Gestern fuhr Ruhrbaron Robin Patzwaldt einen Frontalangriff auf die Affen-Trauer. Ruhrbaron Robert Herr sieht das anders: Warum man auch um Affen trauern darf.
Das Menschenaffen, unsere nächsten Verwandten, sehr intelligent sind, weiß heutzutage jedes Kind. Sie sind in jeder Hinsicht fast genau so hoch entwickelt wie Menschen. Sie fühlen komplexe Emotionen, sie kommunizieren und sie empfinden Schmerz und Angst. Es gehört nicht viel dazu, um sich vorzustellen, wie grauenhaft es für die Affen im Feuerinferno des Zoo Krefeld gewesen sein muss. Zwei Schimpansen konnten sich in einen Versorgungstrakt flüchten und überlebten mit schweren Brandwunden. Sie haben im Angesicht des Feuertodes genau so gehandelt, wie wohl auch ein Mensch in der gleichen Situation gehandelt hätte.
Natürlich sind auch Menschenaffen keine Menschen. Das heißt aber nicht, dass uns ihr Leid egal sein muss oder sollte. Man braucht kein Fan des radikalen, menschenverachtenden Tierrechtspropheten Singer zu sein, um mit einem Affen, oder einem Hund, oder einer Katze oder einem Vogel Mitleid zu empfinden. Und das kann man auch, ohne wie irgendwelche Spinner in den sozialen Medien es tun, grausame Strafen für Tierquäler zu fordern, oder die unglücklichen Verursacherinnen des Brandes am liebsten aufs Schafott stellen zu wollen.
Mitleid ist keine begrenzte Ressource
Sicherlich, es sterben jeden Tag unzählige Tiere, etliche davon auf grausame Weise. Soll man dem traurigen Hundebesitzer, der gerade seinen Hund einschläfern lassen musste, deshalb sagen: „Es sterben jeden Tag so viele Tiere, warum trauerst du um das eine?“ Warum sollte man es also den trauernden Zoo-Mitarbeitern sagen, oder den Leuten, die das Schicksal der Affen bewegt hat? Es sterben auch jeden Tag viele Menschen. Trotzdem gehen wir nicht auf Beerdigungen und werfen den Leuten vor, dass sie gerade um diese eine Oma trauern und nicht um die zahllosen anderen.
Wir leben auf einer winzigen, felsigen Kugel, die mit gewaltiger Geschwindigkeit durch ein unvorstellbar großes Universum rast, in dem vielleicht jeden Tag mehr intelligente Wesen sterben, als auf der Erde je gelebt haben. In Anbetracht dessen, könnte man meinen, dass nichts was wir hier tun oder fühlen irgendeine Bedeutung hat und wir könnten uns vom Zynismus auffressen lassen. Oder, wir erkennen, dass Mitleid keine begrenzte Ressource ist. Das Universum ist mitleidlos genug. Wir sollten mit dem Mitgefühl nicht auch noch sparen.
'Frontalangriff'? 'Warum man AUCH um Affen trauern darf'?
Ich bin echt überrascht, Robert, solche Aussagen über meinen Text von dir hier schon in der Einleitung zu lesen.
Ich sehe in meinem gestrigen Beitrag weder einen 'Frontalangriff', noch habe ich gesagt, dass man um Affen/Tiere nicht trauern dürfte. Ganz im Gegenteil! Ich habe lediglich die Verhältnismässigkeit des rund um die Krefelder Geschehnisse erlebten angesprochen und dabei kritisiert, dass das Schicksal zahlreicher Menschen und zahlreicher anderer Tiere von vielen Zeitgenossen nicht mit so viel zur Schau gestellter Anteilnahme begleitet wird, was ich bedenklich finde. Dies nur kurz meinerseits dazu….
Verhältnismäßigkeit bei Emotionen wie Trauer, Mitgefühl???
@Robin: Deine Konsterniertheit wegen dieses Artikels, als Antwort auf deinen vorherigen, steht dir nicht gut zu Gesicht. Den "Frontalangriff" weist du von dir, hast dich aber zu einer Aussage wie "Das ist einfach nur irre!" aufgeschwungen. Was ist denn irre? Das Phänomen an sich, die Gemeinschaft der Trauernden, die Trauer als solche … ? Nee, nee, mein Lieber, man kann nicht mit solchen zweifelhaften Aussagen aufwarten und anschließend noch Verständnis für die eigene Predigt erwarten.
Dass du nicht in der Lage bist, das Maß an Trauer anderer Leute zu beurteilen, hast du vielleicht mittlerweile eingesehen. Auch deine Vergleiche mit dem globalen Schicksal von Menschenaffen usw. ist nicht statthaft, – sondern vielmehr scheinheilig. Indem du irgendwelche Zahlen anbringst, meinst du Glaubwürdigkeit und Integrität in einer so unwägbaren Sache wie Trauer und Schmerz erreichen zu können. Aber, Robin, darum geht es doch gar nicht!
Lass' doch die Leute trauern so viel oder so wenig, wie sie möchten. Darunter werden vielleicht auch einige sein, die sich im globalen Artenschutz engagieren … du kannst zumindest nicht das Gegenteil beweisen, oder?
Was mich betrifft: Ich finde den Brand und den Tod der Tiere auch schlimm. Ich bin jedoch, obwohl es bei mir um die Ecke ist, nicht nach Krefeld gefahren und habe auch keine Kerzen entzündet. Ganz ehrlich: Das Desaster hat mich einen Moment lang berührt – dann ging mein Alltag weiter. Und trotzdem kann ich mit deinem Artikel – der irgendwo zwischen den Stühlen hocken möchte – nichts anfangen.
