Kaiser Konstantin soll einmal auf die Frage, warum er die Römer zu Christen machen wollte, geantwortet haben „Wenn ich die Menschen dazu bringe, diesen Unsinn zu glauben, glauben sie mir alles.“ Auch wenn diese Anekdote nicht stimmt, ist sie gut erfunden und hat einen klugen Kern: Wer davon überzeugt werden kann, dass Jungfrauen Kinder bekommen und Tote auferstehen können, hat seinen Verstand abgegeben und ist beliebig manipulierbar, der ideale Bürger eines autoritären Staates.
Nun leben wir nicht in einem autoritären Staat, aber in einer Zeit, in der eine Ideologie, welche die Grundlagen der demokratischen Gesellschaften bedroht, an Boden gewinnt. Die Postmoderne und ihre Ableger wie Genderstudies, postkoloniale Geschichte, kritische Rassentheorie oder Kulturwissenschaften sind intellektuelle Bewegungen, die von der Grundannahme getragen sind, dass es keine festgelegte Realität gibt, sondern diese ausschließlich sprachlich durch Sprache geschaffen wird. Für Judith Butler, die Hohepriesterin der Szene, steht fest: „Eine außerhalb der Sprache gelegene Materialität zu postulieren bedeutet indes, jene Materialität noch zu postulieren, und die so postulierte Materialität wird das Postulieren als ihre konstitutive Bedingung beibehalten.“(1)
Die Überzeugung, dass die Welt durch Sprache und nichts anderes als Sprache geschaffen wurde und es keine materielle Basis gibt, hat Konsequenzen:
Die moderne Wissenschaft strebt nach Erkenntnissen. Wahr ist, was sich beweisen lässt, nicht, was man gerne hätte. Sie geht davon aus, dass es so etwas wie eine Wirklichkeit gibt, die unabhängig davon ist, wie wir zu ihr stehen. Der Schriftsteller Philip K. Dick brachte es auf den Punkt: „Realität ist das, was nicht verschwindet, wenn man aufhört, daran zu glauben.“
Die Postmoderne geht davon aus, dass es weder Wirklichkeit noch Wahrheit gibt, sondern dass beides von Menschen geschaffen wird. Für Butler gibt es demnach auch kein biologisches Geschlecht: „Die Trennung zwischen Gender (Geschlechtsidentität) und Sex (als biologisches Geschlecht verstanden) existiert nicht; das biologische Geschlecht wird vielmehr »durch eine ritualisierte Wiederholung von Normen konstruiert«“
Es geht in den Debatten um die von der Ampel geplante Neufassung des Transsexuellengesetzes oder die Frage, ob der Grünen-Abgeordnete Ganserer ein Mann mit dem Namen Markus oder eine Frau Namens Tessa ist, nicht um die Frage, wie tolerant die Gesellschaft mit Menschen umgehen soll, die der Ansicht sind, sie hätten das falsche Geschlecht. Es ist eine symbolische Auseinandersetzung, die weitreichende Folgen haben wird: Wenn sich die Menschen davon überzeugen lassen, dass sich das Geschlecht mit einem einfachen Satz ändern lässt, können die Anhänger der Postmoderne ihr gesamtes Programm durchsetzen.
Ziel all dieser Ideen ist der Zerstörung der Aufklärung. Richard Delgado und Jean Stefancic, zwei Wortführer der kritischen Rassentheorie, stehen, zu diesem Programm: „Im Gegensatz zum traditionellen Bürgerrechtsdiskurs, der den Schwerpunkt auf Inkrementalismus und schrittweisen Fortschritt legt, stellt die kritische Rassentheorie die Grundlagen der liberalen Ordnung in Frage, einschließlich der Gleichheitstheorie, der juristischen Argumentation, des aufklärerischen Rationalismus und der neutralen Grundsätze des Verfassungsrechts.“(2)
Und was für die kritische Rassentheorie gilt, gilt auch für Gender Studies, postkoloniale Geschichte und all die anderen Trockenblumen im postmoderne Ideenstrauss.
Es geht also darum, ob wie weiterhin in einer aufgeklärten Gesellschaft leben, die Idee der Menschenrechte für wesentlich und nicht für den Auswurf einer Gruppe alter, weißer Männer halten und Forschung und Naturwissenschaften treiben. Wir können natürlich auch wieder wie im Mittelalter darüber diskutieren, wie viele Engel auf einer Nadelspitze Platz haben, wenn wir davon überzeugt sind, dass Engel entstehen, wenn wir uns darauf einigen, dass es sie gibt.
