Warum veröffentlichen Zeichner, Journalisten und andere Publizierende eindeutig antisemitisches Material, um sich dann wortreich davon zu distanzieren? In einem Video gibt der Karikaturist Burkhard Mohr (Süddeutsche Zeitung) die Antwort.
So geschehen etwa im vergangenen Jahr in der Stuttgarter Zeitung, bei Augstein, und zuletzt in der Süddeutschen Zeitung. Der Karikaturist Burkhard Mohr hatte aus der Whats App-Übernahme durch Facebook eine jüdische Krake gemacht, die – so schreibt auch Georg Diez auf Spon – direkt dem Stürmer entstammen könnte. Warum also veröffentlicht Mohr so etwas, um dann hinterher zu behaupten: „Antisemitismus und Rassismus sind Ideologien, die mir völlig fremd sind“? Dass seine „Zeichnung wie eine antijüdische Hetz-Zeichnung aussieht“, sei ihm „nicht aufgefallen.“
Mit seinem ersten Satz könnte Mohr Recht haben. Viele Antisemiten wissen schlicht nicht, dass sie Antisemiten sind, oder sich gerade antisemitisch äußern. Exemplarisch dafür ist der Satz von Kevin Barth, ehemaliger Kreisvorsitzender der Piratenpartei in Heidenheim:
„ok. ich bin also antisemit weil ich (…) den juden an sich unsympathisch finde (…).“
Wenn Mohr die Wahrheit sagt, also dass ihm die antijüdische Konnotation seiner Zeichnung nicht aufgefallen sei, sagt das noch lange nichts über seine tatsächlichen Ansichten aus. Kein Antisemit sein zu wollen, schützt nicht davor, einer zu sein. Dankenswerterweise gibt Mohr auf seiner Website Einblicke in seine Geisteswelt. Versehentlich beschreibt er in einem Video über seine Motivation zu zeichnen treffend, wie es in ihm denkt:
„Motivation ist in jedem Fall Betroffenheit, also Ärger, das kann bis hin zu Ärger und Zorn gehen. Und dann vielleicht so etwas wie ein Rachegelüste. Dann spitzt man die Feder und sticht sie ins Papier, beziehungsweise zeichnet auf dem Papier, und kann sich seinen Groll aus dem Bauch heraus wegzeichnen. Ich hab‘ ein Ventil: Ich kann den Nippel abmachen und dann kommt ‚pfffft‘ die giftige Wolke raus und ich bleibe gesund.“
Da brach sich wohl die giftige Wolke des Judenhasses Bahn. Woher sein „Groll“ oder seine „Rachegelüste“ gegen Juden kommen, bleibt vorerst sein Geheimnis. Oder er weiß es einfach nicht, denn dass er überhaupt „Groll“ verspürt, ist ihm ja nicht aufgefallen. Wie auch immer, das Ergebnis ist: Mohr bleibt gesund – und die Atmosphäre ist vergiftet.
Ich habe mal „jüdische Krake“ und „Datenkrake“ in Google Bildersuche eingegeben – Karikaturen der verschiedensten Art sind dabei rausgekommen, ein typisches Muster ist für mich nicht zu erkennen…
Der Begriff „Datenkrake“ ist ja nun nicht so selten und in Zusammenhang mit Fazzebook durchaus verständlich.
Bleibt also das interpretierbar Gesicht der Krake – Zitat Spon: „Der Krake hat einen lüsternen, verschlagenen Blick und zusammengekniffene Augen, er hat einen großen Mund mit fetten Lippen und einem hungrigen Grinsen, und in der Mitte des Gesichts thront eine mächtige, krumme Nase.“
Lüsterner, verschlagener Blick? Na ja – zu dieser Sichtweise muß man ersteinmal hingeführt werden. Hungriges Grinsen kann ich noch nachvollziehen – so wie man sich eine Datenkrake vorstellen kann, die Daten kommerziell nutzen will.
Bleibt die Nase – da wäre wohl mehr Geschichtsbewußtsein angebracht gewesen.
Martin N.,
ich habe so eben den Kommentar von DIEZ zu dieser Problematik, zu diesem Skandal (!!) bei SPIEGEL online gelesen.
Prima, daß Du hier bei den Ruhrbaronen diesen Skandal ansprichst und kommentierst.
Ich habe es bisher für undenkbar gehalten, daß eine solche Karrikatur in einer Zeitung wie der der Südd.Zeitrungen veröffentlicht würde. Und wenn DIEZ in diesem Zusammenhang auf andere einschlägige „Selbstverständlichkeiten“ in unserer Gesellschaft hinweist, dann besteht mehr denn je Anlaß über Antisemitismus und andere Ismen in der Gesellschaft nachzudenken und möglichst umfassen und massiv kritisch zu diskutieren, die allesamt ihre Wurzeln in einem Menschenbild haben, das mit den moralisch-sittlichen Grundprinzipien in unserer Gesellschaft und mit wesentlichen Verfassungsprinzipien, beginnend mit der unverletztlichen und unantasbaren Würde aller Menschen, absolut unvereinbar ist.
