Christoph Zöpel gehört zu den profiliertesten Sozialdemokraten des Reviers – und ist ein Linker. Doch für das Ruhrgebiet fordert er eine große Koalition.
Christoph Zöpel. Foto: Ruhrbarone
Christoph Zöpel gehört zu den wenigen Intellektuellen innerhalb der Ruhrgebiets-SPD und war einer der erfolgreichsten Politiker, die die Region je hervorgebracht hat: Chef der Bochumer SPD, Landesminister unter Kühn und Rau und Staatsminister in Joschka Fischers Auswärtigen Amt. Und beinahe wäre er statt Heinz-Dieter Klink Regionaldirektor des RVR geworden, aber die SPD wollte dann wohl doch lieber einen haben, der macht, was man ihm sagt anstatt jemanden, der tut, was er denkt. Keine schlaue Wahl, denn Zöpel gehört zu den Vordenkern seiner Partei, auch was das Ruhrgebiet betrifft: Er ist für eine gemeinsame Regionalplanung und für eine Direktwahl des Ruhrparlaments. In dem herrscht im Augenblick eine Koalition aus SPD und Grünen – eigentlich eine Konstellation, die Zöpel zusagt – aber nicht im Augenblick und nicht im Ruhrgebiet, dass er im Gespräch nur noch Ruhr nennt. Denn seine Partei, so Zöpels Analyse, hat im Moment nicht in erster Linie das Interesse des Ruhrgebiets im Auge: "Vieles, was die SPD in NRW derzeit zu Ruhr sagt, ist von ihrer Rolle als Oppositionspartei im Land geprägt. Wenn die CDU dem RVR die Regionalplanung übertragen will, ist die SPD dagegen. Das ist parteitaktisch verständlich, bringt Ruhr aber nicht weiter. Ich bin ja kein Freund von großen Koalitionen, aber die Lage wäre wohl einfacher, wenn es im Ruhrparlament des RVR keine rot-grüne, sondern eine große Koalition gäbe. Dann wäre der Kontakt zum Landtag und zur Landesregierung leichter und SPD wie CDU würden konstruktiver an die Stärkung von Ruhr herangehen. "
Es ist fraglich, ob es für diese Konstellation bei CDU und SPD im Moment eine Mehrheit gibt. Vor ein paar Jahren sah es schon einmal danach aus, als ob SPD und CDU im Ruhrparlament zusammen kommen könnten – zu einer Einigung kam es damals aber nicht. Thematisch näher sind sich sowieso CDU, Grüne und FDP: In Ruhrgebietsfragen könnten die drei Parteien morgen durchstarten – aber bei allen bitteren Flüchen hinter den Kulissen halten die Grünen an der SPD als Koalitionspartner bislang fest – und das obwohl Schwarz-Grün ja im Ruhrgebiet erfunden wurde…Klick
Ich habe damals gen Himmel gebetet, dass Zöpel Regionaldirektor des RVR wird…was daraus geworden ist, wissen wir ja…ich kann jedem nur die Lektüre von Zöpels Buch „Weltstadt Ruhr“ ans Herz legen (erschienen im Klartextverlag)…dieser Mann hat Visionen…und genau das braucht die Metropole Ruhr…Politiker mit Format, mit Rückgrat und keine parteipolitischen Ja-und-Amen-Sager…Zöpel müsste an die Spitze (vielleicht mit Hilfe einer großen Koalition?)
Jedenfalls brauchen wir Bewegung. Und wenn sich die SPD nicht bewegt, dann sollten sich tatsächlich die Grünen neue Optionen einfallen lassen…
Zöpel ist ein kluger aber (leider) kein mächtiger Mann (mehr). War er auch nie wirklich, obwohl er das Zeug dazu hat. Es sei denn, man hält respektive hielt einen Fachminister unter Johannes Rau für mächtig. Vielleicht wollte er es auch nie sein, weil er den Preis dafür nur zu gut kennt. Mit Sicherheit aber würde ihn die CDU in einer großen Koalition im RVR niemals als neuen Regionaldirektor akzeptieren. Und sehr wahrscheinlich auch nicht die SPD. Zumindest würden die SPD Bürgermeister von Ruhr dagegen (natürlich hinter verschlossenen Türen) Sturm laufen. Der Mann stände Ruhr jedoch ohne Zweifel und im wahrsten Sinne des Wortes gut zu Gesicht!
