Die heutige Pressekonferenz von einem Buben und drei Damen in Frankfurt bremste Ypsilanti endgültig auf den Weg zur Macht in Hessen aus. Dahinter steht wohl kaum, wie manche vermuten mögen, die SPD Spitze in Berlin. Das Desaster aus Hessen trifft die Bundespartei wie der letzte Wellenbrecher einen havarierenden Tanker.
Es mag ja sein, dass die neue SPD-Führung das Werben Ypsilantis um die linke Mehrheit in Hessen nicht unterstützte. Doch Müntefering ist klug genug zu wissen, dass allein der Erfolg auch eine schlüpfrige Angelegenheit im Nachhinein heiligt. Ein Misserfolg von Ypsilantis Machtanspruch bringt jedoch die gesamte Partei in Schieflage.
Oder glaubt wirklich einer, dass die SPD das Wahljahr 2009 mit einer Klatsche in Hessen beginnen wollte. Danach sieht es nun aus. In Hessen wird es Neuwahlen geben, und Koch wird triumphieren.
Ypsilanti muss die Gründe für die Schmach bei sich suchen. Die Russen haben ein Sprichwort. Fünf Finger steckst du nicht gleichzeitig in den Mund. Ypsilanti versuchte auch noch die Finger Hermann Scheers in den Mund zu stopfen. Der Sonnenkönig und sein Anspruch wurden so zur Nemesis der Sozialdemokratin.
Wie konnte es passieren, dass die Hessin, die doch jede Stimme brauchte, dennoch bei der Ministerwahl ihren innerparteilichen Gegner Jürgen Walter brüskierte?
Da gibt es nur eine Erklärung, die auch die jetzige Finanzkrise erklärt. Gier frisst Vernunft. Auch wenn man nur ein wenig etwas von Macht versteht und gleichzeitig weiß, dass es auf jede Stimme ankommt, dann muss man den Gegner, den man nicht ausschalten kann, sich zum Freunde machen und ihm soviel geben, wie er wünscht, wenn nicht sogar mehr. Ypsilanti hätte Walter einbinden müssen, ihm alle Ministerkompetenzen geben, die man sich nur ausdenken kann. Denn nur dann hätte der Bube soviel zu verlieren gehabt, dass er mit beiden Händen sich an den Erfolg der SPD-Vorsitzenden gekrallt hätte.
Im Frühjahr hat Ypsilanti schlicht vergessen die Abgeordnete Dagmar Metzger zu fragen bevor sie ihren Plan erklärte, sich mit der Linken zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Und jetzt macht Ypsilanti den zweiten Fehler, schmiss Walter von Bord und hoffte, dass er noch rudern würde.
Nun denn; Ypsilanti kann halt keine Macht, und deshalb hat sie auch verloren und zieht die SPD mit in den Abgrund.
Immer dieses „Abgrund“, ts. Die holen doch nur ganz viel Schwung für die nächste Bundestagswahl – alter Münte-Trick, „Totgesagte leben länger“ und so. „Aufholen“, „Ärmel hochkrempeln“, „keine Widerrede jetzt, alle für einen und Schnauze halten“. Da wird ganz einfach die Optimierbarkeit optimiert, alle gehen kusch hinter die Spitze und wissen, es wird einmal ein Wunder geschehen. Auch so geht Machtpolitik…
Eine gute Analyse der Lage. Was fehlt, ist der Verweis auf die lange Hängepartie; immerhin wurde bereits im Januar in Hessen gewählt. Davor und danach hat Ypsilanti ihre Wähler mit falschen Versprechen beschummelt. Heute gab es die Quittung dafür.
Y hat hoch gepokert – und verloren. Hätte sie vor der Wahl erklärt, mit der Linken zusammen zu gehen, hätten die Stimmen wohl nicht gereicht. Sie fuhr volles Risiko und setzt auf Rot-Grün oder zumindest darauf, stärkste Partei zu werden. Knapp gescheitert. Wieder volles Risiko: Mit einer Stimme Mehrheit und bei Duldung durch die Linkspartei als Kandidatin anzutreten war ein Vabanquespiel. Auf Scheer zu setzen und Walter zu vergrätzen hat den Einsatz noch erhöht. Nun hat sie endgültig verloren. Es ist Zeit für die Zockerin zu gehen.
>Eine gute Analyse der Lage.
Wie bitte?