Würde Kaiser Konstantin heute leben, er wäre ein glühender Verfechter der Postmoderne
Mehr zu dem Thema:
Sollen Identitätspolitik, Postmoderne und Postkolonialismus die Richtung der Gesellschaft bestimmen?
(1)Zitiert nach: Münker, Stefan; Roesler, Alexander: Poststrukturalismus
(2)Zitiert nach: Wessels, Sebastian: Im Schatten guter Absichten: Die postmoderne Wiederkehr des Rassendenkens. Übersetzt mit DeepL
Über den Artikel möchte ich nur sagen, dass ich die Zeilen des Autors gelesen habe.
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Und ich denk mir meinen Teil.
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Die Frau Butler hat vermutlich zu lange ins Johannesevangelium geguckt
Da steht "ihre" Idee schon komplett formuliert drin.
Es ist entweder eine Anmaßung, daß sie den Unsinn als ihre Entdeckung reklamiert, oder sie geht auf Mission im Sinne von Konstantin, dem Apollon erschienen ist, der ihm ein Kreuz gezeigt hat, was dann 50 Jahre später die Christen praktischerweise als ihr Symbol gegen die früheren Fische ausgetauscht haben.
Also "Butlers Theorie" im Original:
Joh 1,1 Im Anfang war das Wort, / und das Wort war bei Gott, / und das Wort war Gott.
Joh 1,2 Im Anfang war es bei Gott.
Joh 1,3 Alles ist durch das Wort geworden / und ohne das Wort wurde nichts, was geworden ist.
Joh 1,4 In ihm war das Leben / und das Leben war das Licht der Menschen.
Der Versuch die Antike mit methodischen Begriffen der Gegenwart zu greifen, ist ähnlich erfolgreich, wie der Versuch eine Suppe mit einer Gabel auszulöffeln.
Wie schon zu Beginn des Textes angedeutet, gehört vieles, was über Kaiser Konstantin erzählt wird ins Reich der Mythen und Spekulationen insbesondere das angeführte Zitat. Konstantin hat auch nie versucht Römer zu Christen zu machen, wie im Text zu lesen ist. Dies geschah erst 380 mit dem sogenannten Kaiseredikt, welches das Christentum zur Staatsreligion erklärte und de facto eine Abschaffung der Religionsfreiheit zu Gunsten des Christentums bedeutete.
Konstantins Leistungen bestand vielmehr darin, überhaupt zum ersten Mal im römischen Reich die freie Religionsausübung zu garantieren, was 313 im Edikt von Mailand geregelt wurde. Diese Idee findet sich heute im Grundgesetz Art. 4, oder der Grundrechtecharta der EU Art. 10. wieder.
Religionsfreiheit ist ein wesentliches Merkmal der westlichen Kultur, welches uns beispielsweise von den islamisch geprägten Ländern, aber auch von der aufstrebenden Großmacht China, wo religiöse Minderheiten unterdrückt und umerzogen werden, fundamental unterscheidet. Was Konstantin da vor über 1700 Jahren vollbrachte, hat bis heute Bedeutung und mit Postmoderne überhaupt nichts zu tun.
Gerade weil ich die Ausführungen von Stefan hinsichtlich der Postmoderne für richtig und wichtig halte, möchte ich trotzdem dafür appellieren, mit dem, was wir „Geschichte“ nennen, nicht so rumzukleckern. Das können die Archille Mbembes und Judith Butlers viel besser und das sollte man auch diesen Verwirrten überlassen.
@der, der auszog,
eigentlich stimme ich die zu.
Aber:
du schreibst:"Konstantins Leistungen bestand vielmehr darin, überhaupt zum ersten Mal im römischen Reich die freie Religionsausübung zu garantieren, was 313 im Edikt von Mailand geregelt wurde. Diese Idee findet sich heute im Grundgesetz Art. 4, oder der Grundrechtecharta der EU Art. 10. wieder."
Und das kann nicht sein, denn Konstantin hat zum Zeitpunkt noch gelebt und geherrscht, als das geschah:
https://de.wikipedia.org/wiki/Arianischer_Streit
Die Arianer wurden heftigst verfolgt. die Trinitarier dagegen geschützt. Von Teleranz kann bei Konstantin dem Großen nicht wirklich die Rede sein
In dein Lob über Konstantin stimme ich dir nicht zu. Obwohl er selber bis zu seinem Ableben kein Christ war, hat er bei den Christen eine übersichtliche Einheit sehen wollen. Er hat als Chef entschieden, daß es eine Dreifaltigkeit geben soll. Und wer das nicht geglaubt hat, wurde verfolgt.
Die "Toleranz" hält eigentlich bis heute an. Und vielleicht wird es noch einmal wichtig, so daß unser kleiner Disput noch einmal grundlegend für spätere Generationen wird. Da kann man nie sicher sein. Ist ja Religion.
