YMS2010: Eine Innenstadt

Gestern waren wir in der Innenstadt Kairos. Dabei begegneten wir Menschen, die es in Deutschland kaum noch gibt. Kaufleute, die in ihren eigenen Geschäften ihrer Arbeit nachgehen.

Auch in Kairo gibt es Einkaufszentren, aber es sind nicht allzu viele. Der Einzelhandel ist traditionell organisiert: In kleinen, zumeist inhabergeführten Geschäften, kann man alles kaufen: Vom iPhone über den Anzug bis zu Lebensmitteln. Das führt nicht nur zu einem herrlich unübersichtlichen Angebot, das Lust darauf macht entdeckt zu werden, sondern auch zu einer extrem lebendigen Innenstadt. Ohne die immer gleichen Ketten von Zara bis H&M und ohne die Citykiller von ECE oder mfi ist eine  Stadt lebendig, laut und pulsierend. Die letzten Reste dieser Urbanität, die auch in Europa eine lange Tradition hat, geben wir gerade auf, in dem wir die Reste unsere Innenstädte den Citykillern überlassen.

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Laurent Delorme
Laurent Delorme
14 Jahre zuvor

Such a stupid comparaison,beetween Cairo and German Citys.
You really don’t know what you’re talking about.
The retail is allways driven by what the customers are asking for so far,even in Cairo,and not by what you ‚re expecting.

Laurent Delorme
Principal Architect
Maf Properties Dubai

genova
14 Jahre zuvor

Mr. Delorme sollte sich erstmal in der Architektursoziologie umschauen, bevor er ganze Städte baut, nicht nur auf die Investoren hören. Dass Bedürfnisse auch geschaffen werden, ist ihm wohl fremd. Historisch betrachtet waren deutsche Städte einmal ganz ähnlich organisiert.

Kairo machte auch auf mich diesen Eindruck des radikalisierten Einzelhandels. Und auch der Großhandel funktioniert auf dieser individualistischen Schiene. Ich erinnere mich an die Straße der Schuhproduktion, irgendwo in einer der islamischen Altstädte. Zuerst kamen nur Läden für Leisten, dann Läden für Sohlen, dann Läden für Leder, dann Läden für Schnürsenkel etc. Nach etwa einen Kilometer sah man dann die Läden des Großhandels fertiger Schuhe. Man braucht nur mit einer Karre einmal die Straße langzufahren und hat alles aufgeladen, was man zur Produktion von ein paar hundert Schuhen braucht. Das ist nicht so effektiv wie in der komplett durchrationalisierten Produktion, aber es ist für alle Beteiligten sicher kommunikativer und identitätsstiftender.

Nicht vergessen sollte man bei der Betrachtung jedoch, dass die Mittelschicht diese Viertel verlässt und schon verlassen hat. Die wohnen in neu errichteten Städten in der Wüste, mit Rasen und wahnsinnigem Wasserverbrauch, und kaufen in Shoppingcentern ein und betreten die Innenstadt Kairos höchst selten. Diese wurde, so scheint es mir, von den Behörden in weiten Teilen aufgegeben. Selbst das Ägyptische Museum wird jetzt direkt neben den Pyramiden und somit außerhalb der Stadt neu gebaut. Die wichtigste Uni wurde ebenfalls nach draußen verlagert.

Ein verwandter Erfahrungsbericht:
https://exportabel.wordpress.com/2010/03/11/kairo-und-die-seele-der-stadt/

Viel Vergnügen noch in Kairo!

christian westheide
christian westheide
14 Jahre zuvor

Da muss man gar nicht so weit fahren, um Städte zu sehen, die die Schönheit des Einzelhandels, das Sprüchlein von der Vielfalt statt Einfalt, noch leben. Von der Fußgängerzonen / Centro Tristesse des Ruhrgebiet nur zwei Stunden bis Frankreich oder Belgien. Selbst in der unfassbar teuren Hauptstdt Paris gibt es außer am Champs Elysees überall Buchläden, Schuster, Bäckereien (nicht Kamps o.ä.), Metzger, Gemüsehändler, Käsehändler, Weinhändler, Blumenläden, Knopf und Stoffläden usw usf. Ganz abgesehen von Boutiquen und Cafes und all das. Und das gilt auch für Städte, die viel viel kleiner sind.

Diese Kultur lebt, weil es die Leute wollen, weil es sich rechnet, und weil eine Verwaltugn gegen die Monopolisierung und Versteppung der Kauflandschaft im Stadtbild arbeitet.

genova
14 Jahre zuvor

Stimmt, diese Lädenvielfalt gibt es in Frankreich in jeder Mittelstadt. Eine Frage der Lebens- und insbesondere Esskultur.

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