Das ist der Kommentarmainstream der morgigen Blätter. Eine Cutup-Version von Vorkötter und Prantl.
Vorkötter:
https://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/meinung/kommentare/1623898_Neuwahl-jetzt.html
Prantl:
https://www.sueddeutsche.de/,tt2m1/politik/603/316485/text/
Meine These ist ja, daß Frau Klatten, die Quandt-Erbin die Nummer gefingert haben könnte. Um von ihrer Liebesschmach abzulenken.
Ohne die Verweigerungshaltung der seltsamen Rechtssozen wäre Klattens Gigolonummer mit tödlicher Sicherheit die Story vom Tage gewesen. Mit dem Groschen, der jetzt fiel, hat sie die Hessen halt gekauft. Und niemand redet mehr von Klatten.
Stattdessen ist Ypsi ge-ext.
Wisnewski, Brökers, Wonja, Björn – übernehmen Sie!
Gute Analyse, nur eben unvollständig. Es fehlt der Hinweis auf den bundespolitischen Rahmen der Handlung, von dem aus sich vieles erklärt. Lüge oder politische Kampagne?
Und auf den medienpolitischen Rahmen: Machtgier Ypsilanits oder nur linke, übergroße Erwartungen und allzuviel Dynamik? Wer spielt welche Rolle, wer zog hier welche Fäden?
Eine Frage subjektiver W e r t u n g. Gut erzählte Geschichte, die man auch anders dramatisieren könnte.
Wie kommt ihr eigentlich darauf, dass der Ypsilanti-Sturz der Bundes-SPD (letztlich) schadet und dass es eine Klatsche für die SPD geben wird, wenn es in Hessen jetzt Neuwahlen gibt. Natürlich gibt es erst einmal das übliche Rauschen im Blätterwald mit dem üblichen SPD-Chaos-Bashing. Aber die Zeiten als Ganzes haben sich in den letzten zwei Monaten erheblich geändert und die Wirtschaftskrise wird sehr wohl auch noch den Beginn des Jahres 2009 bestimmen.
Damit steigen nicht nur in den Augen der Bundes-SPD-Planer die Chancen für eine des linken Sektierertums unverdächtigen SPD. Ypsilanti als Ministerpräsidentin ist aus dieser strategischen Perspektive sehr wohl ein größere Störfaktor als möglich Neuwahlen in Hessen mit einer desolaten weil im Clinch liegenden Regional-SPD. Das Münte, Steinmeier und Co. den Rechtsruck der Gesamtpartei ohne wenn und aber wollen, steht ebenfalls außer Frage. Und das ihnen dazu fast jedes Mittel recht ist konnte man an der Art und Weise wie sie Beck abgesägt haben gut studieren.
@Arnold: Auch die letzten zwei Monate haben der SPD in den Umfragen kaum etwas gebracht (Was ich auch nicht verstehe) – und jetzt bricht auch noch Hessen weg.
@ Stefan
Kollektive Lernprozesse dauern von der Natur der Sache her länger als indivdiduelle.Könnte sogar sein, dass Ypsilanti noch mal antritt und dieses Mal wirklich gewinnt. Diese Frau mag taktisch unklug sein, aber sie ist offensichtlich sehr zäh.
@Arnold: Vielleicht tritt sie noch einmal an – aber ich glaube kaum, dass sie und Scheer gewinnen werden. Der Hesse an und für sich mag einen merkwürdigen Wurstgeschmack (Aale Worscht) und einen derben, nahrungsmittelbezogenen Humor (Handkäs mit Musik) haben, aber er ist nicht wahnsinnig. Und als ehemaliger Frankfurter sag ich auch noch: Lass niemals Rüsselsheimer ran!
Weil Hessen neben den USA das Land der Woche ist, hier eine kurze Notiz, die mich just aus Berlin erreichte: Auch ?Der Ball ist rund? soll kaputt gemacht werden. Zum Jahresende. Denn der HR soll komplett ?durchhörbar? werden (was immer das meint).
Alles weitere unter: http://www.derballistrund.org
Dort kann man auf die gute alte Art seine Solidarität mit Klaus Walter (nicht Jürgen Walter!) bekunden. Und natürlich PROTESTIEREN. Wer Klaus Walter nicht kennt: Er ist der hessische John Peel und hat in den letzten 25 Jahren vielen das harte Leben zwischen Handkäs? mit Musik und Rippche mit Kraut erträglicher gemacht. Wie mir.