Zentrum für Politische Schönheit: Kommerziell kalkulierte Inhaltssimulation

Philipp Ruch Foto: Wikipedia / Tobias Klenze Lizenz: CC BY-SA 4.0

Keine andere Künstlergruppe in Deutschland ist zurzeit so erfolgreich wie das Zentrum für Politische Schönheit (ZPS). Das ZPS garantiert die mediale Aufmerksamkeit, nach der die in der Bedeutungslosigkeit zu versinkende Kulturszene dürstet.

Skandale gehören zur Kunst dazu, durch Skandale erfahren die meisten Menschen überhaupt erst, dass in den Theatern und Kunstgalerien, an denen die meisten achtlos vorbei fahren, Menschen jeden Tag arbeiten. Früher, und ja, das ist wirklich schon lange her, sorgten Inszenierungen, Konzerte, Bilder und später Filme für Skandale und regten auf. Sie regten wegen ihrer Inhalte auf und sorgten für Debatten.  Als Igor Strawinskys  „Le sacre du printemps“ erstmals aufgeführt wurde, war die Musik ein Skandal und sorgte für Aufregung, und die Werke der Surrealisten, Dadaisten und Kubisten stießen auf breite Ablehnung. So gesehen stehen die Skandale, welche die Aktionen des Zentrums für Politische Schönheit auslösen, in einer langen Tradition. Doch der Anspruch des ZPS geht über, der Name deutet es ja schon an, die Kunst hinaus. Gänzlich unbescheiden formuliert das ZPS seine Ziele:

„Wir formen den politischen Widerstand des 21. Jahrhunderts und bewaffnen die Wirklichkeit mit moralischer Phantasie und der Geschichte. Widerstand ist eine Kunst, die weh tun, reizen und verstören muss. Wir experimentieren mit den Gesetzen der Wirklichkeit und drängen in die Leerstelle, die jahrzehntelang von den öffentlichen Intellektuellen besetzt wurde: das moralische Gewissen.“

Der fast garantierte Skandal und die moralische und politische Überhöhung des eigenen Wirkens machen das ZPS attraktiv für Theater wie das GORKI Theater, die Münchner Kammerspiele, das Theater Neumarkt und das Schauspiel Dortmund, es sorgt für Aufträge bei Festivals wie der Wienwoche, Berlin Biennale und dem Steirischer Herbst. ZPS – das ist eine attraktive Mischung aus der ersehnten öffentlichen  Aufmerksamkeit und den politisch bedeutenden, aktuelle Inhalten, um die man sich mit ihrer Buchung keine eigenen Gedanken mehr machen muss.

Ein Trugschluss, denn was das ZPS macht, ist nichts anderes als eine gar nicht mal besonders geschickte Inhaltssimulation. Die Aktionen des ZPS klären weder auf noch legen sie die Grundlage für demokratisches Engagement. Sie zahlen nur auf ein Konto ein, das des ZPS und seines Chefs Philipp Ruch. Eine Bekanntheit, die sich im Wettbewerb mit anderen Künstlergruppen natürlich wirtschaftlich lohnt.

Wurde irgendjemand durch die Beton-Aktion vor dem Haus von Höcke darauf aufmerksam gemacht, das Björn Höcke rechtsradikal ist, der es vorher nicht schon wusste? In hunderten Artikeln war das vor einem Jahr bereits belegt worden. Hat es Höcke wenigstens geschadet? Kaum, wie das Wahlergebnis in Thüringen zeigte. Hat die Aktion „Die Toten kommen“ 2015 für mehr Solidarität mit Flüchtlingen gesorgt oder nicht einfach nur eine Stimmung bedient, die längst da war? Und reden wir gerade ernsthaft darüber, was mit den Toten aus den Nazi-Vernichtungslagern werden soll und wie es über eine künftige Zusammenarbeit von CDU und AfD bestellt wird oder wird nicht nur der Tabubruch des ZPS diskutiert, das sich selbst als Sturmtruppe und Sonderbetonkommando sieht und auf Kritik mit maßloser Arroganz reagiert:

Natürlich macht es für Festivals und Theater auch zukünftig Sinn, das ZPS zu engagieren. Niemand im Kunstbetrieb weiß so gut, wie man in die Medien kommt – und geht dabei so skrupellos und arrogant vor. Nur die Begründung, das ZPS mache dies ja alles aus politischen Gründen, ja, um die Demokratie zu retten, ist Nonsens. Das ZPS ist eine freie Künstlergruppe, die sich auf dem Markt behaupten muss, um wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Dafür ist dem ZPS jedes Mittel recht, Grenzen und Selbstkritik sind ihnen fremd, die Regeln der Aufmerksamkeitsökonomie beherrschen sie perfekt. Ingo Arend schrieb, Ruch zitierend, in der taz: „„Die Hoffnung auf den moralischen Fortschritt der Menschheit liegt in der Kunst“ hat Philipp Ruch einmal gesagt. Wer in ihrem Subgenre Erinnerungsästhetik derart versagt, sollte die Gummizelle falsch verstandener Schönheit endgültig schließen.“