Die SPD würde Zöpel nicht akzeptieren, weil der Mann als einziger Delegierter auf dem SPD-Parteitag im November 2005 abgelehnt hat, dass der scheidende Parteichef Franz Müntefering Vizekanzler im schwarz-roten Kabinett wird. Das reicht um in der Versenkung zu verschwinden.
Merkwürdiges Foto.
Oder auch nicht, denn die partielle Entrücktheit, die man hier spürt, ist so untypisch für Christoph Zöpel ja nicht. Sein mantra-haftes ?Ruhr? oder das Festhalten an der Idee eines ?Metropolenentwicklungsplans? für das Ruhrgebiet sind ja auf eine lustige Weise unzeitgemäß (weil den planungseuphorischen 1960er Jahren entlehnt, als es schon mal um die Weltstadt Ruhr ging). Aber wer im Vergleich dazu dann zeitgenössische Konzepte in die Hände bekommt, in denen es vor ?metrosuccess? und ?metroinvest? nur so wimmelt, der freut sich sogar ein wenig über die planungspolitische Patina in Zöpels Weltstadt Ruhr. Anders als dieser korrumpierte Allerweltsbegriff ?Metropole? besitzt ?Weltstadt Ruhr? nämlich ein Moment von Radikalität, die zwar wie gesagt den 1960er Jahren entstammt, aber ganz aktuell wieder entdeckt wird (https://www.archplus.net/ausgaben.php?show=186).
Deshalb sollte man Christoph Zöpel auch nicht so pastoral in seinem Garten (?) stehen lassen (oder ihn gar als unfreiwilligen Vorboten von Schwarz-Grün beim RVR instrumentalisieren). Schade eigentlich, dass der ShrinkingCities-Zirkus schon vorbei ist: Hier hätte ich mir einen Interviewmarathon mit Christoph Zöpel zu Radikalität in Planung (oder Radikalität im Ruhrgebiet) gut vorstellen können. Und da wäre dann sicher auch etwas anderes rausgekommen als nur ?große Koalition?.
Ich fand sein Buch (vor allem im zweiten Teil) auch etwas zu bürokratielastig. Aber unzeitgemäß finde ich sein Ruhr-Mantra und seinen Metropolenentwicklungsplan keineswegs. Ja, die Bezeichnung Metropole ist inflationär und selbst als Allerweltsbegriff passt sie nicht zu Ruhr und wird es auch nie wirklich tun. Aber der Name Ruhr setzt sich zunehmend durch und das ist alleine schon wegen der dringend notwendigen Vereinheitlichung der Außendarstellung eine gute Sache. Für Radikalität im Denken und Handeln ist es in Ruhr ebenfalls höchste Zeit. Die hiesigen Verhältnisse , gerade weil sie so sehr durch Machtinteressen und Eigenvorteile zementiert sind, verlangen einfach danach.
@Zöpels Weltstadt Buch strotzt vor rätselhaften Gedanken eines politischen Pensionärs. Etwa die Begeisterung für (bundes)Gartenschauen, Baumschulen als Arbeitsplätze für Ungelernte oder die Ruhr als Blumengebiet. Und Zöpels Vorschlag für ein regionales Wappentier, den Elefanten. Aber wieso ausgerechnet ein Elefant, außer das der größer ist als der Berliner Bär? Weshalb Blumen, Baumschulen…? Bei allen Verdiensten um IBA und so war Zöpel immer gut für verstiegenes Zeug.
