Zufällige Treffen von SPD-Mitgliedern unterstützen den Kurs von Hannelore Kraft

Hannelore Kraft beim SPD-Landesparteitag im Februar 2010
Hannelore Kraft beim SPD-Landesparteitag im Februar 2010
Gestern und heute traf sich die nordrhein-westfälische Basis der SPD gleich viermal:

Vorab tagte jedoch am Vorabend der Landesvorstand der SPD und beschloss, was erstmal alles nicht geht. Keine große Koalition mit der CDU, keine Minderheitsregierung mit den Grünen zusammen, FDP und Linke hatten sich selber schon aus dem Rennen genommen und auch die Möglichkeit der Neuwahl lehnte die SPD ab.

Da fragt man sich, was dann noch die Alternative ist und erfährt die überraschende Antwort, dass man jetzt aus der Opposition heraus regieren möchte.

Natürlich könnte jetzt auch mal die nordrhein-westfälische CDU, die ja immer wieder darauf pocht, dass sie die Wahlen mit rund 6000 Stimmen gewonnen hat, das Heft des Handelns ergreifen, aber davon ist wohl eher nicht auszugehen. Es ist ja auch einfacher zu beobachten, was die SPD so macht und auf ein Scheitern zu hoffen.

Doch zurück zur Basis der SPD: In Bielefeld, Dortmund, Köln und Oberhausen fanden Regionalversammlungen der SPD NRW statt. Der Kurs des Landesvorstandes fand dort Berichten zufolge eine breite Zustimmung. Aussagen der SPD zufolge gab es dazu aber keine Abstimmungen. Das ist aber auch kein Wunder, denn die Regionalversammlungen gibt es eigentlich gar nicht:

Die Regionen der nordrhein-westfälischen SPD
In der Satzung der nordrhein-westfälischen SPD (klack) werden die Regionen im § 14 erwähnt. Da findet sich das Wort „Regionalversammlung“ jedoch nicht. Stattdessen gibt es ordentlich zu wählende Regionalkonferenzen, wo es maximal 200 Delegierte gibt, die regelmäßig (mindestens einmal im Jahr und bei Bedarf) tagen und versuchen regionale Interessen auf Landesebene durchzusetzen bzw. zu koordinieren.

Die Regionalversammlungen vom Wochenende hingegen gibt es in keiner Satzung. Sie sind also eigentlich nichts anderes als ein lockeres, „zufälliges“ Treffen von vielen Parteimitgliedern einer Region. Dort durften auch Basismitglieder dabei sein und sich mit Wortbeiträgen an der Diskussion beteiligen. Grundsätzlich ist das gut und es kann eigentlich jeder Partei nur nützlich sein, wenn man die Basis an Diskussionen beteiligt.

Dennoch wirkt es etwas merkwürdig, dass man solch satzungsferne Treffen stattfinden lässt. Ursprünglichverfolgte die nordrhein-westfälische SPD damit ein bestimmtes Ziel:

Eigentlich sollten die Regionalversammlungen die Meinung der Basis zur Beschlussfassung der Aufnahme von Koalitionsverhandlungen sammeln. Das ganze sollte dem eigentlichen Entscheidungsgremium, dem Landesparteirat, der für den Montag einberufen wurde, als eine Art „Entscheidungshilfe“ dienen.

Nachdem klar war, dass die Sondierungen zu keinem Ergebnis geführt haben, sollten die Regionalversammlungen eigentlich abgesagt werden. Pragmatischerweise (die Hallen waren schon gemietet…) entschloss man sich, die Regionalversammlungen dennoch durchzuführen und über die Beschlussempfehlung des Vorstandes (keine Koalition, keine Minderheitsregierung, keine Neuwahl) zu beraten. Sinn und Zweck war es die Entscheidung des Landesvorstandes zu erklären und dafür zu werben. Damit sollte dann die Deutungshoheit in der Öffentlichkeit erlangt werden. Für den Landesparteirat war das nicht wirklich entscheidend, denn dieser wird natürlich dem Vorstandsbeschluss folgen.