"Das Menschenaffen, unsere nächsten Verwandten, sehr intelligent sind, weiß heutzutage jedes Kind. Sie sind in jeder Hinsicht fast genau so hoch entwickelt wie Menschen."
Nun ja. Manche KInder sollten sich dann vielleicht einfach besser informieren … Sicherlich gibt es deutliche Ähnlichkeiten im Verhalten von Menschen und Primaten; aber dabei muß sorgfältig vermieden werden, mit der menschlichen Brille bestimmte Handlungen zu beurteilen, die letztlich auch ganz andere Ursachen haben können. Ein Klassiker ist dabei etwa die Frage, ob Primaten wirklich Trauer empfinden können, oder ob das vom menschlichen Beobachter nur so interpretiert wird.
Ganz sicher aber ist: Primaten können u. a. nicht lachen (also nicht ironiefähig), sind nicht zu entwickelten (!) rationalen Überlegungen fähig und zeigen vor allem überhaupt keine Ansätze altruistischer (=uneigennütziger) Entscheidungen. Das ist durch zig Experimente nachgewiesen.
Diese Eigenschaften sind aber Voraussetzungen für das Überleben und die Organisation menschlicher Gruppen.
Von daher würde ich Primaten nicht als "in jeder Hinsicht fast genau so hoch entwickelt wie Menschen" bezeichnen.
Habe ich das jetzt hier alles richtig verstanden? Wer trauert steht über jeder Kritik? Trauer ist die neue Immunität? Wen Putin trauert, dass die Sowjetunion untergegangen ist, darf ich ihm und seinen Freunden nicht mehr sagen, dass das aber eine der schlimmsten Diktauren der Weltgeschichte war? Wenn einer seinen Hund betrauert, der von einem Polizisten getötet wurde, weil er ein Kind angegriffen hat, darf ich nicht mehr sagen, dass zuerst das Kind zu bedauern ist? Wenn Nazis Hitlers Tod betrauern, darf ich denen nicht mehr sagen, dass dieser Diktator viel eher hätte den Tod finden sollen? Wenn in Krefeld Affen im Feuer sterben und Menschen darum trauern, darf ich nicht mehr sagen, dass es noch größere Gründe zum trauern gibt? Ich fasse es nicht!!
Danke Robert Herr für diesen Kommentar, ich sehe es genau so.
@Arnold: All Deine Fragen haben mit dem Kommentar doch nichts zu tun. Natürlich "darfst" Du machen und lassen, was Du für richtig hältst, wir leben Gottlob in Deutschland. Der Kern des Kommentars liest sich für mich so: "Mitleid ist keine begrenzte Ressource." Niemand "muss" über etwas trauern, aber jeder darf es und jeder darf auch seinen Gefühlen Ausdruck verleihen. Mitleid und Empathiefähigkeit halte ich persönlich für eine sehr wichtige Fähigkeit und sie schützt auch vor Faschismus.
@Arnold Voss:
Doch, dürfen Sie!
Sind aber Extreme, die nicht allzuviel mit den besagten Affen zu tun haben (nicht mordverdächtig, haben keine "Endlösung" angestrebt).
Aber von meiner Seite nochmal der Hinweis, dass Trauer vor allem durch Verbundenheit entstehen kann. Möglicherweise ein gewichtiger Grund weshalb nicht alle einfach um alles trauern.
@ discipulussenecae #4
Danke für diesen kleinen rationalen Einspieler. Mein ergänzender Leitsatz: Tiere haben das Recht, nicht so behandelt zu werden, wie Menschen, und Menschen umgekehrt, nicht wie Tiere.
#7:
"trauer durch verbundenheit?" vlt liegt DA tatsächlich n konstruktiver denkansatz: die waren, zum vergnügen anderer, eingefangen, -gesperrt und unter ständiger externer kontrolle
und das ganze noch mal, ausdrücklich: zum VERGNÜGEN der (HERREN?-)menschen!
@ David Man kann darüber streiten ob bspw.die Haltung von Großkatzen, Bären, Menschenaffen etc ,in Zoos nötig ist. Mit Belustigung des Herrenmenschen haben die Zoos heuer nix mehr am Hut Eine oftmals sehr ausgefeilte Museums- bzw. Zoopädagogik schildert den Besuchern die Herkunft der Tiere auf, weist auf die vielfältigen Risiken dieser Tiere in freier Wildbahn hin. Hinzu kommt, dass deutsche Zoos auch im Artenschutz und in der Züchtung von gefährdeten Tierarten durchaus gut unterwegs sind.
Nicht nur zur Belustigung von Herrenmenschen wurden und werden Zoos gehalten, auch zur Unterhaltung der kommunistischen Massen von Berlin bis Wladiwostok wurden eifrig Zoos eingerichtet bzw. bestehende weiter betrieben. Ein schönes Beispiel ist das damals geteilte Berlin. Da gab es nicht nur einen Zoo im Westteil der Stadt für die Herrenmenschen, nein, die Herren Kommunisten eröffneten 1955 einen eigenen Zoo, den Tierpark Friedrichsfelde. Sicherlich nicht um die Herrenmenschen aus der "Frontstadt" zu vergnügen und/oder zu belustigen.
Wo sind denn alle anderen Kommentare von gestern hin?
Weiterhin unter dem anderen Artikel zum Thema.