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der, der….
Mit dem Inhalt des ersten Satzes "ohne Weiteres" einverstanden.
Deshalb nur eine Anmerkung zum ersten Satz im letzten Absatz des Kommentars von Stefan Laurin, der sich auf die Menschenrechte bezieht.
"Wir" in der sog. westlichen Welt liefern tagtäglich im kleinen wie im großen Beweise dafür, wieweit "wir" in der Realität vom Postulat "unverletzlicher und unveräußerliciher Menschenrechte" entfernt sind. Das sollte Anlaß zur Selbstkritik in einer Gesellschaft sein, bevor diese sich daran macht, mit missionarischem Eifer andere Gesellschaften, anderer Volker von Menschenrechten überzeugen zu wollen , so wie sie "unserem "Verständnis gemäß als vor- und überstaatliches Recht überall existieren, also "von Natur aus " für jeden (!!) Menschen gelten.
Wie in letzter Zeit schon desöfteren gesagt, wächst mein Ärger -mein Zorn?- über die Heuchelei in der sog. westlichen Welt, nicht nur, aber vor allem immer dann, wenn diese Welt sich auf die Menschenrechte bezieht. Ärger, nein, es ist Zorn, den ich empfinde, wenn die sog. westliche Welt, wenn das sog. christliche Abendland, wenn die vorgeblichen Gesellschaften der Menschenrechte skrupellos Flüchtlinge im Mittelmeer ertrinken läßt, wenn Rassismus, wenn Hass auf Fremde tagtäglich zu registrieren sind, wenn eine Partei, die AFD, auf dieser Grundlage Zustimmung durch ca. 1o% der Wählerschaft findet und wenn zugleich "diese christliche abendländische Welt, diese Welt der Menschenrechte" sich zur Hüterin der Menschenrechte berufen sieht.
der, der…
das war der Versuch meinerseits, ein wenig "Luft abzulassen", wohlwissend, daß sich damit an de von mir beklagten Realität in der sog. westlichen Welt nicht das geringste ändern wird, wenn es um die Wahrung und Achtung der Menschenrechte im eigenen Land, in der eigenen Gesellschaft geht. Die diesbezügliche Heuchelei gehört offenkundig zu den immanenten Bestandteilen auch unserer sog. westlichen Welt, unseres sog. christlichen Abendlandes.
@Helmut (#4)
Ich lobe Konstantin nicht und ich stelle ihn auch nicht als tolerant da. (Der Mann hat seine eigene Frau und seinen eigenen Sohn umbringen lassen!) Ich versuche lediglich aufzuzeigen, inwieweit seine Politik damals ein Novum darstellte und wie sie bis in der heutige Gegenwart nachwirkt. Es ist doch bezeichnend, dass sich unsere modernen demokratischen Rechtssysteme am sogenannten „Römischen Recht“ orientieren (siehe Mailänder Edikt) und nicht etwa am stark religiös ausgerichteten Rechtswesen des Mittelalters.
@Walter (#5)
Was ich bei Dir nicht verstehe ist Deine Fokussierung auf die westliche Welt, wenn Du von Menschenrechtsverletzungen sprichst bzw. schreibst. Ich habe oben ein paar Stichworte genannt, China, islamische Staaten, die für Dich offensichtlich nie eine Rolle spielen, wenn Du über Menschenrechte nachdenkst. Versuch Dir einfach mal vorzustellen, wie es einem Markus Ganserer im Iran oder in Saudi Arabien ergehen würde, wenn er sich öffentlich zu Tessa Ganserer erklären würde.
Was ist mit Uiguren in China? Die sind Dir noch nie zum Thema Menschenrechte in den Sinn gekommen. Gestern haben wir noch über den Russlandkonflikt in der Ukraine gestritten. Da spielten in Deinen Kommentaren Menschenrechte, demokratische Werte etc. überhaupt keine Rolle. Das hast Du alles als vermeintliches SPD Bashing an Dir abprallen lassen. Bei Dir liest man immer nur von den bösen Amerikanern und dem verlogenen Westen. Sorry, aber da werde ich nicht wirklich schlau raus 🙁
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der. der,,,,,
Warum ich…?
Ich habe versucht, das zu begründen.
In China, im Iran, in…..
In deren Gesellschaften und in deren Staatsverfassungen existieren keine Menschenrechte. Sie sind ihnen fremd. Sie entsprechen nicht "ihrer Kultur". Und sie machen daraus keinen Hehl. im Gegenteil. Dass dieser Zustand nicht unserem Menschenrechtsverständnis entspricht -auch nicht dem Postulat der UN- , bedarf meinerseits keiner Erläuterungen.