Ich weiß gar nicht, was Ihr alle gegen die Bezeichnung „Metropole Ruhr“ habt…einfach „Ruhr“ zu sagen ist derzeit kein schlechter Kompromiss, um das unsägliche „-gebiet“ zu vermeiden, ich meine aber, dass „Ruhr“ näher beschrieben sein sollte…
Mein Lieblingsbild ist der Ruhrdschungel (Ruhrwald, Großstadtdschungel etc.), denn dieses Bild gibt den Charakter dieser Städtelandschaft meiner Meinung nach am besten wieder und bietet neuen (und alten) Assoziationen viel Raum… doch lässt sich der Begriff des Ruhrdschungels als einfache Bezeichnung schlecht handhaben…
…deswegen benutze ich inzwischen konsequent den Begriff der Metropole, finde auch nicht, dass dieser Begriff schützenswert ist und durch seinen inflationären Gebrauch an Substanz verliert…als Nicht-Geograph und Nicht-Stadtplaner habe ich auch keine Bauchschmerzen damit, den Begriff noch etwas zu dehnen, in Richtung „Ruhr – Metropole anderen Typs“…wichtig ist, dass er international verstanden wird und dass klar ist, dass „Ruhr“ (viel) mehr ist als eine Stadt…
Bemerkenswerter finde ich da schon, wie empfindlich auf den Begriff der „Metropole Ruhr“ reagiert wird – und zwar nicht wegen der Begrifflichkeit sondern wegen der inhaltlichen Assoziationen, die er evoziert. Es ist äußerst interessant, wie allergisch auf der einen Seite Rheinländer auf diesen Begriff reagieren und auf der anderen Seite Ruhreinwohner auf kommunaler Ebene – und ich meine hier Menschen mit bestimmten Positionen und Funktionen…Für beide „Gruppen“ scheint eine „Metropole Ruhr“, also eine nach außen und nach innen „vereinheitlichte“ Metropole eine große Gefahr darzustellen…
Der politische Rheinländer sieht durch eine „Metropole Ruhr“ seine Position in dem komplexen Gebilde NRW in Gefahr, denn die Schiene Bonn-Köln-Düsseldorf hatte seit jeher entscheidendes Gewicht…und über die politischen Strukturen und Abhängigkeitsverhältnisse war man bisher immer wieder bestrebt die Verhältnisse zu wahren…
Für die neue Metropole Ruhr ist es deshalb eklatant wichtig, dass das Land NRW endlich eindeutig Position bezieht (nicht halbseidene Aktionspapiere u.ä.), die Regierungsbezirke umbaut, ein Ruhrparlament unterstützt und vor allem begreift, dass NRW insgesamt nur über eine neue Metropole Ruhr an Wirtschaftskraft gewinnt. Ich meine ja, dass die „Metropole Ruhr“ als DER zentrale Wirtschaftsraum von NRW langfristig eine produktive und integrative Rolle in dem Vielregionenland NRW spielen sollte…und dabei stellt sie keine unmittelbare Konkurrenz zur Rheinschiene dar…
Auf der anderen Seite stehen die vielen Ruhreinwohner auf kommunaler Ebene, die in dieser strukturgewandelten Region auch nichts anderes gewohnt sind als Anträge zu stellen, Bittgänge zu leisten, sich anzustellen, Hähne anzuzapfen, Töpfe irgendwie zu füllen…und all das auf die politischen und administrativen Strukturen ausgerichtet…jede Kommune LEBT davon (oftmals mehr schlecht als Recht)…und hier ist der Knackpunkt: viele haben schlichtweg Angst, in einer Metropole Ruhr ihren Job zu verlieren…
was ja zunächst wahrscheinlich ist, wenn wir in der Metropole nur noch ein Nahverkehrsunternehmen haben (womit wir beim Thema sind), eine IHK, eine Wirtschaftsförderung, eine VHS, ein Weltklasse-Symphonieorchester etc. etc. etc. …auch wenn diese Strukturen relativ langsam reformiert werden…
Ich glaube, wir müssen begreifen, dass „Ruhr“ nur als spannender Dschungel eine Chance auf Entwicklung hat, als Verwaltungseinheit aber weiterhin verwaltet bleibt… und hierzu braucht es mutige Leute in Düsseldorf und in den Ruhrkommunen…
Die Diskussion um Zöpel zeigt doch wieder eines: es ist in der Metropole Ruhr ganz schön schwer GEGEN den Strom zu schwimmen und NICHT alle mitzunehmen… auf der einen Seite müssen scheinbar perfekte Lösungen vorgelegt werden, auf der anderen Seite wird jeder gute Ansatz im Kern relativiert und entkräftet…das hat die Katastrophe um den Ruhrslogan gezeigt, das zeigt z.B. die Haltung zur Person Zöpel…
So sehr ich ja die charakteristische Eigenart der Ruhreinwohner schätze, sich wenig um „Unterschiede“ zu scheren, so sehr gefährlich finde ich es aber auch, wenn allzu viel Gleichmacherei betrieben wird. Wenn jemand es bloß wagen sollte, aufzufallen bzw. über die anderen (vermeintlich) hinauszuragen! Schon wird er ein Kopf kürzer gemacht!
