
Essen. Mittwoch, 16. April 2025, 18.32 Uhr. Ich freue mich darauf, das Eintreffen meines Vereins Skeptix zu besuchen. Um 19 Uhr sind wir verabredet. Ich freue mich, in meiner Örtlichkeit am Kennedyplatz zu sein. Das wird bestimmt toll, denke ich mir, als ich im Auto sitze und einparken will. Ebenfalls sehe ich zwei Mitarbeiter des Ordnungsamts Essen. Was ich jedoch nicht kommen sehe, war, was dann passierte. Es ist eine Posse – und andererseits ein Lehrstück darüber, was in Deutschland möglich ist und was Menschen hier gerne tun, wenn es nur Gesetzescharakter hat.
Ich fahre ein E-Auto. Man mag zu E-Autos stehen, wie man will. Ich mag E-Autos. Ich mag Fortschritt. Ich mag es zu sehen, was heutzutage alles an Technik möglich ist. E-Autos müssen geladen werden. Dafür gibt es neben der Möglichkeit, dies zu Hause an extra installierten Steckdosen zu tun, auch öffentliche Zapfsäulen. Man fährt heran, steckt das Auto an, lässt es eine Weile stehen und fährt weiter. Am Kennedyplatz befindet sich so ein Ort. Man kann dort für bis zu vier Stunden parken, während man das Auto lädt. Genau dorthin begab ich mich mit meinem Auto und wollte – man ahnt es – parken, laden und nach dem Vereinstreffen wieder wegfahren.
Als ich in die Parkbucht fahre, kommt ein Mitarbeiter des Ordnungsamts auf mich zu und sagt: „Sie können hier nicht parken.“ Mich ärgert an solchen Aussagen tatsächlich schon, dass sie einfach inhaltlich falsch sind. Natürlich kann ich hier parken. Seiner Meinung nach darf ich es aber nicht. Ich habe wenig Interesse an Eskalation und sagte: „Doch, darf ich.“ Woraufhin er entgegnete: „Nein, Sie haben kein E-Kennzeichen.“ Ich wiederum dachte, dass der leicht überschwängliche Herr meint, ich wolle mit einem Verbrenner parken. Deswegen sagte ich, dass ich sehr wohl ein reines E-Fahrzeug habe, öffnete die Ladeklappe und wies ihn darauf hin. Daraufhin wiederholte er, dass ich kein E-Kennzeichen habe.
Das stimmt. Ich habe kein E-Kennzeichen: Ich habe ein Kennzeichen ohne „E“ am Ende. Das kam so: Ich war beim Straßenverkehrsamt. Man fragte mich, welches Kennzeichen ich haben wolle. Ich sagte, dass ich gerne mein bisheriges Kennzeichen fortführen würde, aber wisse, dass nach dem Ortsnamen schon fünf Buchstaben kämen. Man informierte mich, dass ich kein E am Ende haben müsse – und dass es egal sei, ob man eines habe oder nicht. So hatte ich dann also keines.
All das erzähle ich dem Herrn, zu dem mittlerweile sein ebenfalls autoritär lächelnder Kollege hinzugestoßen ist. Der sagt, dass ihn das alles nicht interessiere. Diese E-Ladesäulen seien nur für Autos mit E-Kennzeichen. In angestrengtem Ton teile ich ihm noch einmal mit, dass ich ein reines E-Auto habe und auch ein E-Kennzeichen hätte haben können. Er entgegnet, dass er das sehe, verstehe – und dass es ihm egal sei, wenn das Gesetz es anders sage.
Ich frage ihn, welchen Sinn dieses Gesetz haben solle. Er geht nicht darauf ein.
Ich sage, dass ich mein E-Auto jetzt hier stehen lasse und lade, und er mir dann meinetwegen einen Strafzettel geben solle, könne, wie auch immer. Beflissen springt nun der zweite Mitarbeiter zur Hilfe – allerdings nicht zur Hilfe des Bürgers, der ich ja bin und sein Gehalt bezahle, und für den er ein Dienstleister ist – und teilt mir mit, wenn ich mein Auto an die Ladestation anschließe, werde er den Ladesäulenbetreiber anrufen, mein Auto abstöpseln und abschleppen lassen.
