Gentrifizierung? Am Ruhrgebiet läuft die Debatte um steigende Mieten und aufwendige Sanierungen weitestgehend vorbei. Aber es gibt Ausnahmen – eine ist das Kreuzviertel in Dortmund.
Das erste Mal war ich in den 80er Jahren im Kreuzviertel in Dortmund. Eine Freundin von mir studierte damals dort an der Uni und hatte mich ganz begeistert angerufen. Sie würde jetzt nicht mehr in einer Wohngemeinschaft in Hörde wohnen, sondern hätte eine eigene Wohnung im angesagtesten Viertel der Stadt – dem Kreuzviertel. Astrid zahlte damals für eine kleine 1-Zimmer Wohnung 400 Mark – für deutlich weniger Geld bewohnte ich damals eine komplett renovierte zwei Zimmer Wohnung in Gladbeck-Butendorf, war schon damals so ziemlich das Gegenteil von angesagt war.
Seitdem hat sich grundsätzlich nichts verändert: Das Kreuzviertel ist nach wie vor ein Trend-Stadtteil und liegt preislich deutlich höher beispielsweise die Dortmunder Nordstadt. Es gehört zu den wenigen Stadtteilen des Ruhrgebiets, in dem Mieten von über zehn Euro den Quadratmeter aufgerufen und auch bezahlt werden. In der Nordstadt bekommt man schon für unter fünf Euro ein Dach über dem Kopf.
Das hat den Stadtteil verändert: Studenten können sich das Kreuzviertel und seine zum Teil wunderschön renovierten Altbauten nur noch leisten, wenn sie das Glück haben, eine preiswerte Wohnung einer Genossenschaft oder der städtischen Wohnungsbaugesellschaft DoGeWo zu bekommen.Längst ist das Kreuzviertel eine Hochburg des neuen Bürgertums: Bio-Läden, Designershops, Restaurants und Cafés prägen das Bild. Freiberufler und Akademiker prägen das Bild in dem Stadtteil der passend zur Einwohnerschaft einen grünen Bezirksbürgermeister hat.
Im Kreuzviertel spielt das Ruhrgebiet Prenzlauer-Berg. Nirgendwo ist die Dichte an Bugaboo-Kinderwagen höher als hier und natürlich heißen die lieben Kleinen nicht Chantal oder Kevin sondern Charlotte oder Philip.
Sie und ihre Eltern genießen die Lagevorteile des Quartiers: Man ist schnell in der Innenstadt und flott auf der A40, das Quartier bietet alles an Einkaufsmöglichkeiten für den täglichen Bedarf und wenn der etwas ausgefallener ist, macht das nichts: Auch spezielle Geschmäcker werden bedient.
Das bürgerliche Öko-Idyll wird nur alle zwei Wochen gestört. Dann ziehen die Borussen-Fans durch das Viertel ins nahe BvB-Stadion, aber das stört niemanden, denn die Kreuzviertler sind, wie fast alle Dortmunder, BvB-Fans.
Och, da las ich die Überschrift und freute mich auf einen schönen Artikel von Dir und dann ist es nur so ein kurzer Abriss. Schade. Die unglaublich verrückte Situation des ruhenden Verkehrs gehört noch in den Artikel (wer einmal an einem Samstagabend dort in einer Kneipe verabredet war und einen Parkplatz gesucht hat, weiß, was ich meine), das Label „Kreuzviertel“, das Vermieter gerne benutzen, wenn Sie Wohnraum vermieten wollen, der eigentlich gar nicht mehr im Kreuzviertel liegt, gehört in den Artikel. Die latente Kinderunfreundlichkeit https://www.derwesten.de/staedte/dortmund/verbotsschild-sorgt-fuer-aufruhr-im-kreuzviertel-id3527679.html und das Studiwohnheim, was passend zum kommenden Abi-Doppeljahrgang dort platt gemacht wurde um daraus ein paar Luxuseigentumswohnungen zu machen https://www.mieterverein-dortmund.de/news-detail.html?&tx_ttnews%5Btt_news%5D=36&cHash=99212dee70cce7f9ae58bdd3363036e4 gehören noch erwähnt.
Nein, ein Freund vom Kreuzviertel bin ich wahrlich nicht. Allerdings …. wer weiß, wie es in Hörde in fünf Jahren sein wird. Noch lebe ich da recht gern.
@mirko: Es ist der Beginn einer Reihe – wenn Du Vorschläge hast wie wir es besser machen können her damit 🙂
Hi Stefan,
nein, so vermessen will ich gar nicht sein, dass ich Euch sagen kann, wie Ihr es besser machen könnt. Mein Nörgeln war auf sehr hohem Niveau. 🙂
Weitere Gentrifizierungspunkte in Dortmund wüsste ich jetzt auch nicht. Die Nordstadt würden viele gern gentrifiziert sehen, aber das wird nichts. Und in Hörde will man nichts von Gentrifizierung wissen, aber dort beginnt dieser Prozess ganz eindeutig. Da wird es spannend.
@Mirko: Im Saarlandstraßenquartier ist die Lage ähnlich wie im Kreuzviertel. Und das mit der Nordstadt sehe ich so wie Du.