Wenn jemand wie Zöpel nicht nur mit Verstand sondern auch mit Gefühl laut über die Zukunft der „Metropole Ruhr“ nachdenkt, dann ist das verdammt viel wert…
Unzeitgemäß ist alleine schon die Idee, eine Metropole nach Plan entwickeln zu wollen. Sie hat aber einen radikalen Kern, den ich angesichts des gegenwärtigen ?Metropole Ruhr?-Diskurses nicht geringschätzen möchte. Die Inhalte seines Metropolenentwicklungsplans selbst sind von sagen wir mal unterschiedlicher Radikalität.
Zum ?Ruhr?-Mantra (und ohne lange über Begriffe streiten zu wollen): Ich freue mich gegenwärtig über jeden, der das ?-gebiet? in ?Ruhrgebiet? NICHT wegdrückt, der akzeptiert, dass das hier ein unorthodox urbanisiertes Territorium ist und keine Stadt. Lassen wir dem Fluss seinen Namen! Es gibt ja auch keine Stadt, die Rhein heißt. Oder Donau. Oder Oder. Aber vielleicht ist das ja gerade das radikale Moment an diesem seltsam autistischen ?Ruhr?, bei dem ich immer gleich drei trotzige Ausrufezeichen mithöre.
So sehr ich Dirk Haas Kritik am Metropolenbegriff teile und partiell auch seine Planungsskepsis im Sinne eines großen einheitlichen (Ent)Wurfs. Eins ist wirklich Quatsch: Das das Ruhrgebiet ein unorthodox urbanisiertes Territorium ist. Das stimmt einzig und allein im Ergebnis, nicht aber in der politischen und planerischen Vorgehensweise. Es gab sowohl in der Vor- der Nach- und in der Zwischenkriegszeit bis letztlich tief in die 80ger Jahre des letzten Jahrhunderts hinein nichts orthodoxeres als die Kommunalpolitik und die kommuale Verwaltungsstruktur und -kultur einer typischen Ruhrgebietsgemeinde. Das galt insbesondere in den jahrzehnten der sozialdemokratischen „Hegemonie“ nach dem zweiten Weltkrieg.
Mit einem Satz, die Urbanität des Ruhrgebietes selbst ist unorthodox, sprich sie sperrt sich gegen übliche Typisierung, der Urbanisierungsprozess selbst weißt (leider) nur in der Entstehungsphase unorthdoxe Elemente auf. Es gibt danach keine Tradition des Unorthodoxen, denn Regional- und Wasserverbände hatten auch andern Ballungsräume und natürlich auch Eingemeindungen usw.usw. Auch die IBA Emscherpark hat daran nichts Grundsätzliches verändert. Auch die von Dirk Haas immer so gelobte interkommunale Kooperation im Ruhrgebiet hat im allgemeinen nichts Unorthodoxes. Sie ist woanders schon lange gängige Praxis gewesen, ehe sie hier als wahnsinnig neu gefeiert wurde.
Die erste wirklich unorthodoxe und zugleich radikale Idee im Ruhrgebiet seit seiner Entstehungsphase ist zum heutigen Zeitpunkt daraus ein einzige Stadt zu machen. Und zwar weil es sich im klassischen Sinne eben nicht darum handelt. Und das obendrein gegen die nachwievor orthodoxen Verwaltungs- und Politikstrukturen. Wieso? Weil wir uns mitten in einem Gezeitenbruch befinden der DAS schlicht notwendig macht, um den neuen globalen Verhältnissen einen Rest von Selbssteuerung im Interesse der Bevölkerung abzutrotzen. Das ist das äußerst Zeitgemäße an dieser Unorthodoxie.
Es ist dabei letztlich völlig egal welche genauen Grenzen das neue „Ding“ dann hat und wie es heißt, wer das dann gut findet und wer sich davon überrollt fühlt. Als das Ruhrgebiet „gemacht“ wurde, hat auch keiner danach gefragt wer woher kommt und wie es am Ende aussieht und wem es vielleicht nicht gefallen wird. Das immer mehr Leute Ruhr oder Ruhrstadt statt Ruhrgebiet sagen und schreiben, dass dies sogar zunehmend ganze Institutionen tun, ist in diesem Zusammenhang kein Zufall mehr.
@Arnold: Nun ja, ich redete ebenfalls nur vom Ergebnis (Ruhrgebiet = unorthodox urbanisiertes Territorium ? Stadt) und nicht von den vielen, individuell durchaus rationalen und gerne auch orthodoxen Entscheidungsprozessen, die zu dieser unorthodoxen Raumstruktur geführt haben. Warum das so passiert, hat Tom Sieverts mit seiner Zwischenstadtforschung lang und breit erklärt. Insofern sehe ich da erstmal auch keinen prinzipiellen Dissens.
