Der Förderturm von Zollverein ist zum Symbol für das Ruhrgebiet geworden. Und für das, was hier alles schief geht.
Weltkulturerbe ist Zollverein. Der Kölner Dom des Ruhrgebiets. Stolz einer ganzen Region, Ausflugsziel für Radtourer, Schulklassen und Ballettliebhaber. Inmitten der hässlichsten Ecke Essens, nicht weit von der stinkenden Emscher entfernt, haben sie es versucht. Mit dreistellligem Millionenaufwand sollte der Strukturwandel erzwungen werden. Die Hybris der Ruhrgebiets-Politik lässt sich hier festmachen: Große Pläne, große Versprechungen, großes Geld und mäßige Ergebnisse: Von der angekündigten Kreativjobmaschine ist bis heute kaum etwas zu sehen. Das erfolgreichste privatwirtschaftliche Projekt auf Zollverein ist das Restaurant Casino. Auch um den Hotel-Scheich ist es ruhig geworden. Alles was sonst auf Zollverein funktioniert, muss, wie das Ballettzentrum PACT oder das Ruhrmuseum, mühsam mit Steuergeldern gefördert werden. Inmitten von Stoppenberg ist so eine Multi-Millionen Museumslandschaft ohne wirtschaftliche Anbindung an den Stadtteil entstanden. Ein begehbares Strukturwandel-Museum der gebrochenen Versprechen.
Damit könnte man leben. Das ist man gewohnt im Ruhrgebiet. Wir sind hier nicht so. Es ist ja nur zum geringsten Teil unser Geld. Das Geld kommt vor allem aus dem reichen Süden der Republik, aus der Europäischen Union, aus Düsseldorf. Wir geben es nur aus. Und haben uns längst abgewöhnt, darüber nachzudenken, ob es Sinn macht oder nicht. Wir sehen das sportlich. Wie die Jungs am Tresen. Die fragen sich auch nicht, ob der achte Kümmerling vor Vier eine sinnvolle Investition ist. Die kippen den einfach runter.
Blöd war nur, was man in den letzten Tagen in der WAZ lesen konnte. Das beim Bau des Ruhrmuseums Sicherheitsauflagen nicht eingehalten wurden. Das Besucher im Brandfall auf eine Ventilator mit Bohrhammerlautstärke zulaufen müssen, was sie nach Erfahrungen von Experten nicht tun werden. Die gehen dann zurück ins Feuer.
Burn, Trixi, Burn.
Und dass dann die Stiftung Zollverein, die schon mehr Geld ausgegeben hat, als man wohl zur Sanierung des gesamten Essener Nordens benötigen würde, noch nicht einmal ihre Rechnungen halbwegs pünktlich zahlt, ist mehr als peinlich.
Aber nicht wirklich verwunderlich.
Ein vernünftiges und realistisches Konzept, was mit Zollverein gemacht werden soll, gab es noch nie. Und verantwortlicher Umgang mit Geld ist auch nicht die Stärke der Regenten um den Förderturm. Die beste Idee hörte ich mal Anfang der 90er Jahre. Der damalige Dekan des Fachbereichs IV der damaligen Uni Essen wollte nach Zollverein ziehen: Mit allen Designern, aber auch den Kunst-Lehramtsstudenten und den Gestaltungstechnikern. Weit über tausend Studenten hätten wenigstens für ein bisschen Leben gesorgt. Und wer weiß, vielleicht wären auch ein paar in Stoppenberg und Katernberg hängen geblieben und hätten ein paar nette Kneipen oder Galerien gegründet. Ich rede hier nicht von großkotzigen Gentrifizierungsvisionen, sondern von ein wenig mehr Lebensqualität im Quartier.
Daraus wurde nichts. Aber irgendwann ziehen wenigstens die Folkwang-Designer nach Zollverein. Wenn auch nicht freiwillig. Denn mit dem Sanaa-Gebäude kann niemand, der rechnen muss, etwas anfangen.
Was Zollverein braucht ist eine vernünftige Führung. Leute die rechnen können. Ideen haben aber trotzdem in der Lage sind, ihre Eitelkeit im Zaum zu halten. Solche Leute gab es auf Zollverein noch nie. Und sie sind auch nicht in Sicht.