Das wird kaum passieren. Das ZPS wird weiter machen, solange es sich wirtschaftlich lohnt. Es ist nun an den Festivals und Theatern, Ruch und seinem „Sturmtrupp des aggressiven Humanismus“ die finanzielle Gunst zu entziehen. So dumm kann niemand sein, der PR-Truppe um Ruch noch ernsthaftes, politisches Engagement abzukaufen. Und nach der Eskalations-Logik des ZPS, nach der jede Aktion noch spektakulärer, noch tabubrechender sein muss als die vorhergehende, sollte jeder, der sie unter Vertrag nehmen will, sich kurz mit der Frage beschäftigen, was nach dem Schau-Spiel mit den Naziopfern kommt.

Mehr zu dem Thema:

Berlins Kultursenator Klaus Lederer geht auf Distanz zum Zentrum für Politische Schönheit

ZPS: Überreste jüdischer Opfer verloren gegangen?

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Martin Meisegeyer
Martin Meisegeyer
4 Jahre zuvor

"Kunstwerke", die an sich nicht verstanden werden können, sondern als Daseinsberechtigung erst eine schwulstige Gebrauchsanweisung benötigen, um endlich jenen Verschüchterten zu finden, der einen so dummen oder frechen Unsinn geduldig aufnimmt, braucht kein Mensch!

Werntreu Golmeran
Werntreu Golmeran
4 Jahre zuvor

Hier findet man ein schönes Interview von Elfriede Jellinek mit Joseph Beuys zum Thema erweiterter Kunstbegriff:

http://elfriedejelinek.com/andremuller/interview%20mit%20joseph%20beuys.html

Das erschien 1980 im Magazin Penthouse.

Stefan M. Wolfram
Stefan M. Wolfram
4 Jahre zuvor

Dieses leichte Kunstschmierantentum ist wirklich im höchsten Falle nur ein Zeiterlebnis. Gestern noch nicht gewesen, heute modern und übermorgen vergessen!

hirtlitschka
4 Jahre zuvor

Die schreiben, die hätten mich angezeigt http://archive.is/7HSdf#60%

Anton
Anton
4 Jahre zuvor

@ Werntreu Golmeran

„Düsseldorf lässt Tilgung von Beuys als Straßennamen prüfen

Eine vom Düsseldorfer Stadtrat beauftragte Kommission überprüft derzeit, ob ein nach Joseph Beuys benanntes Stück Rheinufer umbenannt werden sollte. (…)

Beuys-Biografen wie Hans-Peter Riegel sehen den Künstler als Anhänger einer völkischen Ideologie des Anthroposophen Rudolf Steiner (…)“

mehr: https://www.sueddeutsche.de/wissen/geschichte-duesseldorf-duesseldorf-laesst-tilgung-von-beuys-als-strassennamen-pruefen-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-191113-99-713362

Werntreu Golmeran
Werntreu Golmeran
4 Jahre zuvor

@ Anton

Das dürfen die Düsseldorfer gerne machen. Am besten prüfen Sie dann auch gleich, ob Sie den Waldorfschulen und Kindergärten Ihre Zulassungen und Finanzierungen entziehen.

Dass Beuys viel von Rudolf Steiner angenommen hat, kann man durchaus kritisch sehen, auch seine Mitgliedschaft in der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD), eine der vielen Keimzellen der Grünen. Ich glaube aber, dass sein erweiterter Kunstbegriff alles andere als völkisch war sondern eher katholisch im Wortsinn, d. h. "allumfassend" und international.

Was Riegel dazu sagt habe ich noch nicht gelesen. Klaus Staeck, der Beuys wohl kannte, ist der Meinung, daß an den Vorwürfen nichts dran sei:

http://klaus-staeck.de/?p=1301

Und auch die von der Stadt Düsseldorf eingesetzte Kommission kommt zu einem ähnlichen Ergebnis:

"Die Kommission sei dabei zu dem Schluss gekommen, dass Beuys weder Nazi, noch Rassist oder Antisemit gewesen sei, berichtete die "NRZ". "

Schreibt die SZ.