Vielmehr ging es darum, der CDU noch einmal zu verdeutlichen, was man von einer großen Koalition bei der SPD hält. Das hat man zwar eigentlich schon immer gemacht, aber in den Sondierungsgesprächen hatte man bei der CDU-Delegation das wohl nicht ganz verstanden und wohl eher als übliche Parteitaktik angesehen.

Morgen wird DER SPIEGEL über ein Gespräch vom Freitag zwischen Jürgen Rüttgers und Andreas Krautscheid (beide für die CDU) sowie Hannelore Kraft und Norbert Römer (beide für die SPD) schreiben:

Fraktionsvize Norbert Römer […] ließ keinen Zweifel an seiner Entschiedenheit. Nie und nimmer sei der Parteibasis ein Ministerpräsident Rüttgers zu vermitteln, polterte Römer.

Das dem auch so wirklich ist, dass konnte Jürgen Rüttgers dank der satzungsfernen Regionalversammlungen am Wochenende sowohl im Radio, dem Fernsehen als auch in Zeitungen lesen (und auch im Internet, falls er das nutzt). Am Samstag dann auch gleich noch mit lockerem Geburtstagsständchen und Übergabe von Geschenken für Hannelore Kraft inklusive.

Insofern sind die eher satzungsfernen Regionalversammlungen nur ein weiteres Mittel im Psychokrieg um die Macht in Nordrhein-Westfalen. Die Hoffnungen einzelner CDU-Verantwortlicher, dass man schnell eine große Koalition ohne Hannelore Kraft realisieren könnte, dürften sich damit erledigt haben. Jetzt weiß man auch in Pulheim, dass es die SPD ernst meint und die Basis (egal ob satzungsgemäß oder nicht) hinter Hannelore Kraft und ihrem Kurs steht.

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Christian S.
14 Jahre zuvor

Gute Analyse.

David Schraven
Admin
14 Jahre zuvor

Ich sag ja. Rüttgers muss abdanken. Das ist die Eitelkeit, die bei ihm geknickt werden muss.

Die Eitelkeit von Kraft, die geknickt werden
muss, bleibt: sie muss der SPD erklären, dass die Wahlen nicht gewonnen wurden. Sie
muss akzeptieren, dass sie so nicht Ministerpräsidentin werden kann.

Wenn beide Eitelkeiten weg sind, müssen beide Parteien eine Koalition bilden. Anders geht es nicht. Es geht um unser Land. Nicht um Parteiinteressen.

Wir brauchen bessere Schulen, wir brauchen einen vernünftigen Haushalt.

Wenn das hier alles Politpoker von SPD und CDU ist. Dann finde ich die Laienspielerei peinlich auf Kosten des Ansehens unserer Demokratie.

Disclaimer:
Der Autor sollte nur erklären, ob er in der SPD ist oder nicht, das fände ich fair.

Christian S.
14 Jahre zuvor

Achje, David. Politpoker gehört dazu. Ist doch albern, so zu tun, als wäre es anders. So naiv bist Du wohl kaum.

Mao aus Duisburg
Mao aus Duisburg
14 Jahre zuvor

Touché, Lutz Siegmann.

David Schraven
Admin
14 Jahre zuvor

@ Christian:

„Es geht nicht um Taktik, wir wollen den Politikwechsel.“

sagt Kraft.

Du sagst das Gegenteil? 🙂

das hier ist verantwortungslose Taktik auf dem Rücken der Demokratie.

David Schraven
Admin
14 Jahre zuvor

Der Begriff Polit-Vuvuzelas für Kraft und Rüttgers passt auf dieses peinliche Schauspiel übrigens sehr gut. Die beiden machen aus dem Parlament eines Landes von 17 Mio. Menschen ein Studentenparlament.

