Am Donnerstag, den 11. April, lädt die Redaktion antideutsch.org in die Räume des Zerzausten GrießKrams zu einem Abend in memoriam Wolfgang Pohrts. Klaus Bittermann, der Verleger Pohrts, wird den Abend mit einem kleinen Vortrag über das Schaffen Pohrts beginnen. Anschließend werden ein paar Schreiberlinge, die sich in pohrtscher Tradition wähnen, jeweils einen Text aus dem vielfältigen Werke Wolfgang Pohrts lesen und vorstellen. Wir haben Klaus Bittermann vorab einige Fragen zu Wolfgang Pohrt gestellt.
Herr Bittermann, würden sie es als ironischen Erfolg von Wolfgang Pohrt bezeichnen, dass am Ende einer jahrzehntelang Kritik an der Linken, sich nach seinem Tod kaum jemand an ihn erinnert?
Als Kritiker der Linken macht man sich nun mal keine Freunde. Das hat Pohrt gewusst und in Kauf genommen, dass er nicht gerade große Beliebtheitswerte hatte, im Gegenteil, er hat es bewusst in Kauf genommen, weil er davon ausging, dass sich Erkenntnis nur im Streit, im Dissenz finden lässt und nicht in reiner Affirmation. Dass er überhaupt einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde, liegt an der historischen Konstellation, die Pohrt Anfang der 80er Jahre vorfand, als die Friedensbewegung sich auf dem Gipfel ihres Erfolgs befand und deshalb auch Kritiker Erfolg hatten durch den vehementen Widerstand, auf den sie stießen.
Was bleibt post mortem vom Kritiker übrig? Wie viel wird davon – mittels Anekdoten – zum „unbequemen Zeitgenossen“ domestiziert?
Was übrig bleibt? Immerhin eine Werkausgabe. Alles andere hängt von seinen Lesern ab, denn die entscheiden darüber, ob seine Schriften weitgehend ignoriert werden oder eben Verbreitung finden. Dass dabei auch Anekdoten eine Rolle spielen, liegt in der Natur der Sache.
Seine Kritik richtete sich an das, was er „Protestbewegung“ nannte, an die Friedensbewegung, an die Neue Linke, an die Antideutschen und zuletzt Marxisten überhaupt. Was haben diese Gruppen gemeinsam, was machte sie für Pohrt zum Gegenstand der Kritik? Gibt es Ihrer Ansicht nach zu wenig beachtete andere Gruppen, Bewegungen, Objekte, mit denen die Pohrt’schen Kritik aufräumte?
Diese Gruppen haben gemeinsam, dass sie Gruppen waren, bzw. Bewegungen, die als solche automatisch Ideologie produzieren, und Pohrt interessierte sich dabei nie für die Gemeinsamkeiten, sondern für die Differenz. Die Protestbewegung war im übrigen nicht das, was Sie aufzählen, sondern mit der Protestbewegung ist 68 gemeint, also der Ursprung der unabhängigen, radikalen Linken, alles andere sind eher seine Zerfallsprodukte. Es gab vieles, dass Pohrt kritisierte, aber er „räumte“ nicht auf, er wollte nämlich nicht sortieren, sondern eine begriffliche Klarheit in die Debatten bringen. Und in den 80er Jahren gab es viele Debatten, in die sich Pohrt einmischte.
Wenn sie zurückblicken auf die Jahre ihrer Zusammenarbeit: Was machte das publizistische Schaffen Wolfgang Pohrts aus? Was blieb trotz aller Brüche im Denken und in der Biografie konstant?
Bei oberflächlicher Betrachtung mag es einem so vorkommen, dass es sich „Brüche“ im Denken Pohrts handelt, aber es handelt sich vielmehr um eine logische Veränderung, denn auch die Verhältnisse haben sich im Laufe der Zeiten geändert, und diese Veränderungen kann man nicht mit dem immer gleichen Handwerkszeug der Kritik begegnen. Beispiel: In der 80ern begriff sich Pohrt als Ideologiekritiker: Die Leute sagen mir, was sie denken, und ich sage ihnen, warum das falsch ist. Mit dem Einzug der REPs ins Berliner Abgeordnetenhaus und mit dem Fall der Mauer kurze Zeit später, wurde das Ende der alten Bundesrepublik eingeläutet, eine neue Phase in der Entwicklung des Kapitalismus begann, und auf diese Phase reagierte er als Soziologe, indem er das Massenbewußtsein der Deutschen untersuchte, was etwas ganz anderes ist als Feuilletonkritiken zu liefern. D.h. er reagierte auf die gesellschaftlichen Veränderungen, und sein Denken änderte sich auch durch Erfahrung, Wissen und den zeitlichen Abstand, den man zwangsläufig zu einer Debatte, einem Gegenstand gewinnt. Was ich meine: Als Pohrt die Friedensbewegung kritisierte waren alle empört, fragt man die Leute heute danach, sagen sie fast alle, dass Pohrt wahrscheinlich recht hatte.
Wie fand dieses Zusammenarbeit eigentlich ihren Anfang? Wie würden sie sonst noch das intellektuelle Umfeld beschreiben, in dem Pohrt und auch Geisel mit ihnen zusammenarbeiteten?
Ich war ein Bewunderer seiner großartigen Analysen und scharfen Kritiken, die in den beiden Rotbuch-Bänden 1980 und 1982 erschienen waren, weshalb ich ihn gefragt habe, ob er nicht bei mir ein Buch veröffentlichen wolle, und da er sich mit Rotbuch zerstritten hatte, sagte er sofort zu. Pohrt selbst war immer Einzelkämpfer, er hatte also mit dem dem sogenannten intellektuellen Umfeld wenig zu tun, aber zu diesem würde ich außer Eike Geisel, vor allem Schultz-Gerstein zählen, der damals beim Spiegel arbeitete, und dann, auch wenn er mit ihnen nie etwas zu tun hatte und sich im Detail mit ihnen bestimmt schnell zerstritten hätte, solche Leute wie Henryk M. Broder, Lothar Baier, Roger Willemsen, Wiglaf Droste, Detlev Claussen, Gremliza natürlich, aber auch Maxim Biller und einige Leute aus der Pop-Generation, die alle gegen die alte Bundesrepublik polemisierten und das auf einem erstaunlich hohen Niveau. Aber dieses Milieu interessierte ihn schon bald nicht mehr, vor allem, weil seine Publikationsmöglichkeiten sich zunehmend auf Konkret beschränkten, wo die Leserschaft ihn eher als Übel denn als brillanten Denker wahrnahm.
Das Interview ist bereits auf antideutsch.org erschienen