"Zornig" machen mich die Gesellschaften, die Staaten, die die Menschenrechte zu ihren höchstem Rechtsgut erklärt haben, die vorgeben, für diese weltweit zu streiten, aber selbst tagtäglich menschenrechtswidrig handeln.
Diese Heuchelei ist es -das gilt eben ua. auch für die USA-, die mich "zornig" macht . Das gilt im übrigen nicht nur in Sachen Menschenrechte, sondern bezogen auf die USA mittlerweile auch für die "praktizierte Demokratie" -dank Trump, dank der Republikaner (sh. aktuell die Änderung des Wahlrechtes in einigen Staaten im Süden/Westen der USA.
PS
"Verkneifen" kann ich mir in diesem Sinne nicht -sh. der Hinweis auf die Uiguren– einen Hinweis auf die "Praktiken der US-Regierungen" gegen die indianischen Urvölker in den USA -Massenmorde aus rassistischen Gründen- oder auf die dort existierende Sklavenhaltergesellschaft und auf die dort in Südstaaten und Staaten des mittleren Westen tagtäglich durch "Ncihtweiße" zu erlebenden und zu erleidenden Diskriminierung -in der Gesellslchaft, durch staatliche Einrichtungen.
Der, Der….
Ehrlichkeit gegenüber "uns selbst" als Mitglieder der sog. westlichen Wertegemeinschaft mit Blick auf "unsere " gemeinsame" Geschichte und stets die Gegenwart u.a. in Sachen Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat beachtend und diesserhalb weniger zu heucheln, würde m.E. "unserem Einsatz" für eine weltweite Anerkennung,, Achtung und Respektierung der Menschenrechte , der Werte von Demokratie und Rechtsstaat wesentlich glaubwürdiger machen.
Der, der….
Und wenn ich dabei bin, das Heucheln in der sog. westlichen Welt "anzuprangern"….
Angesichts der dramatischen Ereignisse in der Ostukraine, aber auch mit Blcik auf die Krim:
Mich erinnern diese völkerrechtswidrigen Gewaltakte Russlands an die Ereignisse und an deren Geschichte anläßlich der Eingliederung von Texas und New Mexiko in die USA; kann "man" nicht vergleichen? Mag sein. Ändert zudem nichts an der aktuellen Situation, die mich so wie viele, viele andere Menschen tief besorgt. Was wird dort noch geschehen? Welche Folgen werden die Ereignisse haben -für die Menschen in der Ukraine, für den Staat Ukraine, für Russland, für (Ost-) Europa?I, für Deutschland, für uns? Eine Hoffnung hege ich vor allen anderen, nämlich die, dass sich aus einem "kleinen Regionalkrieg" kein Europa-Krieg oder gar ein Weltkrieg entwickelt.
Walter Stach schrieb: "Mich erinnern diese völkerrechtswidrigen Gewaltakte Russlands an die Ereignisse und an deren Geschichte anläßlich der Eingliederung von Texas und New Mexiko in die USA; kann "man" nicht vergleichen? Mag sein."
Was ist das für ein schäbiger Kommentar?…..
Wie geistig armselig ist ein Mensch der im Kontext mit dem Überfall Russlands in der Ukraine so etwas schreibt?….
Der, der…..
"die bösen Amerikaner", die ich…-sh.-6-
Abgesehen davon, daß ich bemüht bin, das Böse und das Gute nicht mitzudenken, wenn es um Politik und um Politiker geht
-im Inland, im Ausland, wenn es z.B um Putin oder Trump geht oder wenn es wie jetzt um die Ursachen, die Folgen des russichen Krieges gegen die bzw. in der Ukraine geht-
gibt es für mich immer wieder Anlass, über Heuchelei seitens "westlicher Poltiker" bzw. in der Innen- wie in der Außen- Politik des Westens nachzudenken. Dann führt u.a. für mich auch kein Weg "an den Amerikaner" vorbei.
Wenn ich auf meinem Wege der Nachdenklichkeit über den russischen Ukraine-Krieg, über seine Ursachen, die Erklärungs- /Rechtfertigungsungsversuche und über seine Folgen nicht an den US vorbeikomme, dann mag das willkürlich, dann mag das einseitig, dann mag das voreingenommen erscheinen. Für mich gibt es jedoch beinahe täglicih Anlass, zu solchen Nachdenklichkeiten, heute durch einen Beitrag bei t-online von Bastian Braun -28.2., 12. 57- unter der Überschrift:
"US-Republikaner huldigen Putin" -Ein Schreckensszenario für Europa-.
-8 – Heather
der Mann ist nun mal ein lupenreiner Sozialdemokrat 😉