Von Mario Thurnes
Sportlich läuft es für die Los Angeles Chargers gar nicht schlecht: Sie sind mit 5:2-Siegen in die Saison gestartet. Zwar liegen sie damit in ihrer Division, der AFC West, nur auf Platz zwei. Aber mit einer Bilanz von 71,4 Prozent würde das für einen Platz in den Playoffs reichen.
Ihr Quarterback Philip Rivers hat 17 Touchdown-Pässe geworfen. Damit liegt er auf Platz drei des entsprechenden NFL-Rankings. Auf 23 Touchdowns kommt das Team insgesamt, was Platz fünf im NFL-Vergleich bedeutet. Den gleichen Platz belegt Melvin Gordon unter den Runningbacks mit 466 erlaufenen Yards.
Doch die Zukunft der Chargers ist ungewiss. Der ESPN-Reporter Seth Wickersham berichtete jüngst über seinen Twitter-Account, dass die Besitzer der Liga sich Sorgen machen um die Zugkraft und Überlebensfähigkeit der Franchise. Auf einem regulären Treffen sei dies Thema im inoffiziellen Teil gewesen.
Die Chargers sind vor zwei Jahren von San Diego nach Los Angeles gezogen. Doch der Sportmarkt in der Filmmetropole ist hart umkämpft – und bisher sind die Chargers nicht gut gelitten: „We Don’t. Want. You“, titelte die Los Angeles Times über die Chargers. Und die Zuschauer scheinen es ähnlich zu sehen.
Die Chargers tragen ihre Heimspiele in einem Fußball-Stadion aus, in das gerade mal 27 000 Zuschauer passen. Und selbst das bekommt die Franchise nicht voll. Die anderen Teams haben mindestens 50 000 Besucher – manche sogar um die 90 000 Besucher.
Derzeit wird im Stadtteil Inglewood ein neues Football-Stadion gebaut. Doch Hausherr werden die LA Rams sein. Die haben in allem die Nase vor den Chargers. Sie sind mit einer Bilanz von 7:0 gestartet und zu den Heimspielen kommen doppelt so viele Zuschauer wie beim Lokalrivalen.
Ob der tristen Zukunft als Untermieter der Rams machen sich Gerüchte um die Chargers breit: Eine Rückkehr nach San Diego? Oder ein Umzug in eine andere Stadt? Bernie Miklasz machte sich auf der Seite 101.sports.com über einen möglichen Umzug nach St. Louis lustig.
Das dürfte nicht all zu ernst zu nehmen sein. Denn St. Louis war von 1995 bis 2016 die Heimat der Rams. Für Stadt und Franchise keine erfolgreiche Zeit. Realistischer dürfte da eine Option sein, die die Fan-Seite boltsfromdeblue.com losgetreten hat: Die Chargers könnten das erste NFL-Team sein, das die USA verlässt.
Die Liga trägt bereits jetzt regelmäßig Gastspiele in London und in Mexiko aus. Da zuhause die Absätze stagnieren und mitunter zurückgehen, braucht die NFL ausländische Märkte, um Wachstum zu generieren. Gerüchte über ein europäisches Team gibt es schon länger.
Solche Hoffnungen haben auch die deutschen Fans. Seit Pro7Maxx und Pro7 wöchentlich Live-Spiele der NFL zeigen, boomt der Sport hierzulande. Und Deutschland verfügt über mehr Kaufkraft als England. Doch noch tut sich die Liga schwer damit, den Deutschen auch nur ein NFL-Spiel zu überlassen.
Der mangelnde Zuspruch ist für die Chargers nicht nur ein finanzielles Problem. Oft genug kommt es dazu, dass mehr Zuschauer in LA das Gäste-Team unterstützen, statt die Heimmannschaft. Nach einem Sieg bei den Chargers spottete der Cornerback der Philadelphia Eagles, Jalen Mills: „Das war für uns hier wie ein Heimspiel – nur näher am Strand.“
Im Football sind die Fans ein größerer Faktor als im Fußball. Denn in den meisten Stadien werden sie richtig laut, wenn die Gäste-Teams dritte Versuche haben. Wenn es dann drauf ankommt, den Spielzug am Leben zu halten, können sich Quarterback, Receiver und Runningbacks nur noch über Zeichen verständigen – ein echter Nachteil.
Am vergangenen Sonntag gewannen die Chargers in London. 20:19 gegen die Tennessee Titans. Vor rund 80 000 Zuschauern. Manches spricht dafür, dass sie dort künftig häufiger auftreten.