Ich stand ziemlich konsterniert da, schaute ihn an und sagte: „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst?“ Beide Herren lächeln und nicken. Sie führen ja nur Gesetze aus. Gesetze, bei denen ihnen augenscheinlich bewusst ist, dass sie wenig sinnhaft sind, die aber nun einmal Gesetze und Verordnungen sind. Und damit sind sie wahr und richtig. So muss es sich ihnen wohl darstellen.
Ich sage, dass ich das nicht glaube und dass ich eigentlich jetzt die Polizei anrufen würde. Ich komme mir dabei ziemlich lächerlich vor. Mir wird entgegnet, dass ich das ruhig tun solle. Da würde man mich dann ja aufklären. Und dann sehe ich mich dabei, wie ich genau das tue, während die beiden Herren grinsend eine weitere Runde drehen. Ich rufe die Polizei an.
Direkt zu Beginn des Telefonats teile ich der Dame mit, dass es sich nicht um einen Notruf handelt und ich sofort auch woanders anrufen würde, wenn sie mir sagt, dass ich bei ihr falsch bin. Ich schildere kurz die Situation und ende damit, dass ich nun aufgefordert sei, dort nicht zu laden. Die Polizistin ist freundlich und sagt sofort, dass sie dieses Verhalten nicht nachvollziehen könne und ich dort natürlich meinen Wagen laden dürfe. Dann schweigt sie kurz und sagt, dass sie einmal in den Gesetzestext schauen werde. Sie schweigt etwa 10 bis 20 Sekunden und teilt mir dann, hörbar konsterniert, mit, dass juristisch gesehen die beiden tatsächlich recht hätten. Man dürfe eine solche Ladesäule nur nutzen, wenn man ein E-Auto und ein E-Kennzeichen habe. Nur „im Notfall“ dürften auch Autos ohne E-Kennzeichen dort stehen.
Sie ist irritiert, ich auch. Ich bedanke mich bei ihr. Sie bittet um Entschuldigung für die Situation, ich bitte um Entschuldigung, dass ich die Notrufnummer gewählt habe. Sie sagt, das sei völlig in Ordnung gewesen.
Lange Rede – was tue ich also? Ich parke um. Auch wenn die beiden Arme des deutschen Rechts weit und breit nicht zu sehen sind. Ich hatte schlicht keine Lust, am Abend durch Essen zu gurken, um mein Auto von einem Betriebshof abzuholen.
Als ich später Vereinskollegen davon erzähle, höre ich, dass man so etwas schon gehört habe. Ein Kollege hat erlebt, wie ein Tesla (ich habe keinen) an solch einer Säule abgeschleppt worden sei. Außerdem berichtet er mir, dass es Hybridautos mit E-Kennzeichen gebe, obwohl diese nun ja deutlich nicht allein auf Ladesäulen angewiesen sind.
Was mich im Nachgang am meisten störte, ist zweierlei: die unverholene Freude der Ordnungsamtmitarbeiter dabei, mir die Welt erklären und mir drohen zu dürfen – und, aus meiner Sicht damit verbunden, der Umstand, dass hier erkennbar ein unsinniges Gesetz durchgesetzt wird. Ich persönlich finde es falsch, Gesetze, deren augenscheinliche Unsinnigkeit man erkennt, freudig – oder auch nicht freudig – durchzusetzen, weil man dazu die Möglichkeit hat.
Und dann war ich wieder allein.
Ich muss viel darüber nachdenken, wie Deutschlands Geschichte im Großen durch deutsches Handeln im Kleinen immer wieder möglich wurde.
Die Deutschen werden sich nie ändern. Hab ich während Corona ausgiebigst erleben dürfen. Sie sind ein gefährliches Volk. Für andere und für sich selber. Egal ob hinter brauner, roter, grüner, schwarzer oder blauer Fassade.