Wo bleiben eigentlich die Iran-Demos?

Vor einem Jahr demonstrierten Tausende wegen des Gaza-Krieges gegen Israel. Gegen das Regime des Irans das Demonstranten erschießen lässt und Gefangene foltert rührt sich kaum Protest. Dafür gibt es natürlich gute Gründe.

Im Moment sterben junge Muslime – wie viele weiß niemand genau. Viele von ihnen verschwinden auch ganz einfach und tauchen nie wieder auf. Vor einem Jahr war der Tod von Muslimen für tausende ein Grund auf die Straße zu gehen. Ob Berlin oder Gladbeck – in zahlreichen Städten liefen Demonstranten hinter Hamas-Fahnen her, hörten sich Allah ist groß Rufe an und verteilten Flugblätter. Das dabei immer mal wieder die Vernichtung aller Juden oder der Aufbau einer islamischen Diktatur gefordert wurde störte kaum jemanden, denn die Demonstrationen hatten den richtigen Feind: Amerikaner und Juden, so ganz allgemeine der Westen – wenn es gegen die guten, alten Traditionsgegner geht, lässt man schon mal alle Fünfe gerade sein.

Gegen das Regime von Ahmadinedschad auf die Straße zu gehen ist weit weniger attraktiv. Zum einen ist der Mann ja nun weder Jude noch Amerikaner. Den Westen mag er auch nicht. Im Gegenteil: Die Wirtschaftskrise sieht er als Beleg für den nahen Untergang von Demokratie und Marktwirtschaft, er ist ein guter Kumpel von Hugo Chavez und rasselt gerne einmal mit dem Säbel wenn es um Israel geht. Irgendwie kein richtig schlechter Typ. Gegen den demonstrieren?

Und dann die Demonstranten: Für solche Gestalten geht natürlich niemand in der Kälte vor die Tür. Es sind Langeweiler. Sie fordern Meinungsfreiheit und korrekte Wahlen. Sie sprengen sich und andere nicht in Flugzeugen, Bussen oder Bistros in die Luft und wollen auch keine hirnrissige Theorie verwirklichen, die sich irgendwer im Hinterzimmer ausgedacht hat. Die Menschen, die im Iran auf die Straße gehen wollen einfach nur mehr Freiheit, weniger Angst und ihr Leben selbst bestimmen. So Leute unterstützt man nicht. Da wartet man lieber noch ein wenig: Wenn in ein paar Tagen oder Wochen die USA Terrorcamps im Jemen angreifen stimmt der Gegner endlich wieder.

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Helmut Junge
Helmut Junge
14 Jahre zuvor

Weißt du Stefan, ich sag jetzt mal du in der Neujahrsnacht, also weißt du, daß mir nicht klar ist, was im Iran das Volk ist?
Wenn die, die bisher in Erscheinung getreten sind, wirklich die Mehrheit sind, werden sie es auch ohne meine Solidarität, die sie ja durchaus haben, beweisen können. Das, was Sie planen, müssen sie ohnehin ohne dich und ohne mich riskieren. Wenn sie diesen Weg gehen, der kein Zuckerschlecken sein wird, wird die internationale Solidarität schon erwachen.
Außerdem ist jetzt 3 Uhr28 am 1.Januar 2010, es liegt Schnee auf der Straße, etc. Hugo Chavez wird sich auch mit dem Nachfolger von Ahmadinedschad einigen können,usw.

Hannes
14 Jahre zuvor

Schön, dass Du das Thema aufgreifst. Ich sitze, was den Iran angeht, hinter den Fichten. Ich kenne zur Zeit niemanden mehr persönlich, der mir Informationen über die Vorgänge >>im<< Iran geben könnte, die Kontakte sind abgebrochen. Manchmal gucke ich noch auf die Website https://www.iranian.com

Wenn Du dort stöberst, wirst Du sehen, dass die Demonstranten mitnichten „Langeweiler“ sind.Ich habe Angst davor, dass „wir“ die Muslime nur noch als amorphe Masse wahrnehmen.

Im Iran und außerhalb des Irans leben viele „aufgeklärte“ Muslime.

Mit denen muss man meiner Meinung nach zusammenarbeiten(wie auch mit den aufgeklärten Menschen anderer Religionen).