Was da auf Zolllverein los ist, kann sich keiner vorstellen. Niemand traut sich was zu sagen. Soviele Lieferanten kriegen ihr Geld gar nicht Odd zu spät. Das hat doch System, meine ich. Und in der NRZ und der WAZ werden nur die Märchen der Chefs erzählt, da traut sich doch keiner mehr hin, was zu sagen, wer sich selber auskennt.
Bliebt dran Ruhrbarone. Da ist noch viel zu erfahren. In Zollverein brennt nicht nur der Brnadschutz. Wer verdient da Geld, wer kriegt da überhaupt.
Verantwortlich für das alles sind Herr Marth und Frau Heydorn. Schauen Sie sich an, was die treiben. haben Sie keine Angst, wenn die andren schon alle Angst haben. Einer muss die Wahrheit schreiben.
Ich dachte das ganze wäre wohl organisiert, wie die LVR /LWL Einrichtungen.
Ich bin erstaunt.
Wie sicher ist denn dann der Standort des Ostwall Museum im Dortmunder U?
Bemerkenswert ist sicherlich, dass der im Verdacht der Gefälligkeitsbegutachtung stehende zweite Gutachter auf Zollverein überhaupt kein Brandschutzsachverständiger zu sein scheint (die Firma wurde auf DerWesten erwähnt, ich bin gerad zu faul, diesen Link nochmal rauszusuchen):
https://www.ifas.de/pages/content/quali/quali.html
https://svv.ihk.de/svv/content/home/sachverstaendiger.ihk?cid=15738
Nach meinem naiven Verständnis sind Brandmeldeanlagen, die Herr Okorn begutachten darf, nur Teil eines Brandschutzkonzepts für ein Museum, in dem sich u. U. mehrere hundert Menschen zur gleichen Zeit aufhalten. Von daher kann ich nur zum Dranbleiben ermutigen! 🙂
Sie haben ganz recht, Herr Laurin. Es geht hier nicht nur um Zollverein. Mich beschleicht der Eindruck, dass das der entscheidende Grund ist, wehalb das Ruhrgebiet doch noch nicht auseinander gebrochen ist: die Fördermittel. Als gemeinsam Leidende oder sogar Jammernde erregen die Ruhrgebietsstädte so viel Mitleid, erzeugen sie soviel Druck, dass sie immer wieder Fördermittel – vornehm ausgedrückt – akquirieren können. Würde es diese Fördermittel nicht mehr geben – vielleicht hätte sich jede Großstadt schon längst mit den anderen Kommunen in ihrem (landesplanerischen) „Oberbereich“ zusammengetan und vor allem durch den Aufbau von regionalen Wertschöpfungsketten die Wirtschaft im mittelständischen Sektor in Schwung gebracht. Statt auf Oberbereiche (=Einzugsbereiche von Oberzentren) könnte man auch auf das frühere landesplanerische Konzept der „ausgeglichenen Funktionsräume“ zurückgreifen, um entwicklungsfähige Regionen abzugrenzen. Denn soviel ist sicher: ein ausgeglichener Funktionsraum ist das Ruhrgebiet nicht, sondern ein eher einseitiger, problemlastiger Raum.
@4 Wir sperren also Dortmund und Hagen mit Sauerländer Waldbauern zusammen, Gelsenkirchen und Recklinghausen mit Münsterländer Viehzüchtern, während die Belange Duisburgs mit dem Niederrhein und der Landeshauptstadt unter einen Hut zu bringen sind? Oh, pardon, das ist ja der Status quo. Vielleicht hab‘ ich da ja aber auch nur was mißverstanden. Ich spreche kein landesplanerisch. Bitte also um Erklärung: Was genau ist ein „ausgeglichener Funktionsraum“?
Haha macht mal weiter mit drei Regierungsbezirken… 😉
,-)
Zollverein ist eben schon immer ein brennend interessantes Projekt gewesen. Meine Vision: Im Laufe der Rekohlifizierung – Kohlekraftwerke statt AKWs – wird man die Zeche sicher wieder ihrer ehemaligen Bestimmung zuführen. Billige japanische Leiharbeiter fördern dort nach der Dekontamination Design-Kohle
(natürlich schon im Gestein viereckig und mit dem red dot versehen). Ein kleines Museum wird eingerichtet mit einer Ausstellung über die inneffiziente Zeit der Nutzung als Kulturobjekt. Ich freu‘ mich drauf 😉
So verspielt die Region ihre Potentiale und Glaubwürdigkeit. Der eigene Anspruch „Metropolregion Ruhr“ sein zu wollen, klingt wie Hohn. Traurig!