Natürlich beinhaltet das Bild antisemitische Stereotypen, und es war ein Fehler, es so zu zeichnen. Natürlich sollte ein deutscher Karikaturist sein Handwerk und die Geschichte seines Berufes kennen, das sollte also nicht passieren. Natürlich sollte in der Redaktion der Süddeutschen irgendjemand das bemerken und rechtzeitig auf die Bremse treten. Da ist viel schiefgelaufen, und nicht zum ersten Mal.
Aber Mohr hat um Entschuldigung gebeten und gesagt, er habe den Kraken aus „Fluch der Karibik“ zum Vorbild genommen. Dafür spricht der Hut, den er dem Kraken aufgesetzt hat. Ich glaube ihm.
Ein Zitat von ihm aus einem anderen Zusammenhang zu nehmen und das als Beleg dafür zu werten, dass er Antisemit, ist mindestens unfair. Antisemitismus ist immer noch ein Thema in unserer Gesellschaft, ja, aber es gibt bessere Beispiele (wie das Zitat von Kevin Barth). Wenn man künstlich eines konstruiert, erweist das der Sache einen Bärendienst.
@JR,
Sie verwechseln Entschuldigung mit Schuldabwehr. Entschuldigen kann sich nur, wer seinen Fehler auch einsieht. Mohr tut dies nicht, im Gegenteil: Er streitet ab.
Das ist ja leider nix neues in der SÜDDEUTSCHEN.
Und die Reaktion ist ebenfalls typisch: Überhaupt keine Absicht… liegt ihm fern… ist ihm gar nicht aufgefallen… schließlich hatte die Krake ja einen Piratenhut auf…
Ja, schon, aber wenn die Nase größer ist als besagter Hut, reißt es die Kopfbedeckung auch nicht mehr raus.
Also wem bei dem gezeichneten Gesicht nix auffällt, ist entweder blind oder war im Geschichtsunterricht anderweitig beschäftigt – vielleicht mit dem Malen von Karrikaturen, um gesund zu bleiben, wer weiß…
Wenn man weiß, dass der Gründer und Chef von Facebook, Mark Zuckerberg jüdischer Abstammung ist (der Name lässt dies erahnen, im Zweifel könnte man den auch mal googeln) und sich mit diesem Hintergrundwissen die Zeichnung von Burkhard Mohr anschaut, dann erschließt sich die Kritik an der Zeichnung recht schnell. Mohr nimmt sich hier einen Zuckerberg, zieht seine Nase ein wenig in die Länge, malt ihm noch einen Rauschebart, dessen Enden alle Computer dieser Welt anzapfen. Fertig ist die Kiste.
@Nansy
Google doch auch mal „antisemitische Karrikaturen“… hier schon mal ein Bild zum Vergleich:
@Martin Niewendick:
“ Ihm sei nicht aufgefallen, dass dies ‚wie eine antijüdische Hetz-Zeichnung aussieht‘. Es tue ihm sehr leid, ‚dass es zu diesem Missverständnis gekommen ist und ich womöglich die Gefühle von Teilen der Leserschaft mit meiner Zeichnung verletzt habe‘.“
(Tagesspiegel)
Was erwarten Sie von ihm? Ein Eingeständnis, dass er Antisemit ist?
@der, der auszog:
Da ich zur älteren Generation gehöre, sind mir antisemitische Karrikaturen nicht unbekannt – mich hat nur die Einordnung der Karrikatur als „jüdische Krake“ (so als gäbe es speziell dafür eine Typologie) gestört. Natürlich gibt es eine Typologie für antisemitische Karrikaturen (große Nase usw.).
Mark Zuckerberg als Datenkrake darzustellen, ist wohl nicht das Problem.
Für mich ist es die „Nase“, die die Zeichnung von Mohr so fragwürdig macht.
Die Auslegungen anderer Einzelheiten der Zeichnung sind für mich Überinterpretationen.
Typischer Antisemitismusvorwurf:
„Wenn Mohr die Wahrheit sagt, also dass ihm die antijüdische Konnotation seiner Zeichnung nicht aufgefallen sei, sagt das noch lange nichts über seine tatsächlichen Ansichten aus. Kein Antisemit sein zu wollen, schützt nicht davor, einer zu sein.“
Ein Vorwurf, gegen den sich keiner mehr verteidigen kann – so oder so, er ist schuldig!
Es sind die Idealisten, die von der eigenen Reinheit Überzeugten, die glauben zu solchen Mitteln greifen zu müssen.
Antisemiten sind jene, die in Zuckerberg nicht ein Individuum, sondern ausschließlich den Juden sehen. Nur wer dies tut, kann in dieser Karikatur Antisemitismus entdecken. Damit ist zum Autor dieses Artikels alles gesagt. Da hilft es auch nicht, sich selbst als Anti-Antisemiten darzustellen. Kein Antisemit sein zu wollen, schützt nicht davor, einer zu sein.
