Aus welchem Grund auch immer, ob aus Versehen, Naivität oder Provokation… dass die Veranstalter des Veggie Street Day, der heute in Dortmund stattfindet, im Vorfeld Ruhrbarone-Blogger und Ehrenmitglied der Metzger-Innung Stefan L. zu ihrem Straßenfest einluden, ist schon extrem amüsant. In etwa so vergleichbar, als wenn der Schalker Nordkurven-Dauerkartenbesitzer per Blumenbouquet zur Jahreshauptversammlung des BVB gebeten wird.
Stefan L. jedenfalls beantwortete die Einladung auf seine typisch zurückhaltende Art mit der Veröffentlichung eines Mett-Meerschweinchen-Rezepts. Reflexartige Reaktionen darauf blieben nicht aus und schwankten zwischen Empörung und überbordender Zustimmung. Quod erat demonstrandum, denn die Kluft zwischen Rippchen-Fetischist und Vegan-Hardliner könnte größer kaum sein. Gebe es den Begriff Hass nicht, so müsste er zur Erklärung des Verhältnisses derer erst noch erfunden werden. Eher teilt sich der Papst mit einem Homo-Pärchen das Doppelbett, als dass sich Steak-Sven und Pflanzen-Volker zusammen an einen Esstisch setzen.
Dass „der Veganer“ (Pauschalbezeichnungen, von Haus aus, die Wurzel allen Übels) häufig erstmal schmollt und in Einsilbigkeit verfällt, wenn es um seine Tischmanieren geht, hat u. a. folgenden Grund. Er ist extrem genervt von ewigen Befragungen, die nicht selten einem Kreuzverhör gleichen: Warum isst du kein Fleisch? Ist das nicht total ungesund, wenn du keine Milch trinkst? Was ist denn, wenn die Kuh auf einer grünen Wiese aufwächst? Hat die Evolution etwa nicht gewollt, dass der Mensch auf der Krone der Nahrungskette sitzend alle unter ihn platzierten Lebewesen grillt oder frittiert? Die Reaktionen schwanken dann zwischen missionarischen Gegenattacken und Wagenburgmentalität.
Auf einem Veggie Street Day vergangener Jahre stand einmal eine Gruppe 40+-Bürgertum-Veganer beisammen und unterhielt sich lose über die gesellschaftliche Stellung ihresgleichen, in deren Verlauf jmd. auf einen Bekannten von ihm zu sprechen kam, der sowohl Jude, als auch Veganer sei und damit als – O-Ton: „doppelt verfolgt“ eingestuft werden müsse. Mir ist vor Lachen fast mein Curry-Tofuwürstchen aus der Schale gefallen.
Okay, wo ich hingegen ausnahmsweise ernsthaft angepisst die Augen verdrehe, ist, wenn oberclevere Ultra-Schnitzel-Anbeter in aller Regelmäßigkeit mit dem selten dämlichen Spruch: „Ha, Hitler war Vegetarier“ ankommen. Mal ganz davon abgesehen, dass der Typ es nicht gewesen ist, ist diese Trottelaussage mal definitiv der Tiefpunkt des Argumentations-Levels.
Ansonsten aber darf über das ungleiche Nahrungsmittelverzehrverhalten geschlechtsreifer Großstädter wirklich sehr gerne diskutiert und unbedingt gelacht werden: Herrlich etwa der exemplarische Dialog zwischen Norbert und dem Metzger in „Der bewegte Mann“: „Die Wurst, die da drin ist, ist die für mich?“ – „Das ist eine Tofu-Wurst.“ – „Also, das ist wieder keine echte Wurst, oder was?“ – „Das ist eine echte Tofu-Wurst.“ Ebenfalls gut zwei Simpsons-Szenen: In der einen besucht Lisa ihren ins Gefängnis gesteckten Schwarm, der, mit Leib und Seele Tier- und Naturschutzaktivist, ihr punktgenau erklärt: „Ich bin Level 5-Veganer. Ich esse nichts, was einen Schatten wirft.“ In einer anderen Folge wollen Lisa und Bart ein Kalb befreien und verabreden sich daraufhin mit zwei Tierbefreierkids unter der plakativen Losung: „Milch ist Völkermord – Ziegenkäse ist Rassismus.“
Heißt, kunstvoll durch den Kakao ziehen ist erlaubt und trottelig wird es erst, wenn die Massenmedien anfangen, sich mit dem Phänomen Veganismus zu beschäftigen. Wie einmal die NEON, als eine überforderte Autorin meinte, sich zum Thema äußern zu müssen und als Lehrbeispiel den Fall hervorkramte, als ein offensichtlich verwirrter Mensch versuchte, sich nur noch von Licht zu ernähren und daraufhin verhungerte. Das hat mit Veganismus nichts zu tun! Wenn, dann erleiden noch eher 10 000 fettleibige Pflanzenfresser eine Herzattacke, weil sie zu viele milchfreie Schokoriegel verputzt haben.
