Jedes Jahr das Gleiche: Es ist Mitte Februar und plötzlich schieben mir die Werbealgorithmen der sozialen Medien – erst langsam, dann immer aggressiver werdend – Werbung für sexy Unterwäsche, „romantische“ Hotels und dergleichen in die Timeline, um mich zu erinnern: bald ist Valentinstag. Und das bedeutet: Männer sollen ihrer Partnerin Blumen, Pralinen und Schmuck kaufen und Frauen sollen sich mal wieder einen heißen Fummel anziehen, damit man sich mal wieder libidinösen Genüssen hingeben kann. Danach oder davor geht es dann ins überfüllte Restaurant (jedenfalls war das vor Corona so), um sich zwischen gefühlt tausend anderen Pärchen bei Kerzenschein und Blumendekor ein überteuertes „Valentinstagsmenü“ reinzukegeln. Ein Zwischenruf von unserer Gastautorin M. Chevaux.
Romantisch? Beim besten Willen wirklich nicht! Es ist mir wohl kaum mehr zuwider, als der Gedanke, wegen eines bestimmten Datums im Kalender ein regelrechtes Pflichtprogramm mit meinem Partner durchzuexerzieren, das sich jeder Spontanität entbehrt. Die verwaltete Welt schlägt zu: Am 14.02. jeden Jahres hat man sich zu beschenken, nette Sachen zu sagen und miteinander zu schlafen. Ist so. Und ganz nebenbei wird auch noch die Wirtschaft™ angekurbelt.
Man möge mich nicht falsch verstehen, ich lehne den Valentinstag nicht ab, weil er von den dummenoberflächlichenbösenwurzellosen Amis nach `schland schwappte oder weil ich aus pubertärer Edgyness an diesem Tag Horrorfilme schaue, Black Metal höre oder vermeintliche Misanthropie zur Schau stellen möchte, sondern einfach, weil ich mir nicht diktieren lassen möchte, wann ich mit meinem Partner eine schöne Zeit zu erleben habe.
„Liebe erwächst in Spontanität“ – klingt nach Kalenderspruch, findet sich aber auch bei verschiedenen Denkern aus Soziologie, Philosophie und dergleichen. Ist denn Romantik nicht eher, dem Partner die Süßigkeiten aus dem Supermarkt mitzubringen, die er am meisten mag? Aus einem schnellen Frühstück ein aufwendiges zu machen, weil einem gerade danach ist? Gemeinsam im Zimmer zu sitzen und jeweils an etwas anderem zu arbeiten und sich währenddessen durch nette kleine Gespräche aufzuheitern? Oder statt der Arbeit lieber gemeinsam einen Spaziergang zu machen? Gemeinsam schweigen zu können und das Gefühl zu haben, sich stets aufeinander verlassen zu können? Diese und viele weitere Kleinigkeiten haben im Gegensatz zu dem geregelten Valentinstagskomplettprogramm den Vorteil, dass man sie ganzjährig erleben kann. Sie kosten auch noch wenig, allerdings haben sie den Nachteil, dass sich solch eine Beziehung eben nicht durch Konsum erwerben lässt – weder durch Pralinen, noch durch den sexy Fummel aus der nächstgelegenen Filiale einer Lingeriekette.
Ich nehme gleichwohl Pralinen, Blumen, Schmuck und ein nettes Essen gern an – spontan, einfach so oder wenigstens zum Jahrestag der Beziehung/Freundschaft plus/Wasauchimmer oder dem Tag, an dem man sich zum ersten Mal geküsst hat oder gemeinsam verballert nach der Afterhour nach Hause gegangen ist.