Soweit erst einmal …

dosron
14 Jahre zuvor

Ein sehr interessanter Kommentar von Navid Kermani über die Proteste im Iran.
WDR5 Politikum
(mp3, 2. Wortbeitrag)

unbekannt
unbekannt
14 Jahre zuvor

hallo freunde,
es geht mir wirkllich schlecht.Es ist furchtbar.Viele Leute sterben und kann niemanden etwas tun. Ich bin erstaunt,warum hilft niemand diese junge Leute.Wo bleibt obama oder andere Laender?
Wir im Iran koennen nichts mehr tun,als sterben,ich meine,mit Demonstrationen wird nichts aendern.sie haben Waffe,sie haben erlaubnis alles unmoralisches zu tun,aber die junge Leute,duerfen nicht einmal auf der Strasse laufen. Hier ist alles Gruen,aber wo beleibt eigentlich die gruene Lichtquelle.Bitte tun Sie etwas. diese Leute tun mir wirklich leid.Alle Sterben umsonst…

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[…] Iran: Wo bleiben die Demos? … ruhrbarone […]

Frank
14 Jahre zuvor

Hallo Stefan,
recht hast Du!

In Berlin und anderen Großstädten gab es heute die erste Demo (Lichterkette) gegen die Gewalt des iranischen Regimes.
https://newsticker.welt.de/?module=dpa&id=23436350

Ich vermisse auch Nachrichten, warum hört und liest man nichts mehr?

Franz
Franz
14 Jahre zuvor

@Frank. Nachrichten brauchen auch mal Pause. Die feiern auch Weihnachten und Neujahr.

Lies lieber blogs und Agenturen. Da erfährt man auch von Friedensmärschen in Pakistan, von der Solidarisierung von Sunniten mit Schiiten. Die anderen Medien machen nur Bomben.

David Schraven
Admin
14 Jahre zuvor

Stefan,

Demos hier sind fast immer eurozentristisch. Die Leute denken, wenn sie in Wanne Eickel auf die Straße gehen, könnten sie etwas in Israel verändern. Und ein wenig stimmt das ja auch, weil Israel die Solidarität Europas braucht, um überleben zu können.

Anders in Iran. Auf die Lage dort hat eine Demo hier keine Auswirkungen – überhaupt keine. Da hat es nicht mal Auswirkungen, wenn Obama demonstrieren geht.

Trotzdem passiert dort sehr viel. Mehr, als wir ahnen, denke ich. Dieses Jahr kann sich die Situation am Golf deshalb radikaler verändern, als es in den vergangenen dreißig Jahren erhoffbar war. Der Wind des Wandels weht wieder. 🙂

Und im Iran kann er zur Demokratie führen.

Detlef Obens
14 Jahre zuvor

Im Sommer des Jahres 1967 anlässlich des Staatsbesuches des iranischen Staatsoberhauptes, dem Schah und seiner Frau Farah Diba, gab es massive Demonstrationen, die politisch bis in die Gegenwart gewirkt hatten und haben. Sie waren auch Teil der Ouvertüre, die dazu führte, das der Schah 1979 mit seiner Familie das Land in Richtung USA verlassen musste. Die iranische Revolution hatte ihren Höhepunkt damit erreicht, und mit der Rück-und-Heimreise des aus Paris kommenden Ayatollah Khomeini. Das iranische Volk, welches auch schon unter dem Schah-Regime vielfältigen Repressionen ausgesetzt war, hatte nun einen islamischen Gottesstaat und die Kaiserfamilie vertrieben. Und es hatte die Hoffnung auf Freiheit, Demokratie und Menschenrechte. 2009 aber steht das iranische Volk wieder auf den Strassen Teherans und ruft seine Verzweiflung in die Welt.Über Twitter,über Handy und andere Schleichwege erreichen uns Nachrichten, die ahnen lassen, wie sehr die nach Freiheit dürstenden Menschen leiden. Ich unterstütze Deinen Bericht, Stefan, und wundere mich auch, wo der Aufschrei der Deutschen bleibt. Die Deutschen, ein Volk mit einer tragischen Geschichte, die zur Teilung der Nation führte und zur glücklichen Überwindung dieser Teilung, die deutsche Geschichte verursacht hatte. Gerade Deutsche sollten sensibel sein dafür, wenn Menschenrechte mit Füssen getreten werden. 1967 sind mutige StudentenInnen in Berlin auf die Strasse gegangen um dem Schah ihre Verachtung zu demonstrieren. 2009 und 2010 bleibt alles still….alles ruhig! Ich wünsche dem iranischen Volk das Leben und das Glück, welches es sich ersehnt. Als Linker bedaure ich, das die NRW-Linkspartei bei jeder israelischen Aktion–die auch ich nicht immer gut heisse–aufschreit, aber bei einem Despoten wie dem iranischen Staatschef nicht ein klares, wenn schon nicht mutiges, Wort verliert. Aber auch da hoffe ich auf Einsicht. Menschenrechte sind nicht teilbar in politische Ideologien und / oder befreundete und nicht-befreundete Staaten! Ich hoffe, IHR berichtet weiter über die Lage im Iran!

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