Oscar ist vor 37 Jahren in Mexiko City geboren. Er kommt aus sehr ärmlichen Verhältnissen, hat es aber in dieser Stadt zu einem abgeschlossenen Studium der Mathematik, der Fotografie und der Literatur gebracht. Ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdienstes DAAD hat ihn dann nach Essen verschlagen. Dort hatte er 2003 auch seine erste Fotoausstellung und wurde Mitbegründer der Galerie Clowns & Pferde.
Aus der geplanten Promotion wurde nichts. Stattdessen gab es zahlreiche Ausstellungen und 2 Kunstpreise von denen ein Fotograf keineswegs leben kann. Seit Jahren arbeitet Oscar deswegen in einer Essener Software Firma um seine Existenz als freier Künstler zu finanzieren. Staatliche Förderung hat er bei seinen künstlerischen Aktivitäten nie bekommen und er findet das ganz normal. Aus der Galerie ist er mittlerweile wieder ausgestiegen, aber er will aus dem Ruhrgebiet nicht weg. Und genau das hatte mich neugierig gemacht.
So trafen wir uns im B3E, bzw. im dortigen Tucholski um dieses Thema bei einem Glas Wein zu vertiefen. Oscar hatte eigentlich nicht vor, ins Ruhrgebiet zu kommen. Aber auf dem Spezialgebiet der Mathematik in dem er promovieren wollte, gab es wenige Professoren, und einer davon hatte seinen Lehrstuhl nun mal in Essen. Es hätte also, nach dem Oskar seine Wissenschaftlerkarriere aufgegeben hatte, zur Förderung seiner weiteren Künstlerlaufbahn genug Grund gegeben, nicht nur diese Stadt sondern die ganze Region wieder zu verlassen.
Warum wollte er nicht das tun, was viele Künstler vor ihm getan haben: dahin zu gehen wo der Kunstmarkt ist, zumindest aber viel mehr andere Künstler. Warum also nicht nach Berlin oder Hamburg, nach Barcelona oder Istanbul wechseln? Zumindest aber nach Köln? Oskar kennt all diese Städte gut. Warum, verdammt noch mal, gerade im Ruhrgebiet bleiben? Die Antwort Oskars war so überraschend wie plausibel: „ Woanders käme ich zu spät. Woanders könnte ich nicht an etwas Neuem mitwirken“.
Hier im Ruhrgebiet wäre zwar die Ausgangslage schlecht, denn die Ruhris wären im Kern alle noch „Zechenkinder“, also relativ kulturfern. Auch die Mittel und Oberschicht. Es gäbe hier einfach nicht genug Publikum um viele Künstler zu ernähren. Aber nur hier könnte deswegen auch eine ganz neue „Kulturmetropole“ entstehen. Von unten sozusagen, aus der Diaspora heraus. Die, die hier künstlerisch tätig wären, müssten sich dazu allerdings räumlich verdichten und endlich Abschied von ihren lokalen Fördertöpfen nehmen.
Ein Künstler der weniger Förderung fordert? Ich war erneut überrascht. „ Weil sie letztlich das Niveau senkt“, war die Antwort. „ Die Kunst muss sich am Markt bewähren, auch die aus dem Ruhrgebiet. Nur so kann sie auf Dauer mit den wirklichen Metropolen mithalten“. Es wäre eine Art lokaler Fördersumpf entstanden der mit wenigen Ausnahmen zu einer Art „provinziellem Inzest“ geführt hätte.
Das fand ich auch als Nichtkünstler überzeugend. Wir kamen beide zu der Ansicht, dass genau diese lokale Zersplitterung der Kulturszene das Zusammenwachsen der Kulturmetropole Ruhr verhindert. Dass sie, wenn das so bleibt, wohlmöglich nie entstehen würde, obwohl sich z.B. die Urbanen Künste Ruhr genau darum bemühen würden. Aber Oskar ist der festen Überzeugung, dass man es zumindest versuchen muss, denn woanders ist mittlerweile der Platz für die künstlerische Erneuerung zu eng und viel zu teuer geworden.
Oskar Ledesma eröffnet morgen (7. Juni ) seine letzte Ausstellung in der Galerie Clowns & Pferde:
Imaginary Black Forest / El secreto del Mal
Sven Piayda / Oscar Ledesma
Fotografie, Malerie, Video, Performance
7.Juni – 28. Juni 2013
Programm.
7. Juni 19 Uhr – Vernissage.
Juni 20 Uhr – Somekilos & J.Hendricksen (electronica with spoken-words)
https://www.facebook.com/events/377991295655484/
Weitere Information zu Oskar Ledesma: www.oscarledesma.net
Das Gesagte kann ich aus eigener Erfahrung unterschreiben. Man darf die Vorteile einer Diaspora-Situation nicht unterschätzen. Das hat Oskar Ledesma gut erkannt. Einmal abgesehen von den Nachteilen, wie kulturfernes Umfeld, regionaler Fördergeld-Sumpf und lokale Zersplitterung; dazu gehört auch noch eine überregional ignorierte Medienlandschaft, kleingeistige Kirchturms-Politik sowie ein schlechtes Nahverkehrssystem, das ein Zusammenwachsen der Region verzögert, so bietet das Ruhrgebiet den angehenden Künstlern doch große Chancen, da die künstlerischen Erwartungen hier nicht sonderlich hoch sind, sich der soziale Einfluss von sogenannten Grosskünstlern in Grenzen hält und man mehr oder weniger auf sich allein gestellt ist. Unter solchen Bedingungen kann man künstlerisch zu sich selbst finden.
Hierzu noch ein Link in eigener Sache, da bei den Ruhrbaronen wenig über improvisierte Musik berichtet wird und wenn, dann eher über standarisierte Formen.
3 Ruhries in Mecklenburg (1Bottroper, 1 Oberhausener & 1 Essener)
Neugierig hat mich der Artikel schon gemacht, aber leider kann ich heute nicht bei der Eröffnung dabei sein. Sommergrippe, oder so was. Vielleicht gibt es ja noch einen anderen Termin.
Danke für die Kommentaren. Es gibt noch Program in der Galerie:
14. Juni 20 Uhr – Lila trio
28. Juni 19 Uhr – Finnisage + Performace (Sven + Oscar)
ansonst bin ich da: Fr. Sa, 18:00 bis 20:00
Ich freue mich auf Besucher und Diskutionen!
Clowns & Pferde Galerie
Frankfurter str. 33
45145 Essen.
Öffnungszeiten:
Fr. Sa, 18:00 bis 20:00
und nach Vereinbarung.
Arnold, das war ein guter Tipp. Leider konnte ich erst gestern Abend einen Besuch dort machen, und gestern Abend war schon Finiissage. Darum hatte Oscar Ledesma nicht die Zeit, die für eine umfassende Diskussion notwendig ist.
Trotzdem haben wir ein paar Gedanken austauschen können. Da zeigte sich in wichtigen Bereichen Übereinstimmung, so dass ich sagen kann, dass es trotzdem
ein anregende, wenn auch kurze Unterhaltung war. Die Ausstellung selbst war sowieso sehenswert.
Ich hatte gehofft, Dich dort anzutreffen, dann wäre es sicherlich noch richtig spannend geworden.
Vielleicht werde ich ja ncoh andere Gelegenheiten haben, mit Oscar zu plaudern.
[…] „Woanders käme ich zu spät“– Ein Gespräch mit dem Künstler Oscar Ledesma […]