Dem Kreuzviertel geh es wie vielen Vierteln. Wenn sie erst einmal einen „Ruf“ haben, ist dieser meistens schon von gestern. Vieles im Kreuzviertel ist wirklich schön und angenehm für seine Bewohner. Was aber sein Image als interessantes, lebendiges Viertel ausmacht, ist längst passé. Das stammt aus der Zeit, als sich junge Leute die Mieten noch leisten konnten. Im Vergleich dazu ist es heute piefig-spießig-langweilig. Man möchte seine Ruhe haben. Ein typischer Zettel an einem Kreuzviertelbaum: „Junges, solventes, deutsches, kinderloses Lehrer-(Ärzte-, Archtitekten-, Juristen-)Paar sucht Wohnung …“ Selbst die Gastronomie, für die das Viertel bekannt ist, hat es zunehmend schwer. Auch wenn Leerstände von Geschäftsräumen und Besitzerwechsel von Kneipen noch nicht so häufig sind, wie in anderen Dortmunder Gegenden, es git sie mittlerweile zunehmend auch hier.
Oh Gott. Die ganze ursprüngliche Bevölkerung ist in die Außenbezirk verdrängt worden und vereinsamen dort total, die Mieten sind unerschwinglich, in den Kneipen gibt es nur noch Schampus und Lachsschnittchen und die Nobelkarossen stehen Stoßstange an Stoßstange.
Im Kreuzviertel hat sich in den letzten 20 Jahren nix wesentliches verändert. das Ufo heißt jetzt Church, im B-Trieb ist das Essen besser geworden und das Pökelfass heißt jetzt Schillings und wird grichisch bekocht. Am Wochenende guckt man überall Fussball und schimpft über die Menschen, die alles zu Parken, können die nicht zuhause in die Kneipe gehen.
Kein Mensch ist aus dem Kreuzviertel weggezogen, weil er/sie sich die Miete nicht mehr leisten konnte und in den Kneipen hängen immer noch die gleichen Stammkunden rum, die da auch schon vor 20 Jahren rumhingen. Die Leute ziehen weg, weil sie sich außerhalb ein Häuschen bauen oder in Berlin einen guten Job bekommen haben, dafür ziehen dann halt andere Lehrer ein.
Man muss dieses Grünenwählerviertel nicht mögen, aber Gentrifiezierung ist das sicher nicht. (Keine Ahnung wie’s vor 30/40 Jahren war, aber heute tut sich da nichts mehr.)
Lieber Stefan, wenn das eine „Reihe“ werden soll, erwarte ich noch eine Folge von Dir über Gladbeck-Butendorf. Schliesslich war ich dort mal Meßdiener, 1965-70. Da war es dort wohl eher „gentrifiziert“ als heute 😉
Mensch, Mirko! Sie kritisieren richtigerweise diejenigen Vermieter, die sich fälschlicherweise mit dem Label „Kreuzviertel“ schmücken, obwohl ihre Wohnungen gar nicht mehr im Kreuzviertel liegen.
Genau einen Satz später krachen Sie mit Vollkaracho in die gleiche Falle. Weder die Wohnungen an der Metzerstraße, wo das Pöhlen für Kinder verboten ist, noch das luxussanierte Studentenwohnheim liegen auch nur annähernd im Kreuzviertel. Die westliche Grenze des Kreuzviertels ist eindeutig die Große Heimstraße. Die Metzerstraße (dreistöckiger Geschosswohnungsbau aus den 1950er Jahren) und die Von-der-Recke-Straße (Studentenwohnheimmonstrum) sind vom Kreuzviertel gefühlt genauso weit weg wie – sagen wir – Gladbeck-Butendorf.
@Dortmunder: Touché. Aber ich könnte auch wirklich nicht die definieren, was noch Kreuzviertel ist, und was nicht. Gefühlt würde ich sagen: Alles östlich der Lindemannstraße, zwischen Kreuzstraße und Sonnenstraße (da würde die Große Heimstraße schon rausfallen). Aber gefühlt bin ich auch 25, sportlich und fahre einen Oldtimer 🙂
Aber was habt Ihr eigentllich alle mit Gladbeck-Butendorf?
@Mirko:
Der Autor des Artikels Stefan Laurin outete sich als Gladbeck-Butendorfer.
Die Grenzen des Kreuzviertels sind folgende: Im Westen die Große Heimstraße, im Osten die Hohe Straße, im Norden die Sonnenstraße und im Süden der Rheinlanddamm.
Maßstab dieser Definition ist der vorherrschende Baustil und das Baujahr der Häuser. Wer weiß, wie man den Lindemannstraße-/Große Heimstraße – Bug im Wikipedia-Eintrag ändern kann
https://de.wikipedia.org/wiki/Kreuzviertel_%28Dortmund%29
macht das mal bitte. Ich kenn´mich damit nicht aus.
Als Kronzeuge für die Große Heimstraße als westliche Grenze dient im Übrigen das Photo, das Stefan Laurin verwendet. Es zeigt die wunderschöne Fassadenfront der Kreuzstraße zwischen Lindemannstraße und eben jener Großen Heimstraße (genau zwischen Barrock und B-Trieb).
@#2 | Stefan Laurin sagt am 23. Januar 2013 um 14:16
„Es ist der Beginn einer Reihe“
Ein Artikel über die Dortmunder Nordstadt wär auch schön !
Da es kaum freien Wohnraum gibt, ist man mittlerweile auch auf Tremonia schon „Kreuzviertler“, wenn auch nur „angeheiratet“, also zufällig in der Nähe.
Stefan, kontakte doch mal den Macher von kreuzviertel-magazin.de. Der erklärt Dir die Entwicklung über 40 Jahre bis heute;-)
Bleibt die geplante Reihe auf Dortmund beschränkt oder sollen auch andere gentrifizierte Ruhrgebietsviertel, wie etwa BO-Ehrenfeld, E-Rüttenscheid oder DU-Neuer Hafen behandelt werden?
Das wäre sicherlich interessant! Aber ich muß #1 Recht geben, dann wäre etwas mehr Tiefgang sicherlich angebracht.
Nordstadt rulez!
Trotz aller Probleme…
https://www.flickr.com/photos/nordstadt
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