Über die Themen ?Ruhrstadt? und ?Kooperation? haben wir hier schon ausgiebig debattiert; im Moment sehe ich keine neuen Aspekte, die eine Wiederauflage rechtfertigen würden. Und wenn auch Ihnen egal ist, wie das ?Ding? am Ende heisst, müssen wir auch gar nicht über Begriffe streiten: Sie nennen es ?Ruhr?, ich nenne es ?Sankt Ruhrgebiet?.
@Dirk: Es geht hier gar nicht darum, „Metropole“ planen zu wollen, sondern es geht um Sprache… ich schätze mal, wenn ca. 10 % aller Ruhreinwohner den Begriff des „Ruhrgebiets“ einfach konsequent NICHT gebrauchen, dann ist der tot…
Wenn etwas unzeitgemäß ist, dann ist es eben dieser Begriff, wirft er uns doch immer wieder auf die äußerst fremdbestimmte Entstehungsgeschichte der Region als Rheinisch-Westfälisches Industriegebiet zurück…eine Geschichte, die im übrigen bis heute das Verhältnis der rheinischen und westfälischen Nachbarn zum Ruhrdschungel prägt…diese Fremdbestimmung, die nach dem Zweiten Weltkrieg seine Fortsetzung fand und im Strukturwandel seine Nachfolge, kann nicht besser ausgedrückt werden als durch den Begriff des „Gebiets“ (ein Blick in Wikipedia genügt!)…
Wenn wir uns aber „emanzipieren“ wollen, wenn wir, wie Arnold Voss so schön sagt, „den globalen Verhältnissen einen Rest von Selbststeuerung im Interesse der Bevölkerung“ abtrotzen wollen, dann müssen wir versuchen, die „Gebietsvergangenheit“ (die ja bis in unsere „Fördertopfgegenwart“ reicht und an die wir uns so gewöhnt haben)zu überwinden…
Es geht dabei nicht in erster Linie um das Planen … es ist schlicht eine Frage des Mutes (Einzelner)…den bequemen, eingefahrenen Weg zu verlassen…und erste kleine Schritte in eine neue Richtung zu wagen…so kommt Bewegung ins Spiel…
Und dass die Menschen, die in diesem Gebilde „Ruhr“ leben, das können, ist ohne Zweifel…sie sind dazu sogar gefordert…denn „Ruhr“ wird in einer globalisierten Welt nur selbstbestimmt bestehen bzw. überleben können und da haben wir ja ob unserer „fehlenden“ bürgerlichen Geschichte einiges aufzuholen (und vielleicht auch „unorthodox“ zu erlangen?)…
Das ist ja die große Herausforderung und auch die Chance der „Metropole Ruhr“: sie muss sich (in vielem) neu erfinden… Arnold Voss hat geschrieben, „als das Ruhrgebiet ?gemacht? wurde, hat auch keiner danach gefragt, wer woher kommt und wie es am Ende aussieht und wem es vielleicht nicht gefallen wird.“ Das zu begreifen, ist ungeheuer wichtig für unser Selbstverständnis…
Die „Metropole Ruhr“ ist in nur ca. 150 Jahren entstanden, wie gesagt äußerst fremdbestimmt, das ist eine „hauchdünne“ (Bergbau-) Vergangenheit, die wir da haben und da es unsere vermeintlich „einzige Geschichte“ ist, ist es nur verständlich, dass wir uns so sehr daran festhalten…doch gilt es eigentlich, selbst(bestimmt) Geschichte zu machen…denn die weitaus größere Geschichte der „Metropole Ruhr“ liegt in ihrer Zukunft…
@Dirk
„Sankt Ruhrgebiet“ ist absichtlich oder unabsichtlich eine sehr treffende Beschreibung dessen was ist, aber eben nicht für die Zukunft. Nichts gegen ihren distanzierten Sarkasmus. Manchen Ruhrverantwortlichen täte so eine Einstellung sehr gut. Ab und zu wenigstens. Wenn sie aber für sich selbst in diesem „Gebiet“ eine Zukunft wollen bzw. diese involvierte Perspektive einnehmen, dann führt ihre Position auch analytisch nicht weiter, bzw. dreht sie sich im Kreis.