So bleibt schlussendlich nur ein Ausweg aus dem Dilemma: Stefan L. muss die Einladung zum Veggie-Street-Day annehmen, sich durch alle veganen Döner-, Burger, Hot-Dog-, Chilli- und Eisstände kämpfen, seinen Frieden mit Hardline-Holger schließen und am Ende selbst zum Veganertum konvertieren. Seine erste Reaktion vor wenigen Wochen auf Facebook im Hinblick auf das heutige Schlemmerfest lässt jedoch anderes vermuten: „Gute Gelegenheit, ein paar Steaks zu marinieren.“ Irgendwie schwant mir der Verdacht, dass die nicht aus Soja sein werden… In diesem Sinne: Bis gleich am Kuchenstand!
Fotos: Tierfreunde e.V.
Christian Vagedes, Veganer, und Autor von „veg up. die veganisierung der welt“ habe ich gerade „kennengelernt“, hier:
„Biologisch-dynamische Landwirtschaft ist antivegan“
https://www.scilogs.de/wblogs/blog/detritus/bio/2012-08-07/biologisch-dynamische-landwirtschaft-ist-antivegan
Christian Vagedes verehrt den Scharlatan Rudolf Steiner, Zitat Vagedes:
„in meinem buch »veg up. die veganisierung der welt« (…) zitiere ich zahlreiche aussagen rudolf steiners, gerade aus seinen wichtigsten schriften, die nichts anderes zulassen, als aus aller eigenen logik heraus zur notwendigkeit einer veganen ernährung zu gelangen.“
(bei Vagedes steh‘ ich vor dem alten „Ei oder Henne-Problem“ – was war zuerst da: führt Veganismus zu einer Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit, oder führt eine Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit zu Veganismus? Wer das nicht versteht, sollte Christian Vagedes‘ Kommentare lesen)
Ich bin dem Fleische und dem Fisch in keiner Weise abgeneigt und meine Tochter is(s)t veganisch. Wir kommen auch beim Essen bestens zusammen klar, denn ab und zu und immer wieder finde ich veganische Speisen als eine wunderbare kulinarische Abwechslung. In diesem Sinne wünscht auch ein Ruhrbaron allen Besuchern köstlichen Spaß beim Veggie Street Day!
Naja, glücklicherweise gibt es auch völlig andere Verhältnisse zwischen Leuten, die vegan leben und denen, die das nicht tun. Denn in einem sozialen Umfeld, das so zynisch und anstrengend ist, wie es hier zum Beispiel von Stefan Laurin als angebliche Normalität inszeniert, da würde ich wirklich ungerne leben wollen.
Wem das Spaß macht, bitte – aber ich freu mich dann immer, dass ich ein deutlich solidarischeres Umfeld habe, das Unterschiedlichkeit nicht als Problem, Abweichung oder Ansatzpunkt für immergleich-nervige Witze wahrnimmt, sondern als Wert an sich.