Zollverein halte ich ohnehin für überschätzt. Die Stahlwerke Duisburg mit ihren Lichtinstallationen sind spektakulärer, der Gasometer Oberhausen hat den eindrucksvolleren Großraum und die erfolgreicheren Ausstellungen, die Jahrhunderthalle in Bochum ist ein schönerer, professionell geführter Veranstaltungsort, und die Zeche Ewald in Herten hat den schöneren Förderturm. Warum gerade Zollverein das Aushängeschild des Ruhrgebiets sein soll, ist mir ein Rätsel. Offenkundig verstehen es die Macher von Zollverein einfach nur, sich gut in Szene zu setzen.
Der Kölner Dom „rechnet“ sich ebenfalls nicht, genauso wenig wie die Museumsinsel in Berlin, die Akropolis in Athen …
Die schlichte Wahrheit: Es gibt keine „vernünftigen und realistischen Konzepte“ für derartige Standorte.
@Dirk: Dann solte man kein Geld dafür ausgeben, im Umfeld „Kreativquartiere“ hochzuziehen und das ehrlich sagen. Und seine Rechnungen bezahlen und für ordentlichen Brandschutz sorgen. Jede Kneipe wird wegen so etwas dicht gemacht.
[…] Zeche Zollverein: Der Chaos Pütt oder Burn, Trixi, Burn (Ruhrbarone) […]
Stefan (#11): Wenn etwas nicht „vernünftig“ ist, bedeutet das nicht, dass dieses Etwas nicht geht bzw. gehen könnte. Man muss nicht glauben, Stadtentwicklung folge allein rationalen Parametern.
Die Idee, Zollverein mit der Etablierung von Museum und Universität zum sticky place im neuen, sog. kreativen Ruhrgebiet machen zu wollen, hatte ohnehin keine ernsthafte Konkurrenz. Sie war und ist daher schon „ehrlich“ gemeint.
@5 crusius: Was hält denn die Ruhrgebietsstädte zusammen, wenn man mal von den Aussichten auf Fördermittel absieht? Verbindend sind: die ruhmreiche Vergangenheit, die sich in dem touristischen Alleinstellungsmerkmal der Industriekultur niederschlägt (deren Folgekosten aber niemand am Hals haben will – siehe oben: Zollverein); die hohen Arbeitslosenquoten; der spätestens in Frankfurt belächelte Anspruch, eine Metropole sein zu wollen. Aber sonst? Etwa die Kreativwirtschaft?
Die Konkurrenz der Städte hat doch ihre Grundlage, und zwar darin, dass es die früheren engen wirtschaftlichen Verflechtungen zwischen den Unternehmen und daher auch zwischen den Städten nicht mehr gibt. Wer will, dass die Städte im Ruhrgebiet als Region zusammenhalten, muss entsprechende wirtschaftliche Zusammenhänge entwickeln. Heute besteht das Verbindende doch nur aus Problemen und den Transferzahlungen, die man damit einwerben kann.
Ein guter und treffender Bericht, interessante Feed-backs, viel Wahres dran!
Schade nur, dass all die Vorgänger in der Führungsetage der Stiftung Zollverein für das Missmanagement nicht persönlich haftbar gemacht werden können: Bereichert und in den Sand gesetzt und keine Strafe folgt – das gilt nicht nur für die Manager der Stiftung Zollverein.
Zur Ehrenrettung des Ruhr Museums möchte ich an dieser Stelle konstatieren, dass es eine „Stiftung Ruhr Museum“ gibt, das ist ein eigener Wirtschaftskreislauf, der mit der Stiftung Zollverein nichts zu tun hat. Das Ruhr Museum bezahlt seine Lieferanten und Dienstleister ordentlich und fristgerecht, das kann ich aus eigener, langjähriger Erfahrung bestätigen.
[…] gibt es auch auf Zeche Zollverein, dem Zentrum der Kulturhauptstadt. In den vergangenen Wochen sorgten Bradschutzgutachten für […]
[…] ECCE – dem European Center for Creative Economy. In Essen gab es Streit um die Sicherheit auf Zollverein, in Dortmund stand der Euromayday an und Markus Beckdahl gründete die Digitale […]