Auch in der Beobachtung des Geschehens sollte man sich nicht an den Partikularinteressen einer Partei orientieren, sondern am Interesse der Menschen. Das was hier gemacht wird, passiert in der Wirklichkeit und ist kein Spiel, das man spannend, lustig oder skurril finden kann.

Werner Jurga
14 Jahre zuvor

@ David
Nicht dass mich das Polittheater in Düsseldorf besonders anspräche. Nur: Deinen Alarmismus betreff „die Zukunft unseres Landes“ usw. finde ich ein wenig zu hoch gehängt. Es geht auch eine Idee lockerer.

Christian S.
14 Jahre zuvor

David, bin ich NRWSPD-Funktionsträger? Ich analysiere das so, wie es bei mir ankommt. Und ich glaube nicht, dass es bei Dir anders ankommt. Es ist ja nicht so, als ob NRW Atommacht wäre oder Nationalisten drohen, die Regierung zu stürzen. Die Suppe wird nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wird, um eine weitere Phrase anzubringen. 🙂

Karl-Georg Steffens
Karl-Georg Steffens
14 Jahre zuvor

Rüttgers möchte Ministerpräsident bleiben, obwohl er eine -10% Klatsche bekam. Hat er dafür ein Mandat? Wenn ja, dann kann er es doch jetzt einmal selbst probieren.
Vielleicht Jamaika? Oder eine schwarz-gelbe Minderheitsregierung? Oder die CDU macht der SPD mal ein Angebot. Hat sie nämlich noch nicht.

Wieso erwartet eigentlich die ganze Republik, dass wieder einmal die SPD die alleinige staatspolitische Verantwortung trägt? Wer hat denn die brutale Ohrfeige nach der großen Koalition bei der letzten Bundestagswahl bekommen? Die CDU?
Nein, natürlich die SPD. Und die muss jetzt akzeptieren, dass ein abgewählter Rüttgers wieder MP sein soll?
Also Leute, ganz im Ernst. Wenn Ihr von Masochisten regiert werden wollt, sagt es bitte deutlich.
Ach so: Ich bin seit 27 Jahren SPD-Mitglied. Ich muss übrigens in dieser Partei meinen Kopf nicht abgeben. Und bin stolz, dass ich heute in Köln eine offene Diskussion erlebt habe, wie ich sie noch nie genießen durfte.

Horst Wenzel
14 Jahre zuvor

Hallo Zusammen,

ich war bei der Regionalversammlung in Dortmund und ich finde den klaren Kurs der NRWSPD stark. Da beschließen die Düsseldorfer SPD-Spitzen erstmal auf alle Posten und Dienstwagen zu verzichten. Das gabs so glaub ich noch nie. Statt dessen, wollen Sie direkt zu Anfang einer Legistlaturperiode den wichtigsten Wahlkampf-Versprechen nachkommen, die lassen sich im Landtag mit den 90 Rot-Grünen Stimmen zu Gesetzen machen (selbst wenn sich die Linken sich enthielten).

Es geht um Themen, wie die Abschaffung von Studiengebühren und den pädagogisch fragwürdigen Kopfnoten und die Wiedereinführung einer demokratischeren Schulmitbestimmung. Ein Rettungsschirm für die NRW-Kommunen soll her und so manche soziale Untat der Landesregierung wird erneut zur Abstimmung gestellt.

Zum Thema Große Koaltion. Nein Danke: Die CDU war verdammt schlecht auf die Gespräche vorbereitet und hat sich inhaltlich ja wohl in den entscheidenden Landesthemen kaum ein Stück von „ihrer privat vor Staat klientelpolitik“ weg bewegt. Hannelore Kraft dann über die Bildzeitung ein Angebot zu Koaltionsverhandlungen zu machen ist in der Tat ein verdammt schlechter Stil. Inhaltlich wäre eine Große Koaltion ein großer Mist, bei dem nichts rumkommt. Dass da die Grünen meckern versteh ich nicht. Dachte die wären so inhaltlich orientiert.

