein paar Journalisten in einigen Medienhäusern fanden das unerträglich.
Mal wieder das Problem mit „öffentlicher Meinung“ und „veröffentlichter Meinung“.

Bei SPON kamen mehrheitlich nur Kritiker, teilweise in übelster Manier zu Wort. Kritik an den Kritikern kam nur gelegentlich zu Wort. Mir ist es z.B. mehrfach nicht gelungen, besonders „kritische“ Meinung zu dem Tanz zu kommentieren.

Das dürfte anderen ebenfalls nicht gelungen sein.

Und die Mehrheit der Posts kam von Nicks, die schon seit Jahren angemeldet waren, aber nicht mehr als eine Handvoll Posts veröffentlicht haben, oder aber ganz neu angemeldet waren.

So macht man dann eben „Millionen Kritiker“, in dem man die anderen nicht zu Wort kommen lässt.

Es ist schon erstaunlich, was Medien selbst so unter freier Meinungsäußerung verstehen.

abraxasrgb
abraxasrgb
10 Jahre zuvor

#21 gut geschrieben!

Ich halte Fußball für einen neo-tribalistischen Kult mit atavistischen symbolischen (Farben, Kriegsbemalung, Fahnen, Gesängen, Uniformen-Trikots etc.) Stellvertreterkämpfen. Stadien heissen heute ja auch wieder „Arenen“, die dort spielenden sind so technisiert, wie Gladiatoren. Na und?

Ich habe mir nicht ein Spiel angesehen, mich lässt Fußball völlig kalt, aber den kurzen Auftritt der Fußballer aka Goucho-Tanz habe sogar ich durch die Medien mitbekommen, weil es immer ein paar Leute gibt, die anderen vorschreiben wollen, wie sie sich zu freuen haben. Hey, davon geht die Welt nicht unter! Man muss es nicht mögen, um es einfach hinzunehmen, das euphorisierte Fußballer nicht dem eigenen Habitus genehm ihren Sieg feiern.

Einfach mal Fünfe gerade sein lassen, kann der prinzipienreitendes Moralisten-Michel nicht, Spaßbremsen.

Wirklich degoutant ist die öffentliche Kritik in Argentinien an der Präsidentin, die offen zugegeben hat, dass sie keines der Spiele gesehen hat und sich nicht für Fußball interessiert 😉

Jens
10 Jahre zuvor

@Rambow (16):
Ja, das das nicht „nett“ ist, das unterschreibe ich sofort.

Nur wo war der Aufschrei von FAZ, taz, Ruhrbarone und SPIEGEL Online, als in der Sportschau das Spiel gegen die Gauchos angekündigt wurde?

Sprich: Wenn man sich jetzt im Nachhinein über das Wort „Gauchos“ aufregt, dann hätte man das doch bitte auch vorher machen müssen. Und übrigens: Ich rege mich nicht über Bezeichnungen wie „Krauts“ oder „Teutonen“ auf. Kommt halt immer auf den Kontext an. War ja kein Außenministertreffen oder die Jahrestagung der Diplomatie.

@Robin Patzwaldt (17):
Jetzt wird Deine Argumentation gefährlich!
Ich habe beispielsweise sehr wohl Deinen Text gelesen. Ich habe auch verstanden, was Du sagen willst. Nur: Ich teile die Aussagen nicht. Jetzt zu behaupten, dass die Kommentatoren ihn nicht verstanden oder gar nicht mal gelesen haben, ist schon … nun ja …
Man kann auch andere Meinungen akzeptieren, selbst wenn man sie nicht teilt.

Ich beispielsweise kann verstehen, wenn einige – insbesondere aus Kreisen, die eher weniger im Stadion sind (das bezieht sich jetzt primär auf einige der „großen“ Medien) der Meinung sind, dass der Tanz negativ ankommt. Nur teilen muss ich das nicht.

WALTER Stach
WALTER Stach
10 Jahre zuvor

-20-Thomas Weigle
Ja, das war doch schon ‚mal der Anstoß für uns Fußball-Fans, sich ab sofort dem zuzuwenden, was „ab sofort (Fußball-)Sache ist“: Bundesliga!!

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