„Wolfgang Stark, du Arschloch“ – beschimpfen BVB-Legende Norbert Dickel und Reporter Boris Rupert den Schiedsrichter. Nicht irgendwo am Tresen, sondern im offiziellen BVB-Internetradio. Trotzdem oder gerade deshalb ist das Internetradio eine Erfolgsstory.
„Eigentor, Mann, sind die doof, die Schalker“ – Norbert Dickel nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er sich vors Mikro beim vereinseigenen BVB-Netradio setzt. „Ist denn dieser Schiedsrichter völlig wahnsinnig geworden“, ereifert sich sein Co-Kommentator Boris Rupert. Beim Internetradio von Borussia Dortmund geht es rustikal zu. Mit zurückhaltender und neutraler Berichterstattung wie sie seit Jahrzehnten das deutsche Radio geprägt haben, hat das nichts zu tun. Soll es auch nicht.
Boris Rupert und Norbert Dickel haben eine völlig neue Radiogattung erfunden, die so nur durch das Internet entstehen konnte. Das Fan-Radio. Mit gewollt einseitigem Kommentar. Jedes Foul, jeder Pfiff des Schiedsrichters wird durch die rosarote Vereinsbrille beurteilt. Regelmäßig landen die beiden mit ihren Kommentaren in den 1live-O-Ton-Charts.
Die beiden Fan-Kommentatoren sind längst Kult bei den Fans. „Wer braucht die ARD-Schlusskonferenz oder die Reportagen beim Lokalsender Radio 91.2, wenn er Nobby und Boris bekommen kann?“, scheinen sich immer mehr Fans zu fragen. Hunderte der kultigen Reportage-Schnipsel haben Fans bei YouTube eingestellt. In Fan-Foren werden die emotionalen Reportagen reihenweise gelobt.
„Bis zu 200.000 Menschen hören die Reportagen pro Spiel“, sagt Carsten Cramer, Marketingchef bei Borussia Dortmund. Eine sensationelle Zahl, von der alle Internetradios in Deutschland nur träumen können. „Wir haben bemerkt, dass wir bestimmte Fans nicht mehr über die klassischen Medien erreichen“, erklärt Cramer die Idee: „Also haben wir ein Angebot geschaffen, auch für die Fans außerhalb, die nicht ins Stadion gehen können, weil sie zu weit weg wohnen.“
Weniger gut kommen die Reportagen allerdings bei einigen Verantwortlichen des DFB an. Beschimpfungen wie „Du Blinder“ oder „Arschloch“ gegen Schiedsrichter Wolfgang Stark gingen dem Deutschen Fußballbund dann doch zu weit. Der zeigte Boris Rupert die Rote Karte und sperrte ihn für zwei Spiele. Dickel, der in Dortmund auch als Stadionsprecher arbeitet, und Rupert mussten zudem eine Geldstrafe an eine DFB-Stiftung überweisen.
Wirklich geändert hat das allerdings bislang nichts. Nach wie vor ziehen die beiden gewohnt laut- und meinungsstark vom Leder. Mit Journalismus hat das nur wenig zu tun.
Der letzte Satz ist total überflüssig und zeugt davon, dass der Auto anscheinend nicht verstanden hat, worum es beim BVB-Radio geht. Wer hat denn behauptet, dass das Journalismus ist? Die beiden Herren kommentieren im Auftrag des BVB die BVB-Spiele. Mal vorausgesetzt, man versteht unter Journalismus „unabhängige Berichterstattung“, dann ist das hier nicht möglich, und ganz nebenbei ja auch gar nicht gewollt. Hier werden Stimmungen rübergebracht, hier wird von Borussen für Borussen live berichtet. Nein, mit Journalismus hat das nichts zu tun. Aber wie gesagt, dass hat ja auch niemand behauptet. Und dann muss man auch nicht so tun, als wäre es so.
Hallo, Chris, da ist der Autor jetzt aber beleidigt 🙂 Der ist im Nebenberuf nämlich Medienwissenschaftler und hat kürzlich eine 60-seitige Studie zur Zukunft des Radios geschrieben, in der das BVB-Netradio eine wichtige Rolle spielte, weil es ein Prototyp des neuen Radios ist. Ein anderes Beispiel für diese Form des Radios ist das Domradio als Sprachrohr der katholischen Kirche.