So, jetzt geht’s aber erstmal nach Dortmund – lecker essen und, wie immer, sich darüber ärgern, dass Essen für Leute, die vegan leben wollen, immer noch viel zu „szenig“ ist. Überhaupt nix gegen die Szenen (im Gegenteil, hoch lebe die Subkultur!), aber: Mehr Mainstream wäre mehr gut, auch was Qualität und Preise von veganen Produkten angeht. Und dann könnte politischer Aktivismus, den ich vielfach wirklich gut finde (und in manchen Ausprägungen auch völlig bescheuert), auch mal getrennt von so realpolitischen Entscheidungen diskutiert werden, wie von der Frage, was man denn nun auf dem Teller haben will. Die Frage nach dem Essen ist zwar viel mehr als nur eine persönliche Entscheidung, aber politische und ethische Weltanschauungen auf soe eine basale Frage zu reduzieren, das ist auch echter Unsinn.
„Mehr Mainstream wäre mehr gut, auch was Qualität und Preise von veganen Produkten angeht.“
Definitiv! …oder aber auch „fairerweise“ z.B. Soja-Drinks genauso subventionieren, wie Kuhmilch
„führt Veganismus zu einer Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit, oder führt eine Einschränkung der kognitiven Leistungsfähigkeit zu Veganismus?“
ohjeohjeohje
ach so, die Antwort lautet: Veganismus ist angeboren, von Gott gegeben und nicht heilbar
@ Michael Blatt #5
erst lesen, dann antworten …:
„Wer das nicht versteht, sollte Christian Vagedes‘ Kommentare lesen“ – hier:
https://www.scilogs.de/wblogs/blog/detritus/bio/2012-08-07/biologisch-dynamische-landwirtschaft-ist-antivegan
@ Andreas: Ich hab es gelesen 🙂
Worum es mir geht: Ich sage ja im Beitrag, dass man das Thema gerne pfiffig diskutieren darf.
Aber ich mag nicht dieses direkte Keulenschwingen. Krude Steiner/Vagedes-Ansichten stehen doch nicht exemplarisch für die Idee des Veganismus. Dagegen kann man bei Bedarf auch anders argumentieren.
Wenn du individualisiert geschrieben hättest: „führt Veganismus bei Vagedes zu einer Einschränkung…?“, hätte ich es auch nicht für nötig gefunden, die Aussage zu zitieren.
Und wenn, als Bsp., ein Fachblatt für Geflügelhaltung das Vollpumpen der Hühner mit Antibiotika rechtfertig, ist das ja auch nicht gleich die Linie aller Ei-Esser…
@ Michael Blatt #7
freut mich, dass du „ES“ – VagedES“ – gelesen hast !
Ich denke, jetzt können wir anders reden: ich sympathisiere mit „Vegetarismus“, zu „Veganismus“ hatte ich bis zu meinem kleinen Plausch mit Christian Vagedes gar keine Meinung.
Christian Vagedes hat bei mir allerdings die Alarmsirenen aufheulen lassen, und Vagedes ist ja nun ein bekannter (?) Vertreter des Veganismus:
–
https://www.vegane-gesellschaft.org/impressum
vegane gesellschaft deutschland e.v.
vorstandsvorsitzender: christian vagedes
Ich habe immer Schwierigkeiten zu verstehen, warum man den Vegetarismus eines gewissen Herrn Hitler nicht thematisieren dürfen soll. Das Arschloch war nun mal Vegetarier, auch wenn es Zeugnisse dafür gibt, das sich in vielen Jahren vielleicht ein paar wenige Male ein Speckwürfelchen in des Führers Gemüseeintopf verirrt haben mag. Er war auch nicht wegen eines Magenleiden oder chronischer Blähungen (Schön wärs ja..) Gemüsefresser, sondern weil sein bewunderter Musikgott Wagner in mehreren Schriften zum Fleischverzicht aufgerufen hatte. Ich selbst habe schon mal in einer Diskussion auf den Vegetarismus Hitlers verwiesen. Nicht weil ich ein „Ultra-Schnitzel-Anbeter“wäre, sondern weil man von mit übersteigertem Sendungsbewustseinausgestatteten Veganern immer mal wieder gesagt bekommt, das „Aasfresser“ ernährungsbedingt viel agressiver seien als sanftmütige Vegetarier oder oberfriedliche Veganer.
