Persönliche Trauergedanken bei einem Abschied für immer. Von unserem Gastautor Helmut Junge.
Vorgestern starb mein Freund Wolfgang Kerkhoff. Er starb einen Tag nach seinem 65. Geburtstag.
Wolfgang war als Journalist erst Lokalredakteur und dann mehr als drei Jahrzehnte Leiter der Sportredaktion der WAZ in Gelsenkirchen. Ein Sportredakteur der für Printmedien arbeitet, hat natülich längst nicht so einen hohen Bekanntheitsgrad, wie die Stars seiner Zunft, die in den Sportsendungen Spieler interviewen oder über Spiele berichten. Dennoch ist es so, dass fast 100 % der Spielberichterstattungen, der Jahre 1977-2008, und die Schalke 04 betreffen, aus Wolfgang Kerkhoff`s Feder stammen.
Die WAZ hat auf ihrer Seite lokaler Sport in Gelsenkirchen heute seine Tätigkeit gewürdigt.
Für mich persönlich aber war er mehr, denn er war mein Freund.
Wenn ein Freund stirbt, ist das immer ein harter Schlag, und Grund zur Nachdenklichkeit, und Wolfgang war in den Jahren meines jungen Erwachsenenseins und der Zeit, in der die Kinder geboren wurden, sogar mein bester Freund. Diese Zeit ist eigentlich im Rückblick die schönste Zeit des Lebens, und liegt nun etwa 30 Jahre zurück und die Erinnerung daran erfüllen mich, während ich diesen Text schreibe, wegen dieses vorzeitigen Ablebens von Wolfgang mit Wehmut. Meine Frau Heide und ich lernten Wolfgang und Petra Kerkhoff auf einer kleinen privaten Silvester feierten und freundeten uns sofort an. Wir passten damals gut zusammen. Heide und Petra verstanden sich gut und ich kam gut mit Wolfgang klar. Es war die Zeit vieler gegenseitiger Besuche vieler gemeinsam gefeierter Feste. Einmal kam Wolfgang sogar, obwohl er mit Schach nicht so viel Sinn hatte mit mir zu meinem Verein in Ückendorf und wir spielten ein paar Partien Schach. Wolfgangs und Petras Sohn, Martin Kerkhoff war schon geboren, und als unser Sohn Patrick geboren wurde, leisteten mir Wolfgang und Petra Gesellschaft, weil ich damals bei der Geburt im Krankenhaus nicht dabei sein durfte. Wolfgang blieb in dieser Nacht so lange bei mir, bis der erlösende Anruf aus dem Krankenhaus kam das unser Sohn endlich da war, und die Mutter wohlauf. Unsere Freundschaft überdauerte auch unseren Umzug nach Duisburg und den durch meinen Jobverlust bedingten leichten sozialen Abstieg. Als wir uns kennen lernten, war Wolfgang noch Lokalredakteur und als er dann beschloß Sport-Redakteur zu werden, hatte ich ihn noch gefragt warum er so was machen wollte, denn Sport hatte in meinem damaligen Denken keinen besonders hohen Stellenwert. Dennoch war sein Wechsel zum Sport gut, sogar für mich. Denn nach unserem Umzug von Gelsenkirchen nach Duisburg hat Wolfgang immer hier bei uns Station gemacht, wenn er zu einem Spiel von Schalke nach Duisburg oder Oberhausen mußte. Auch wenn ich nicht besonders am Sport interessiert war, schon gar nicht am Fußball, war es immer ein Ereignis, wenn Wolfgang mich mit einer Freikarte mitgenommen hatte und ich von der Pressetribüne aus die Atmosphäre im Stadion beobachten konnte. Von den Spielen selbst hatte ich keinen bleibenden Eindruck. Meist hat Wolfgang mir nach dem Spiel erklärt, was ich gesehen hatte. Interessant waren auch die Pressekonferenzen, die eine ganz eigene Atmosphäre haben. Die Spiele habe ich alle vergessen, aber an eine Situation erinnere ich mich sogar ganz gut. Es war ein Spiel, das Schalke in Oberhausen, vermutlich 1983 in der 2. Bundesliga machen musste. Da sah Wolfgang, noch einige Zeit vor dem Spielbeginn, daß Rudi Assauer auf dem Platz stand und mit irgendwelchen Leuten plauderte. Wolfgang ging hin zu ihm, ich natürlich mit, und wir begrüßten Rudi Assauer und Wolfgang und Assauer redeten über irgend etwas, was ich allerdings vergessen habe. Ich hätte sowieso nichts dazu sagen können und betrachtete die zwei Männer. Der wichtige Manager, der es verstand, die Körpersprache von jemanden zu sprechen , der Bedeutendes darstellt, und der Journalist mit der mächtigen Feder, die Lob oder Tadel zur öffentlichen Meinung machen konnte, beide auf Augenhöhe. Von den Lautsprechern dröhnte der Refrain zum Lied („ich bin der Hass“), vermutlich ausgewählt, um das Publikum in den Rängen bei Laune zu halten, und auf der Spiel vorzubereiten. Dort war auch schon richtige Stimmung, so dass ich mich unwillkürlich bemühte, unter all diesen tausenden Augenpaaren und natürlich dem Blick des mächtigen Managers, auch eine selbstbewusste Figur abzugeben. Ich weiß nicht ob es bei diesem Spiel oder einem anderen Spiel war, einmal kam ein Spieler an uns heran und fragte: „Herr Kerkhoff haben Sie gesehen, wie ich die Flanke in den Strafraum zum Tor gesetzt habe? “ Ja, hatte er gesehen, der Herr Kerkhoff. Und er würde auch darüber schreiben, hat er gesagt. Aber der Herr Kerkhoff sagte dem Spieler auch, dass der das ruhig häufiger machen sollte. Der Spieler trollte sich zufrieden davon, und ich wunderte mich, wie klein diese so hoch bezahlten und prominenten Spieler sind, wenn man sie aus 1 m Abstand erlebt. Wolfgang sagte mir, nachdem der Spieler weg war, wer das war und ich merkte mir, daß es ein Spieler war, der die Begabung besaß, sogar gegen den ausgemachten Willen des Gegners einen Ball ins gegnerische Tor zu treiben. Aber diesmal war es eben nur eine Flanke die zum Tor führte, und dem Spieler war es wichtig, daß das montags auch in der Zeitung zu lesen war. Und der Herr Kerkhoff hatte es selbst gesehen, und würde es auch schreiben. Nach solchen Stadionbesuchen fuhren wir normalerweise zu uns nachhause, wo meine Frau Heide Kuchen gebacken hatte und wir aßen Kuchen. Wolfgang aß gerne Kuchen.