Ich habe diese Perspektive bezüglich von Ruhr immer eingenommen, obwohl ich schon länger nicht (mehr) nur in Ruhr lebe, aber doch auch hier weiter leben will bzw. seit meiner Geburt hier gelebt habe. Und dann ist ihnen der Name eben subjektiv nicht egal. Oder wären sie so konsequent und schreiben in Zukunft auch als räumliche Adresse „Sankt Ruhrgebiet“? (Könnten sie, wenn die Postleitzahl und die Straße stimmt, denn der Postcomputer „kuckt“ nur auf die Postleizahl.) Die räumliche Adresse ist nachwievor ein Teil eines Namens, einer Firma usw. und das hat, wie jeder Immobilienmakler schon lange weiß, sogar ganz objektive Auswirkungen, und zwar auf die Standortwahl. Ich habe mich nie meines Geburtsortes Wanne-Eickel geschämt. Im Gegenteil, der Name ist nun wirklich Kult. Werde nie vergessen als mich einer mal, nach der Nennung meiner räumlichen Herkunft, fragte “ Hab schon viel davon gehört, aber, gibt´s die Stadt wirklich?“ Wer würde sie das z.B. bei Berlin je fragen. Aber mein alltäglicher Lebensraum ging schon seit meinem 6 Lebensjahr über diese Stadt hinaus in die umliegenden Orte. Das ist in Ruhr gar nicht anders möglich. Seit dem ich mir dessen auch geistig richtig bewusst war konnte ich mich weder mit dem Namen Wanne-Eickel respektive Herne, noch mit dem Namen Ruhrgebiet mehr identifizieren. Bei Ruhr und/oder Ruhrstadt geht das wieder.
Nun zum durchaus klugen und mittlerweile berühmten Zwischenstadt-Buch von Tom Sieverts: Erklärt wurde da (leider) sehr wenig. Es wurde vor allem beschrieben, und zwar etwas was schon lange lange lange da war von einem der sich selbst lange lange lange verweigert hat es zu sehen.Und alle anderen Blinden brüllten ganz verzückt Bravo. Und was Ruhr betrifft. Versuchen sie mal mit den Begriff der Zwischenstadt die Tatsache von hunderten von Arbeitersiedlungen zu klären und zwar in der unmittelbaren Nähe von Bauernhöfen und klassischen europäischen Innenstadtsegmenten. Es wäre schön, wenn sie sich endlich mal von ihren IBA-Übervätern und von deren glorreichen Selbstgeschichtsschreibung befreien könnten.
@ Jens
Wenn sie sich vom Begriff der Metropole und von der Hoffnung lösen könnten, dass das Land NRW oder sonst irgendeine Institution außerhalb von Ruhr was für Ruhr tun werden, dann könnte ich ihnen ohne wenn und aber zustimmen.Der Begriff der Metropole ist a) für die Zukunft von Ruhr nicht zielführend, ist b)als Selbstbschreibung die Weiterführung des „ewigen“ Minderwertigkeitskomplexes des Ruhr“gebietes“ und ist c)ein Maßstab der an „falsche“ Stadtbilder gekoppelt ist. Mit einem Satz: er führt bei Besuchern die sich durch diesen Begriff angelockt fühlen im realen Erleben unausweichlich zur Enttäuschung.
@Arnold: Als Zugezogener habe ich überhaupt keine Probleme mit dem Begriff der „Metropole Ruhr“. Das, was Sie als „Weiterführung des ewigen Minderwertigkeitsgefühles“ beschreiben, also das Gefühl des begrifflichen „Über das Ziel Hinausschießens“ oder der Vermessenheit kann nur ein Ruhreinwohner haben, der mit diesem Minderwertigkeitsgefühl aufgewachsen ist…
Auch die „falschen“ Stadtbilder sehe ich nicht, der Metropolenbegriff ist da ungeheuer dehnbar…es gibt da für mich keine begriffliche Korrektheit (wie vielleicht für Stadtplaner etc.)…
Vielmehr sehe ich den Metropolenbegriff ganz entspannt…und unorthodox… Unsere Herausforderung besteht einfach darin, dass wir die neue ?Metropole Ruhr? als ?komplexe Metropole anderen, besonderen Typs? kommunizieren, dass wir ?Metropole Ruhr? sagen und dabei den unvorstellbaren ?Metropolkomplex? dahinter aufblitzen lassen…es ist alles eine Frage der Kommunikation, dann können auch keine enttäuschten Erwartungen entstehen…