@David Schraven: Ich bin überzeugter Sozialdemokrat und stolz darauf.

Liebe Grüße,
Horst

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[…] Zufällige Treffen von SPD-Mitgliedern unterstützen den Kurs von Hannelore Kraft (Ruhrbaron… – Mit schönen Bildern von der SPD-Basis wollen die NRWSPD und die Hannelore Kraft der CDU klar machen, dass eine große Koalition von der SPD-Basis nicht gewünscht sei. […]

Christian Lange
Christian Lange
14 Jahre zuvor

Man kann über solche Artikel wie oben nur mit dem Kopf schütteln. Da informiert eine Parteispitze die Basis und lässt sie zu Wort kommen. Und das wird dann kritisiert, weil die Regionalkonferenzen nicht in der Satzung steht.

Daniel Bär
14 Jahre zuvor

Ich bin auch Mitglied der SPD und war bei der Regionalversammlung in Köln dabei. Das, was ich dort erlebt habe, lässt mich hoffen. Hannelore Kraft und zwei Vertreter aus der SPD-Sondierungskommision (aus der Region) haben detailliert über die verschiedensten Sondierungsgespräche erzählt. Das war sehr gut und wichtig. Denn nicht wenige sind zur Versammlung gekommen, mit der Forderung, eine Minderheitsregierung zu wagen. Doch nach vielen guten Argumenten haben praktisch alle anwesenden Genossinnen und Genossen – es durfte jedes Mitglied teilnehmen – sich für den Weg, den Hannelore Kraft vorgeschlagen hat, ausgesprochen. Ich habe selten eine so große Offenheit, die Lust auf Diskussionen und Meinungsaustausch erlebt, wie bei dieser Versammlung.

Klar, diese Art von Meinungsbildung in der NRWSPD existiert laut Satzung nicht. Aber das war auch nicht notwendig. Denn es konnte jeder zu Wort kommen, was auch einige genutzt hatten. Das keine Regionalkonferenz stattgefunden hat, liegt auch an Formalien. Parteitage oder Regionalkonferenzen haben Fristen zu wahren, die Einladung muss korrekt erfolgen, damit die Delegierten auch satzungsgemäß entscheiden können. Jedenfalls war die Versammlung gut, hat zum Meinungsbild beim Parteirat am Montagabend beigetragen – dieser hat das weitere Handeln vorgegeben.

dissenter
dissenter
14 Jahre zuvor

@Daniel Bär [et al.]
„Denn nicht wenige sind zur Versammlung gekommen, mit der Forderung, eine Minderheitsregierung zu wagen. Doch nach vielen guten Argumenten haben praktisch alle anwesenden Genossinnen und Genossen … sich für den Weg, den Hannelore Kraft vorgeschlagen hat, ausgesprochen.“

Was sind denn die vielen guten Argumente gegen eine Minderheitsregierung? Die Furcht, die eigene Partei könnte nicht geschlossen sein? Die Sorge, Schwarz-Grün-Anhänger bei den Grünen könnten in geheimer Wahl für Rüttgers statt für Kraft stimmen?

Es gibt kein Recht, bequem und vor allem völlig risikolos ins Amt der Ministerpräsidentin getragen zu werden. Es gibt aber eine Pflicht zu regieren, wenn man die Möglichkeit dazu hat, und die ist hier gegeben. Spätestens im vierten Wahlgang braucht Kraft keine absolute Mehrheit. Sie mag ein Risiko eingehen, aber sie gewinnt dafür die Regierungsbürokratie und die Bundesrats-Stimmen. Die eine braucht sie, um ihren Politikwechsel umzusetzen, die anderen, um den gröbsten Unfug der schwarzgelben Bundesregierung zu stoppen.
Wenn sie nicht antritt, dann kann es dafür nur eine Erklärung geben: dass die Person oder die Partei über das Land gestellt wird.

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