Der Artikel an sich ist ja auch nicht verkehrt. Und dass das BVB-Radio mit 200.000 Hörern ein durchaus relevantes Medium ist, da herrscht ja auch kein Zweifel dran. Aber: Journalismus ist das nicht. Nicht jedes Medium ist für mich gleich unter Journalismus zu verbuchen und nicht jeder Mensch, der in den Medien was macht, ist ein Journalist. Ich hab mich eben noch mit jemandem vom Fernsehen unterhalten, der von „Realisatoren“ sprach. So heißen die Leute, die in Unterhaltungsformaten die Strippen beim Dreh ziehen. Wenn es etwas Journalistisches hätte, würden sie sich „Redakteure“ nennen. Die Übergänge sind da fließend, leider ist der Begriff „Journalist“ ja auch nicht geschützt und jeder kann sich so nennen. Die Moderatoren bei 1Live nennen sich auch gerne „Journalisten“. Was sie machen, ist reine Unterhaltung, meist ohne jeglichen Informationscharakter. Das ist Possenreißen, sich über Dinge lustig machen und das Anmoderieren von Lady Gaga. Was Nobby Dickel und Boris Rupert beim BVB-Radio machen, das machen Terhoeven und Dietz bei 1Live. Ich sage ja auch gar nicht, dass sie keinen guten Job machen – weder Dickel/Rupert noch Terhoeven/Dietz, aber mit Journalismus hat das wenig zu tun, daher sollte man es auch nicht als solches verkaufen. Ich habe übrigens Journalistik studiert, aber das nur am Rande 🙂
Gar kein Widerspruch. Was aber ist falsch am Satz „Mit Journalismus hat das nichts zu tun“? Auch wenn es keiner sein will, ist der Hinweis doch sehr wichtig. Zumal die Grenzen heute fließend sind. Viele Kunden- und Mitarbeitermagazine haben durchaus journalistische Komponenten, obwohl sie aus der PR-Abteilung oder von Agenturen stammen.
Wie zu Anfang gesagt, der Satz ist überflüssig. Er wird abschliessend einfach so in den Raum geworfen, wird nicht kommentiert und im Zusammenhang mit der Kritik der letzten zwei Absätze wirkt er eindeutig wertend. Im Prinzip könnte man dann auch schreiben: „Die BVB-Fans auf der Südtribüne pfiffen Schiri Stark gnadenlos aus und schimpften ihn „Du Arschloch“. Mit Journalismus hat das nur wenig zu tun.“ Ich behaupte nicht, dass der Satz falsch ist. Er ist sogar durchaus richtig. Aber er ist so, wie er da steht – als Abschlusssatz und als Anhängsel der Kritik – wertend. Ausserdem setzt so ein bilanzierender Schlusssatz ja voraus, dass jemand behauptet hat, dass es sich um Journalismus handelt. Was eben nicht der Fall ist. Ich denke, wir wissen beide Bescheid, wie das BVB-Radio eingeordnet werden muss, streiten uns hier nur um Formulierungen. Ich hoffe, wir wissen auch beide Bescheid, wie Schiri Stark einzuordnen ist. Aber auch das hat mit Journalismus nur wenig zu tun.
Hmm, auf der einen Seite sehe ich die zunehmende Gewalt in den Stadien und alle beklagen sich darüber. Auf der anderen Seite wird vermutlich Agression statt sachliche Kritik bei den eigenen Fans mit solchen Äusserungen gegen Schiedsrichter und den Gegner gefördert … Daher kann ich den letzten Satz im Artikel durchaus nachvollziehen.
Darf ich kurz nachfragen, über welche „zunehmende Gewalt in den Stadien“ wir sprechen? Die, die von dem Medien erfunden ist oder die, die durch Studien belegt ist? Die zweite gibt es nämlich gar nicht. Und hier den Bogen von einem Artikel über den Erfolg des BVB-Radios zur „zunehmenden Gewalt in den Stadien“ zu spannen, das ist mehr als fragwürdig. Was aber wiederum erklären würde, wieso du den letzten Satz „durchaus nachvollziehen“ kannst.
Gerne schreibe ich, was ich meine mit “zunehmende Gewalt in den Stadien”. Ich sehe mir jeden Samstag die Bundesliga an. Da wird immer mehr über das berichtet, was ich mit „zunehmender Gewalt“ meine. Bilder, die eine deutliche Sprache sprechen. Das ist absolut nicht von den Medien erfunden und eine Studie braucht es dazu schon gar nicht. Zu sagen, dass der Schiri ein Arschloch sei, fördert sicher nicht den konstruktiven Umgang mit Emotionen. Und die sind letztendlich Ursprung / Anfang von Gewalt. Fussball ist ganz einfach mehr wert, als den Gegner abschätzig zu bewerten und dem Schiedsrichter jedes Mal die Schuld zu geben (das heisst nicht, dass er fehlerlos ist) . Irgendwie hat es der gerade der BVB nicht nötig andere schlecht zu machen, da die Mannschaft ganz einfach klasse Fussball spielt!