1980 haben wir zwei Familien mit unseren Söhnen Martin und Patrick einen dreiwöchigen gemeinsamen Urlaub in einem Ferienhaus in Norwegen gemacht. Darin sind etliche gemeinsame Erinnerungen geknüpft, vor allem aber, dass es uns gelungen ist, dort an richtiges Bier zu kommen, was andere Touristen zu unserer Erheiterung nicht geschafft haben, obwohl Sie den Kasten in unserem Einkaufswagen sahen. Wir wussten nämlich, dass man Bier dort nur gegen Vorlage des Personalausweises und zwei Tagen Lieferzeit bestellen konnte.
Ewig hält nichts auf Erden. Vielleicht wissen nur die Himmel, warum die eine Ehe scheitert und die andere Ehe hält. Vielleicht haben wir Menschen keinen Einfluss darauf. Aber wenn eine Ehe einmal scheitert, gibt es offenbar ein Gesetz, das besagt, dass die gemeinsamen Freunde grundsätzlich immer einen der sich trennenden Partner verlieren werden. Quasi als eine Form von Kolateralschaden. So war es damals auch mit Wolfgang. Er war es, der sich nach der Trennung komplett zurückzog. Er zog in eine andere Stadt, und begann ein neues Leben. Der Bruch betraf auch Heide und mich, und wir haben 15 Jahre lang nichts von ihm gehört, außer dass wir gelegentlich Artikel von ihm im Sportteil sahen. es war die Zeit, als sich in einer schwierigen gesundheitlichen Situation angefangen hatte Porträts zu malen, und nach einem Foto auch ein Porträt von Wolfgang gemalt hatte. Ich konnte ihm dieses Portrait leider Jahrzehnte nicht zeigen. Im Jahr1999 nahmen wir den Kontakt wieder auf. Mir standen damals als Mitglied des Duisburger Stadtrates Freikarten für den MSV Duisburg zu, die ich bis zu diesem Treffen, an dem Schalke gegen den MSV Duisburg in Duisburg spielte, nie angefordert hatte. Aber zu diesem Treffen hatte ich 2 Karten bestellt, weil diese Karten auch für die Pressetribüne und die anschließende Pressekonferenz Gültigkeit hatten. Tatsächlich haben wir Wolfgang während der Pressekonferenz getroffen, und daraus resultierte ein neuer, aber nur kurzlebiger Kontakt. Wolfgang hatte zu diesem Zeitpunkt bereits einen Herzinfarkt hinter sich, war ergraut und hatte korperlich stark zugelegt. Er war mittlerweile von seiner 2. Frau geschieden, und solo. Nach einem Austausch von gemeinsamen Erinnerungen brach dieser Kontakt aber schnell wieder ab, denn wir haben es wohl alle gemerkt, daß wir uns in den vergangenen 15 Jahren unterschiedlich entwickelt und auseinandergelebt hatten. Selbst unser Musikgeschmack, der doch früher ähnlich war, hatte sich unterschiedlich entwickelt. Jetzt, weitere 13 Jahre später, haben wir den Kontakt erneut aufgenommen, diesmal über Facebook. Wolfgang hatte vor einigen Jahren, nach seinen eigenen Worten, das Glück gehabt, in die Altersteilzeit gehen zu können, was ihm einige, der für Journalisten sehr schwierigen Jahre erspart hat. Auch ich war bereits in der Altersteilzeit, und es gab auch, anders als 12 Jahre zuvor, als wir noch berufstätig waren, einige Themen mehr, als immer nur die Vergangenheit, über die wir sprechen konnten. Bei einem dieser Treffen konnte ich dann doch noch das Porträt von ihm, dass sich 1984 gezeichnet hatte, schenken. Mittlerweile waren fast drei Jahrzehnte vergangen. Wenn es auch im vergangenen Jahr aus gesundheitlichen Gründen nur zu zwei gegenseitigen Besuchen kam, waren unser Schriftverkehr und die gemeinsamen Telefonate doch so angelegt, dass ich sie für dauerhafter hielt, wenn der Tod uns nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Diese, durch Wolfgangs Tod bedingte dritte Trennung wird leider nicht nach 12 oder 15 Jahren beendet sein, sondern ist endgültig. die Beerdigung soll leider nur im aller engsten Familienkreis stattfinden, so dass Heide und ich mit diesem kleinen persönlichen Nachruf von Wolfgang Abschied nehmen.
Er wird mir fehlen.