Aber ich bin da ganz guter Dinge…der Begriff der „Metropole Ruhr“ wird sich denke ich durchsetzen…immer mehr Institutionen verwenden ihn inzwischen konsequent (angefangen natürlich bei der regionalen Wirtschaftsförderung) und auch immer mehr Unternehmen „arbeiten“ damit…wir sollten uns weniger Gedanken darüber machen, welchen „falschen“ Eindruck dieser Begriff hinterlassen könnte, sondern eher überlegen, wir die „Metropole Ruhr“ als „Metropole anderer Art“ „richtig“ vermitteln…
Aber natürlich gilt eigentlich: nichts ist „falsch“ oder „richtig“, es gibt vielleicht höchstens ein „authentisch“…
@Arnold: Ich sehe den Begriff der „Metropole Ruhr“ eigentlich ganz entspannt – ohne Minderwertigkeitskomplex, das können Sie mir als „Zugezogenem“ glauben…ich glaube, diese „Widerspruchsproblematik“ stellt sich nur jemandem, der diesen „Komplex“ in sich trägt…
…ich suche lediglich nach einem Begriff, der kurz und allgemeinverständlich die überaus komplexe Struktur von „Ruhr“, die weit über den Städtebegriff hinausgeht, andeutet…
Ich sehe auch nicht die Gefahr der „falschen Stadtbilder“. Der Begriff „Metropole“ ist eben nicht eindeutig definiert, er ist dehn- und interpretierbar und muss natürlich entsprechend kommuniziert werden…als „Metropole anderen Typs“…
Aber so eine neue Kommunikation muss wachsen, entstehen …das ist ein langsamer Prozess…die regionale Wirtschaftsförderung hat da einen Anfang gemacht…immer mehr Unternehmen und Institutionen ziehen nach…
Lassen Sie uns nicht so viel nachdenken über irgendwelche möglichen enttäuschten Erwartungen, sondern darüber, wie sich die „Metropole Ruhr“ vermitteln lässt…das ist alles eine Frage der (authentischen) Kommunikation…
Noch kurz etwas zum Begriff „Ruhr“. Wir Ruhreinwohner haben ja begrifflich leider an zwei Fronten zu kämpfen: die Regionalbezeichnung „Ruhr-gebiet“ ist mit negativen Assoziationen verknüpft, die Bezeichnung „Ruhr“ in der Bedeutung der infektiösen Darmerkrankung um so mehr…
Kaum jemandem ist bewusst, dass „Ruhr“ ursprünglich auf die Bedeutung „Bewegung“ zurückgeht (vgl. „rühren), was für einen Fluss in meinen Augen schon ein poetischer Name ist…und für unseren Großstadtdschungel eine Konnotation, mit der sich „arbeiten“ lässt: „Ruhr – eine Metropole in Bewegung oder im Wandel“ etc. (eben „Wandel durch Kultur“)
Den Namen „Ruhr“ in Zukunft positiv erklingen zu lassen, ist eine Grundvoraussetzung für einen nachhaltigen Imagewandel…(auch hier wieder ist die Kampagne ruhr hoch n oder r der richtige Ansatz)
(ich hatte schon einen Beitrag geschrieben, der wahrscheinlich verloren gegangen ist, falls nicht, wird dieser hier dem vorigen sehr ähnlich gewesen sein)
@Jens: Für mich ist Ruhrgebiet nicht negativ besetzt. Es ist einfach meine Heimat. Eine Metrople sind wir nicht, weil wir kaum zentrale Funktionen besitzen – wir regieren uns ja nicht einmal selbst. Auch eine Metropole der anderen Art zeichnet sich sicher nicht dadurch aus, dass sie interational kaum wahrgenommen wird, kaum vernetzt ist ect. „Metropole“ zu werden ist ein Anspruch und der Weg dahin ist sicher noch weit – aber Arnold hat Recht: Wenn man sich so nennt, enttäuscht man die Besucher – und das sollte man nicht tun. Besser: Definieren was man braucht um Metropole zu werden und diese Programm abarbeiten. Das Ruhrgebiet braucht keine Diskussion über seinen Namen, sondern über das, was es werden will – oder, was es nicht werden möchte. Auch die Zukunft des Ruhrgebiets ist völlig offen: Diese Region kann, mit viel Anstrengung, wieder erfolgreich werden. Sie kann aber auch weiter an Bedeutung verlieren. Wir haben es selbst in der Hand und niemand anderes ist verantwortlich und niemand ist verpflichtet und zu helfen – im Gegenteil: Wir müssen uns unseren Teil nehmen und nicht erbetteln.