Ach so, du siehst das im Fernsehen, diesem Abbild der Realität. Ok, das erklärt dann natürlich, welche Gewalt du meinst. Ich bin seit 25 Jahren mit Dauerkarte in der Südtribüne und nehme mittlerweile sogar meine 6 Jahre alte Tochter mit. Von zunehmender Gewalt hab ich bisher noch nichts gemerkt. Im Vergleich zu den 80er Jahren zum Beispiel kann ich eher von stark zurückgegangener Gewalt berichten. Ausserdem von viel menschlicherem Umgang, viel mehr Rücksicht und weniger „verbaler Ausraster“. Aber gut, das lässt sich eben nicht so gut verkaufen. Wenn heutzutage 50 Kameras im Stadion sind, die jeden einzelnen Fan, der mal eine Wunderkerze anmacht, direkt in dein Wohnzimmer flackern lassen, dann heißt das nicht gleich, dass wir von zunehmender Gewalt sprechen müssen. Vor 30 Jahren waren zwei Kameras im Stadion, die sich auf den Fußball konzentriert haben. Da waren viel mehr Wunderkerzen im Stadion, Leuchtspurmunition wurde in jedem dritten Spiel abgefeuert, Schlägereien en masse. Aber eben weniger Kameras = weniger Bilder = weniger Gewalt. Eine Gleichung, die nicht aufgeht, aber immer wieder gerne von den Medien benutzt wird, damit Leute wie du aus ihrem Fernsehsessel die Welt verstehen. Oder auch nicht.
Schon spannend, wieviele Medien sich nach deiner Aussage ganz einfach irren müssen. Wenn es anders ist und die Gewalt nicht zugenommen hat, ist das ganz einfach cool und freue ich mich mit dir.
Erstaunlich, welches Vertrauen du in die Medien hast. Das ist ja schon fast fahrlässig… Und sie irren sich nicht, die falsche Berichterstattung ist Vorsatz. Wenn beim Skispringen unten im Zielbereich Bengalos abgefackelt werden, dann ist das „südländische Begeisterung, tolle Bilder“. Wenn das im Stadion passiert, dann schreien die Medien nach härteren Kontrollen, Stadionverboten, etc. Es ist kein Irren, es ist Absicht. Aber wenn dann mal jemand das Kind beim Namen nennt (siehe Titel ganz oben :-)), dann „hat das mit Journalismus wenig zu tun“. Nein, die Gewalt hat nicht zugenommen. Sie hat abgenommen. Und vor allem hat der normale Stadiongänger damit absolut nichts zu tun, es sei denn, die Ordnungshüter schießen mal wieder übers Ziel hinaus und feuern Pfefferspray in den Tribünenaufgang wie vor Kurzem in Dortmund passiert. Natürlich gibt es Leute, die das ein oder andere Spiel zum Anlass nehmen, sich zu prügeln. Aber das war immer so und das bleibt auch wahrscheinlich immer so und solange der normale Stadiongänger wie ich zum Beispiel davon noch nicht einmal etwas mitbekommt, solange findet das eben nur sehr begrenzt statt, bis es dann in den Medien breitgetreten wird. Es gibt Kamerateams, die machen an einem Samstag in Dortmund nichts anderes, als ums Stadion zu ziehen mit der Vorgabe, Raufereien und Pöbeleien zu drehen. Und das wird den Leuten zuhause dann aufgetischt. Mal abgesehen von ein paar Bekloppten, die zu Spielunterbrechungen führen (wobei zwar auch meist niemand verletzt wird und die Gefahr sich sehr in Grenzen hält) – ist dir bei der Samstagskonferenz schon mal irgendwas Gewalttätiges untergekommen? Solange sich die Kameras auf den Sport konzentrieren, verschwindet die Gewalt aus dem Sichtfeld. Wenn man sie aber finden will und eine „Gewaltspirale“ konstruieren will, dann findet man sie auch. Ich denke, du kannst dich wirklich mir mit freuen – die Gewalt hat nicht zugenommen.
Ja ja, die Medien und die aktuelle Situation im Fußball, das sind zwei Dinge, die gerade nicht sonderlich gut zusammenpassen wollen… Exemplarisch dafür steht wohl besonders der gespaltene Tom Bartels…
https://www.rp-online.de/sport/wintersport/vierschanzentournee/bemerkenswerte-doppelmoral-1.3124580
Das über Fußball auch anders berichtet und gesprochen werden kann zeigt hier Manni Breuckmann, ganz im Gegensatz zu seinem Gesprächspartner…
https://medien.wdr.de/m/1360233944/radio/redezeit/wdr5_redezeit_20130207.mp3
Man muss also schon verrenteter Medienschaffender sein, um vernünftig über Gewalt, Ultras oder sonst etwas im Fußball reden zu können… oder aber besonders jung…
https://www.zdf.de/ZDFmediathek/hauptnavigation/startseite/#/beitrag/video/1835192/Verr%C3%BCckt-nach-Fu%C3%9Fball-(3)
Sehr gelungene Dokumentation, leider nur noch wenige Tage zu sehen.
Danke für die interessanten Links. Selbst der Monolog des ollen Schalkers Manni B. war gar nicht so schlecht. Die meisten seiner Einschätzungen sind korrekt, wobei ich mir bei „Hooligans = besoffen und auf Randale aus“ schon ein bisschen mit dem Kopf schütteln musste. Klare Fehleinschätzung, denke ich. Aber sei’s drum, im Prinzip hat er einen guten Einblick in die Situation, versucht, nichts zu beschönigen aber auch nichts zu dramatisieren. Da kann man dann endlich sogar mal von Journalismus sprechen 🙂