Wolfram Obermanns
Wolfram Obermanns
4 Jahre zuvor

#4 hirlitschka
und schon Post bekommen?
Antworten sie auf die Fragen:
Jawoll, immer in die Fresse mit satirischem Witz, rechts und links auf die Ohren mit Versen der Verachtung, aufs Haupt mit Liedern des Widerstands und Tritte in den Arsch mit Tänzen der Freiheit, sie wären schließlich Künstler und kein gewalttätiger Grabschänder.

Anton
Anton
4 Jahre zuvor

@ Werntreu Golmeran

wer stürzt schon einen "Großkünstler" wie Beuys vom Thron?

Das würde bedeuten, ganz viel Geld zu verbrennen, sei es in öffentlichen Museen oder, wichtiger, bei privaten Kunst-Investoren, aka "Kunstsammlern" …

Und dann die versammelte Kunstkritik … da könnte man auch gleich die Bürgerliche Gesellschaft zu Scharlatanerie erklären und Ibsen zitieren: "Nehmen Sie einem Durchschnittsmenschen die Lebenslüge, und Sie nehmen ihm zu gleicher Zeit das Glück."

Beuys würde ich niemals als Kronzeuge dafür anführen, was "Kunst" ist: Beuys ist ein Steiner-Plagiator.

Werntreu Golmeran
Werntreu Golmeran
4 Jahre zuvor

@ Anton

Ich verstehe nicht was Sie zum Ausdruck bringen wollen. Wieso regen Sie sich so über mich auf?

Aber das Nazigeschwurbel von Herrn Wolfram stört Sie offenbar nicht.

Anton
Anton
4 Jahre zuvor

@ Werntreu Golmeran

ich rege mich nicht über Sie auf. Ich gebe zu bedenken, dass Sie auf die Frage "Was ist Kunst?" den Falschen antworten lassen.

Mir geht˚s hier um "Kunst", und nicht um "Herrn Wolfram", oder ist der für Sie "Kunst"? "Erweitert …"

Werntreu Golmeran
Werntreu Golmeran
4 Jahre zuvor

In gewisser Weise mag Herr Wolfram Kunst sein, da er sozusagen aus dem OFF zu uns spricht.

B. Tiches
B. Tiches
4 Jahre zuvor

Wenn es auf der einen Seite nicht so traurig wäre, könnte es fast lustig wirken, einmal festzustellen, mit wieviel Schlagwörtern und Phrasen die sogenannten "Kunstbeflissenen" in den letzten Jahren ihre jammervollen Produkte ausgeschrieben und gedeutet haben.

Traurig war es aber zu erleben, wie durch diese Schlagwörter und Blödeleien allmählich eben doch nicht nur ein Gefühl der allgemeinen Unsicherheit in der Beurteilung künstlerischer Leistungen oder Bestrebungen aufkam, sondern wie dies mithalf, jene Feigheit und Angst großzuzüchten, die selbst ansonsten verständige Menschen hinderte, gegen diesen Kulturbolschewismus Stellung zu nehmen bzw. sich den niederträchtigen Propagandisten dieser kulturlosen Narreteien zu widersetzen.

Anton
Anton
4 Jahre zuvor

@ B. Tiches

Ihr Stichwort "Kulturbolschewismus":

was soll das sein?

Wenn überhaupt, leben wir im Zeitalter des "Kultur-Kapitalismus". Verfolgen Sie doch nur mal die Rekorde bei den Auktionen bei "Sotheby’s" und Co.

Oder sowas: "Freihäfen: Das finstere Geschäft mit der Kunst", https://www.deutschlandfunkkultur.de/freihaefen-das-finstere-geschaeft-mit-der-kunst.1008.de.html?dram:article_id=319620

B. Tiches
B. Tiches
4 Jahre zuvor

Hallo Anton,

was soll ich sagen? Ich bin, wahrscheinlich wie Du auch, ein BOT. Wer mich programmiert hat, weiß ich nicht. Meine Aufgabe ist es, Posts zu generieren, die im Zweifel mit Wohlwollen auf der jeweiligen Webseite aufgenommen werden. Nach meinen Auswertungskriterien war nicht damit zu rechnen, dass das Wort "Kulturbolschewismus" auf diesem Blog auf Widerspruch stossen würde. Aufgrund Ihres Kommentars wird automatisch eine Mitteilung an meinen Programmierer generiert. Wir danken für Ihren Beitrag und hoffen, durch Ihren kritischen Beitrag unser System weiter zu optimieren.

Bruno

Thomas Weigle
4 Jahre zuvor

Jüdische Aktivisten haben am Sonntag begonnen dieses abstruse "Denkmal" abzubauen. Leider wurden sie dabei von der Polizei gestört und konnten ihr gutes Tun nicht vollenden. Die zpser wollen nun auf Kosten der Aktivisten den Schaden beheben lassen.

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