Leider konnte ich aus Zeitgründen (Urlaub einer angesagten Lokalität) diesen historischen Tag nur mit einem Besuch an einer Dönerbude feiern. Leider gab es dort keine foie de gras. Leider darf dieses vorzügliche Produkt hier nicht lokal hergestellt werden…
danke für das meerschwein-rezept!
meerschweine sind unnütze tiere, sie fungieren als „alarmanlagen“ gegen ratten.
nähern sie sich, fängt das schwein an zu fiepen und vertreibt die ratten dadurch, diese können die frequenz nicht ertragen und treten die flucht an. als überzeugter rattenhalter begrüße ich die verbreitung des rezeptes um der meerschwein-plage ein ende zu setzen. senden sie es doch bitte nebst erklärung an den VdRD.eV. Danke
@ Andreas #8: Kann ich dir nichts zu sagen, da ich mich nie konkret/vertieft mit Anthroposophie und etwaigen Denkansätzen auseinandergesetzt habe. Das gilt auch für die Vegane Gesellschaft (wie sich das schon anhört) und ihre Köpfe.
@ #9: Wo immer sich sendungsberufene Fleischesser und Verzichter begegnen, wünsche ich ihnen, dass sie im Sinne einer Diskussionskultur mehr auf Lager haben, als nur Hitler vs. Pot-Schurkenquartett zu spielen bis der nächste Bus kommt.
Vegetarische Lebensweise mal so ratzfatz abzulehen, weil Hitler auch Vegetarier war, ist tatsächlich nonsense.
Allerdings: Das Argument kommt meistens als Reaktion auf das nicht minder beschränkte und von mit viel Sendungsbewußtsein ausgestatteten Vegetariern/Veganern des öfteren gebrachte Argument, daß „durch Fleischessen Kriege entstehen“, weil Fleischkonsum angeblich so tierisch aggrressiv macht. Dann darf durchaus ungläubig der Kopf geschüttelt und in aller Unschuld bemerkt werden: „Ist ja furchtbar! Nicht auszudenken, was Hitler angestellt hätte, wenn der auch noch Fleisch gegessen hätte!“
Ansonsten bringen wir als Beispiele natürlich nur Leonardo da Vinci, George B. Shaw, Lew Tolstoj, Ghandi und Barbara Rütting…
Nur eins verstehe ich nicht: Warum muß es Tofu“wurst“ sein, oder Tofu“schnitzel“, oder Tofu“burger“? DAs klingt doch ein klein wenig nach Ersatz…
Wenn ich vegetarisch koche, koche ich vegetarisch, dann brauche ich keinen Ersatz. Und vegetarisch kochen heißt bei mir nicht „Bunde Nudeln Alfredo mit Sahnesauce und Erbsen“, mit denen Vegetarier auch in Spitzenrestaurants bestraft werden, da denke ich mir lieber selbst was flottes aus. Gut fündig wird man auch in der mediterranen oder indischen Küche. Kein Ersatz weit und breit! Kein Tofu-Dingsbums, man wird satt und es schmeckt lecker.
Besonders skeptisch macht mich das stetig wachsende „Veggie“-Wurst-Schnitzel-Burger-Angebot in den Regalen der Supermärkte. Ich werde den Verdacht nicht los, daß mir da für viel Geld Chemie pur verkauft wird und das alles andere als gesund ist (genau wie übrigens der ganze Light- und Low-fat-Kram-Gummi-Käse und Schleimi-Joghurt).
Tofu, lange Tradition in Asien, ist an und für sich ist erstmal gesund und als Eiweiß-Spender sehr sinnvoll für die vegane Ernährung.
Was daraus dann teilweise für Gerichte entstehen, auch wenn Bio draufsteht, ist dann in der Tat sicher nicht wirklich gesund.
„Chemie pur“ wird es nicht sein, aber umso mehr Zusatzstoffe, desto fragwürdiger.
Das gilt vor allem für Fertigprodukte.
Man sollte aber Veganer auch nicht generell darauf festnageln, zwingend gesunde Frischware zu konsumieren. Machen Fleischesser unter sich ja auch nicht. Letztlich hat jeder seinen persönlichen Anspruch an das eigene Kochniveau.