„Das Ruhrgebiet braucht keine Diskussion über seinen Namen, sondern über das, was es werden will – oder, was es nicht werden möchte.“
@Stefan: Dem stimme ich prinzipiell zu…die passenden (neuen) Namen kommen dann auch von selbst…dennoch: Sprache hat einen ungeheuren Einfluss auf die Wahrnehmung unserer Realität…dessen sollten wir uns gerade auch in Hinblick auf „Ruhr“ bewusst sein…
@ Arnold
Zwei kurze Nachbemerkungen, zu ?Zwischenstadt? und zu ?Sankt Ruhrgebiet?, ansonsten bin ich dafür, dann doch wieder eher die Radikalität im Denken und Handeln in den Blick zu nehmen, denn die ist es, die es braucht (und die hie und da, ganz vereinzelt, eben auch in Zöpels Weltstadt aufblitzt).
Zwischenstadt: Aus dem einen ?berühmten? Buch ist mittlerweile ein rundes Dutzend geworden; da werden Sie sicher auch ein Kapitel finden, dass Ihnen das Nebeneinander von Arbeitersiedlungen, Bauernhöfen usw. im Ruhrgebiet erklärt (was ja ohnehin kein Hexenwerk ist).
Sankt Ruhrgebiet? Ja, ein derartiges Konstrukt zwischen Stadt und Region, das einerseits so tut, als wäre es Stadt (wie San Francisco, Sankt Petersburg, Sao Paulo), aber gleichzeitig deutlich macht, dass es mehr ist (nämlich ein riesiges Territorium), das sich kurzerhand selber heilig spricht (und dabei nicht erst auf den Abgesandten irgendeiner Weltreligion wartet), das dieses peinlich-emsige Metropolengefiepe außen vor lässt, weil die Region eine ganz andere Begabung hat ? das hätte meine volle Sympathie.
St. Ruhrgebiet, 26. Mai 2008
DH
P.S.
Aber mit ?Ruhrgebiet. Mehr als eine Stadt? kann ich vorerst auch gut leben. Das reicht mir zum Identifizieren. Ehrlich.
@ Dirk
Leider habe ich da auch nix gefunden. Aber das soll nicht ihr Problem sein. Die Welt ist voller Bücher die systematisch an der Realität vorbei geschrieben werden. Sankt Florian ist übrigens auch eine Assozition die mir bei St. Ruhrgebiet gekommen ist. Vielleicht könnten wir uns als weiteren und vorläufigen (gemeinsamen) Arbeitstitel auf „Ruhr – mehr als eine Stadt“ ohne hoch Irgendwas einigen. Man muss sich ja nicht immer komplett mit etwas identifizieren. Erst recht nicht mit etwas von dem noch keiner genau weiß, was daraus werden wird oder soll oder kann.
Ich schätze meinen Parteigenossen Zöpel besonders wegen seines Engagementes für das Ruhrgebiet und für seine innovativen,kreativen Ideen dazu, wie wir unsere Region so verfassen können, daß sie auch im nationalen und internationalen Wettbewerb der Regionen eine gute Chance hat. Zöpel hat, daran habe ich vor einigen Tagen hier bei den Ruhrbaronen erinnert, unter anderem die Kommunalverfassung für „Groß-London“ als Modell empfohlen, mit dem sich die Ruhrgebietler näher befassen sollten, wenn sie über eine kommunale bzw. reginonale „Neuverfassheit“ ihres Reviers nachdenken.
Wenn Zöpel jetzt aufgrund einer aktuellen politischen Situation -Mehrheiten in der Verbandsversammlung des RVR, Mehrheiten im Landtag, große Koaltion oder rot-grün- eine von mehreren Koaltionsmöglichkeiten favorisiert, dann ist das eine dem Moment geschuldete persönliche Einschätzung der Situation, die man teilen oder die man ablehnen kann. Ich teile sie nicht. Ich halte diese Überlegungen auch als Beitrag zur notwendigen grundsätzliche Diskussionen über die Neuordnung des Reviers für ungeeignet. Ich denke, das war auch nicht das Ziel von Zöpel. Es kann doch sein, daß nach der nächsten Kommunalwahl im Frühjahr 2o14 die von Zöpel gesehenen Probleme sich kraft Wählerwillens erledigen, möglicherweise ja durchaus dem Wunsch von Zopel entsprechend.
@Walter Stach: Der Artikel ist von 2008…