Nicht nur weil riskante Bilanzpolitik und Finanzspekulation auf dem Kapitalmarkt scheinbar zum guten Ton unter Wirtschaftsunternehmern gehören, haben sich einige Unternehmen dazu verpflichtet, einen Quartalsbericht von ihren Managementabteilungen zu fordern. Wirtschaftswissenschaftler um Prof. Dr. Jürgen Ernstberger (Lehrstuhl für Accounting, insbesondere Auditing) der Ruhr-Universität Bochum (RUB) kamen in einer Studie nun zu dem Ergebnis, dass die Unternehmen in der Folge der Berichtspflicht bei ihrer Unternehmensführung statt auf Nachhaltigkeit auf kurzweiligen Erfolg setzen, um kurz vor der Prüfung die Zahlen zu schönen. Auf den ersten Blick legen die Ergebnisse der Studie die Forderung nahe, die Pflichtberichte wieder abzuschaffen. Auf einen zweiten Blick verraten sie jedoch einiges über verbesserungswürdige Aspekte innerhalb der Unternehmenspolitik.
Die empirische Grundlage der Studie bilden die Quartalsberichte von börsennotierten Unternehmen in 15 europäischen Ländern aus den Jahren 2005 bis 2009. Um die Auswirkungen der Quartalsberichterstattung zu untersuchen, wurden daraufhin verschiedene Faktoren gemessen. „In Tampa/Florida (USA) stellten die RUB-Forscher vor kurzem die Studie vor und erhielten den Best Paper Award der American Acconting Association als Preis für den besten wissenschaftlichen Beitrag“, heißt es in der Pressemitteilung der RUB. Ob die Nachteile einer Berichtspflicht die Vorteile überwiegen, haben die Forscher jedoch nicht explizit untersucht. „Als Wissenschaftler Wertentscheidungen zu treffen, ist immer schwierig“, so Ernstberger. Denn bei der Studie handelt es sich um eine so genannte Regressionsanalyse, aus der sich schon allein aufgrund der Methodik keine Kausalität ableiten lässt.
Transparenz durch ‚Prime Standard‘
Will ein Unternehmen an der Frankfurter Wertpapierbörse mitmischen und in den dafür notwendigen ‚Prime Standard’ aufgenommen werden, muss es Quartalsberichte abliefern und weitere Transparenzstandards erfüllen. Eine Möglichkeit, zu einem positiven Quartalsbericht zu kommen, ist zum Beispiel, unmittelbar vor der Prüfung überdurchschnittlich hohe Preisnachlässe zu gewähren, um so die Umsatzzahlen kurzfristig zu erhöhen. In anderen Fällen wird einfach „weniger in Forschung und Entwicklung investiert, um kurzfristig den Unternehmenserfolg zu steigern“. Wenn das Management sich also für den schnellen, aber kurzfristigen Erfolg entscheidet, zieht ihr Verhalten langfristig schädlichere Konsequenzen für das Unternehmen nach sich. Sie schadet zum Beispiel einer potentiellen Wertsteigerung des Unternehmens. Vor allem in Fällen, in denen Unternehmen zudem schwerpunktmäßig auf Bilanzpolitik setzen, „eine geringere Anzahl von Analysten als Kontrollinstanz sowie einen schwachen Minderheitenschutz aufweisen“, ist dieser Effekt besonders deutlich zu sehen.
Korrelation ist nicht Kausalität
Da die Pflicht, vierteljährlich Bericht zu erstatten, dazu führt, dass einige Manager für ihren Erfolg und gute Zahlen tricksen (womit sie jedoch auf lange Sicht das Unternehmen entsprechend zugrunde richten), scheint die Studie nahe zu legen, die Berichtspflicht wieder abzuschaffen. Doch gibt die Studie an keiner Stelle darüber Auskunft, ob die Berichte die eigentliche Ursache für das unternehmensschädliche Verhalten der Manager sind. Auch die Wirtschaftswissenschaftler der RUB wissen: Korrelation ist noch lange keine Kausalität. So darf man aus der Tatsache, dass man die Feuerwehr oft bei Bränden findet, nicht folgern, dass die Feuerwehr die Ursache für Brände sei. Was die Schlussfolgerung betrifft, sollte man sich also davor hüten, die Ursache mit der Wirkung zu verwechseln. Mit der Forderung, die Manager von ihrer Pflicht zu den Quartalsberichten zu entheben, würde man nämlich gleich das Kind mit dem Bade ausschütten.
Nachhaltigkeit gilt nicht als Erfolgskriterium
Denn dass die Unternehmen selbst eben jene Strukturen schaffen, die ein Verhalten der Manager begünstigen, das auf kurzfristigen Erfolg statt auf Nachhaltigkeit angelegt ist, wird bei der Debatte um die Berichtspflicht so gut wie nie berücksichtigt. Stattdessen werden wissenschaftliche Studien dieser Art dazu missbraucht, die Berichtspflicht als die Wurzel des Übels auszugeben. Das ist jedoch nicht einleuchtend, sondern lediglich argumentativ fragwürdig. Bekanntestes Beispiel für eine solche Argumentation ist der damalige Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Dieser weigerte sich (entgegen den Vorgaben der Deutschen Börse), eine regelmäßige vierteljährliche Berichterstattung durchführen zu lassen. Aber anders als er argumentiert, behindert nicht die Berichtspflicht langfristige Strategien, sondern die Unternehmen selbst. Nachhaltigkeit gilt in den meisten Unternehmen schlichtweg nicht als ein relevantes Erfolgskriterium, um die Entscheidungen ihrer Mitarbeiter zu beurteilen. Solange sich Unternehmen nicht damit auseinandersetzen, ob und inwiefern getroffene Entscheidungen ihrer Mitarbeiter positive Auswirkungen auf einen nachhaltigen Unternehmenserfolg haben und diese entsprechend belohnen, werden sich ihre Mitarbeiter mit dem kurzfristigen Erfolg von Quartalsberichten begnügen, um ihr eigenes Fortkommen und ihre Karriere zu sichern.
