Foto: Mengedoht
Morgens halb elf in Deutschland: Stau in Marl. Die 90.000-Einwohner-Stadt glänzt zwar ohnehin nicht durch intelligente Verkehrsführung, aber heute geht gar nichts mehr an einem der Drehkreuze der Chemiestadt zwischen nördlichem Ruhrgebiet und Münsterland, denn: Praktiker hat einen neuen Markt eröffnet. Anscheinend ist nicht nur ganz Marl auf den Beinen, um Eröffnungs-Schnäppchen mitzunehmen, sondern mindestens noch ein oder zwei andere Ruhrgebietsstädte.
56 Mitarbeiter hatte der Markt – zuvor versteckt in einer Sackgasse hinter dem Straßenverkehrsamt des Vestischen Kreises Recklinghausen – bisher, jetzt sind es 20 mehr. Immherin! Vergrößert hat sich der Baumarkt von 4.000 auf 9.100 Quadratmeter, inklusive eines 2.500 qm großen Gartencenters, 40.000 Artikel gibt es zu ergattern an der Kreuzung Herzlia Allee/Recklinghäuser Straße, dem jetzt wohl exponiertesten Standport der Stadt.
Dazu: Die neue Filiale gilt als einer der modernsten Praktiker-Baumärkte in Deutschland, unter anderem, weil er mit Geothermie gewärmt wird, es ist der erste überhaupt, den das Unternehmen komplett in Eigenregie geplant und auf eigenem Grund und Boden gebaut hat, acht Millionen Euro wurden investiert, plus ein weiterer Millionen-Betrag für das Warenlager.
Aber wieso wollen heute Morgen alle dahin? Ich denke, wir haben Konjunkturkrise? Wieso blockieren dann Zehntausende von Autos schon die Zufahrt zur Stadt, die eigene Erschließungsstraße zum Baumarkt? Ich weiß es nicht – Geiz ist geil? und etliche Leute kommen mit vollgeladenen Einkaufswagen aus dem blitzeblanken neuen Markt –, aber jedenfalls verbringe ich eine geschlagene Viertelstunde damit, auch nur auf den Parkplatz zu gelangen…
Der Baumarkt als Bewegungsziel und das (eigene) Auto als Bewegungsmittel ist das Zentrum deutscher Freizeitkultur, und zwar nicht mehr nur der männlichen. In Kombination mit dem „Schnäppchen“ als Sieg des kleinen Mannes (und der kleinen Frau)im Konsumlebenskampf ergibt sich der von dir beschriebene Fahrzeugstau. Zu einer Zeit, wo Lebensgenießer aller Schichten und Klassen noch das Ohr selig an der Matratze halten.