Auch bei beim oben verlinkten Dietz-Artikel kann man dieses Verhalten beobachten: „[…]aber warum sollte der erste Gedanke sein, dass der Gründer von Facebook Jude ist?“ Tja, warum wohl kommt Herrn Dietz dieser Gedanke? Ganz einfach: Er sieht in Zuckerberg ausschließlich den Juden, und nicht den Chef und Gründer von Facebook.
#9 Selbst wenn es so wäre, wie sie sagen, wäre diese Zeichnung hier in Deutschland auf Grund der Geschichte ein Problem. Egal ob der „Zeichner“ ein AS ist oder nicht: diese Zeichnung bedient auf jeden Fall das as. Klischee. Dies zumindest sollte ein „Zeichner“ der SZ wissen. Dieses Blatt geriert sich doch sonst gerne als moralische Instanz. Die Parallele zu entsprechenden „Vorbildern“ wie zum Beispiel der unsäglichen Fibel „Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Juden bei seinem Eid“ aus dem Stürmerverlag ist unübersehbar.
-Wilz-9
Für mich sind das „dialektische Versuche“, die helfen sollen, eine widerliche, antisemitische Karrikatur kleinzureden, ja , umzudeuten. Das mag bei dem einen oder anderen Erfolg haben; mich können diese Versuche von meiner Bewertung antisemitisch und von meiner Emotion „widerlich“ nicht abbringen.
-Und den DIEZ-Kommentar in SPIEGEL-online -sh.mein Hinweis darauf unter -2-, werde ich im Rahmen meiner Mitteln und Möglichkeiten möglichst „breit zu streuen“versuchen!!
@JR: zur Ähnlichkeit zwischen der Mohrschen krake und der aus „fluch der karibik“ sowie über den entscheidenden Unterschied habe ich auf http://www.israelreflex.de einen Beitrag veröffentlicht. Gruß! Pavel elver
Natürlich ist das eine antisemitische Karrikatur. Aber auch das Bild der Datenkrake selbst ist in dieser Verbindung antisemitisch, denn es assoziiert einen weltumspannenden und hinterhältigen (natürlich jüdisch geleiteteten) kapitalistischen Moloch der sich quasi wider den Willen der Facebook-Nutzer deren Daten aneignet.
Das allerdings ist nicht der Fall, denn die Nutzer stellen ihre Informationen freiwillig per Vertragsunterschrift zur Verfügung. Der Deal ist dabei gegenseitig, denn die Nutzer müssen für ihre weltweite Kommunikation nicht bezahlen. Eine Krake macht aber weder Verträge noch Deals mit denen, die sie aussaugt.
Diese Karrikatur versucht vermittels des Bildes der Krake den Face-Book-Nutzer jedoch genau diesen Opferstatus anzudichten, wodurch Zuckerberg natürlich zum Täter wird. Genauer gesagt zum profitgierigen jüdischen Monster, und genau das entspricht der zornigen Gedankenwelt des Karrikaturisten Mohr. Er als Rächer der durch die Zuckerbergs dieser Welt Ausgesaugten und Missbrauchten.
@#13 | Arnold Voss: FB saugt auch bei Nicht-Vertragspartnern, wenn Kontaktbücher von FB-Usern gnadenlos zur Quer-Identifizierung ausgenutzt und mit den netten Steifdaumen-garnierten Website-Visits abgeglichen werden. Insofern ist das Bild des Molochs, der auch vor vertraglichen Grenzen nicht im Traum zurückschreckt, um seine Machtstellung zwecks Umsatzgenerierung auszubauen, absolut gerechtfertigt.
Womit ich allerdings kein Fürsprecher der unbedarften FB-Nutzer sein möchte, im Gegenteil.
Hä? Wie jetzt? Scharfe Nase = Jude? AAHHHHH, was ist denn jetzt stereotyp(er)?
Der Mann heisst „Mohr“, das darf doch nicht wahr sein 😉
@ Klaus Lohmann # 14
Klaus, jedem der es wissen will ist die Praxis dieses Konzerns bekannt und er ist nicht der einzige der so handelt. Möglich wird ihm dieses Handeln jedoch nur, weil Hunderte von Millionen User offensichtlich nichts dagegen haben. Der Moloch ist also nicht Zuckerberg sondern alle die, die das Spiel mitspielen.
Der Konzern wäre ein Nichts ohne seine User. Sie haben ihm zu dem gemacht was er ist. Das System Face-Book existiert nämlich nur weil a l l e Beteiligten davon ein Vorteil haben. Auch die angeblich so unbedarften User.
[…] ist um einiges glaubwürdiger als die halbgaren Ausflüchte so manche Politiker, Journalisten und Cartoonisten. Im […]
Genau das meinte ich, totale (selbst)zensur. Damit scheisst ihr auf meinungsfreiheit.