Die (Un)sitte mit den Quartalsberichten stammt, wie vieles in der modernen Unternehmenskultur, aus den USA. Die Frage ist doch: Wo soll ein nachhaltiger Unternehmenserfolg – gemeint ist wohl: längerfristiger Unternehmenserfolg – denn herkommen, wenn er nicht durch Rahmenbedingungen – und das sind immer „Druckverhältnisse“ – eingefordert werden? Von wem auch immer. Quartalsberichte verkürzen da schlicht den Horizont.
Und ein „nachhaltiger Unternehmenserfolg“ heißt immer auch eine ökologisch ausgerichtete Unternhemensführung. Der Begriff wird heute leider inflationär gebraucht, stammt ursprünglich aus der Forstwirtschaft und mein: das was man abholt auch wieder aufforsten, damit genug nachwächst. Davon ist die Wirtschaft aber meilenweit entfernt. Mit oder ohne Quartalsberichte.
‚Nachhaltigkeit‘ meint hier in Abgrenzung zu ‚kurzfristig‘ in der Tat ‚einen langfristigen Unternehmenserfolg‘, also in erster Linie noch nicht einmal unbedingt eine ökologische Ausrichtung von Unternehmen. Wobei dies in letzter Konsequenz natürlich auch dazu gehören würde.
Unternehmen argumentieren gerne damit, dass Erfolg messbar bzw. unmittelbar erfassbar sein muss. Dabei ist es doch so, dass sich (zumindest was die Handlungsausrichtung und Haltung betrifft) unmittelbar überprüfen lässt, ob die Mitarbeiter Entscheidungsstrategien verfolgen, die auf langfristig positive Auswirkungen für das Unternehmen angelegt sind oder ob sie stattdessen Strategien vorziehen, die für kurzfristig gute Zahlen sorgen und damit zuallererst den Mitarbeitern selbst nutzen, aber einem langfristigen Unternehmenserfolg schaden.
Unter Einbeziehung der Variablen (die zum Zeitpunkt bekannt sind, an dem man eine Prognose über die Nachhaltigkeit von Entscheidungen erstellen möchte) lassen sich mithilfe von Modellen gewisse Entwicklungstendenzen vorhersagen.
Dazu müsste das Unternehmen aber zunächst definieren, was in ihrem Fall als nachhaltig gelten soll und die Strukturen im Unternehmen darauf ausrichten, dass ein solches Verhalten ihrer Mitarbeiter ermöglicht, begünstigt und entsprechend belohnt wird. Sprich: Eine grundsätzliche Strukturveränderung in der Unternehmenspolitik.
Das würde dann auch bedeuten, dass Rahmenbedingungen eben nicht gleich ‚Druckverhältnisse‘ sind. Quartalsberichte verkürzen doch nur dann den Horizont, wenn es dem Unternehmen selbst nur um den schnellen und kurzfristigen Erfolg geht.
Lustige Doktorspielchen, die der Herr Professor hier abliefert. Es gehört nun schon die gesamten 30 Jahre meiner Berufstätigkeit zum „guten Ton“, dass am 1.4 Massen an Budget verfügbar werden, vie noch am 31.3. völlig außer Reichweite schienen. Gleichzeitig haben alle Vertriebler spätestens ab dem 10.3. Ringe unter den Augen, die einem um die Herzinfakrtquote Anfang April fürchten lässt. Und das geht nun gefühlte 120 Quartale meines Berufslebens so. Und dann steigt plötzlich ein oberschlauer Guru aus seinem selbstgebastelten Elfenbeinturm aus Pappmache und entdeckt, dass das ineffektiv ist. Kicher! Was wäre denn effektiver? Den Takt auf Monatsberichte zu erhöhen? Oder nur noch alle 24 Monate einen Unternehmensbericht abzuliefern? Ich nehme diesen Herrn Professor Dr. als mahnendes Beispiel dafür, dass es in Deutschland nicht nur zu viele Universitäten mit viel zu vielen völlig nutzlosen und unbedeutenden LEERstühlen gibt, sondern dass Akademiker in dieser Gesellschaft allgemein völlig überschätzt werden. Anders ausgedrückt, die Steuern in unserem Land sind nur deshalb so hoch, weil die Hierarchien nicht flach genug sind. Letzteres zu lösen (Manager an die Werkbank) würde die Mehrzahl aller Unternehmensberichte außer der Jahsbilanz vielleicht, überflüssig machen. Und das ist nicht erst seit 30 Jahren eine richtige Erkenntnis, für die es keine Professoren und keine Doktoren braucht.