Wenn ab kommenden Sonntag um 23.35 Uhr wöchentlich die ersten drei Folgen von „Wo warst du als,…?“ (Autor: Christian Dassel) in der ARD ausgestrahlt werden, dann stammt die Musik hierzu von zwei im Ruhrgebiet wohl bekannten Komponisten. In der Serie geht es um persönliche Erinnerungen an plötzliche historische Ereignisse (9/11, die Tsunami-Katastrophe, der Mauerfall), im Ruhrbarone-Gespräch mit Tim Bernhardt um Soundästhetik und das Arbeiten für verschiedene Medien.
Ruhrbarone ?: Das ist ja nun jetzt nicht die erste Arbeit von Yoshino und dir für’s Fernsehen, es gab ja zum Beispiel auch schon „Kriminalzeit“. Wie kommt es eigentlich zu so etwas? Per Ausschreibung?
Tim Bernhardt !: Das sind natürlich Kontakte, die man sich über die Jahre erarbeitet hat. Es geht in erster Linie um Vertrauen, da kann nicht einfach ausgeschrieben und dann mal geguckt werden, ob das auch klappt. Die Leute brauchen innerhalb einer vorgegebenen Zeit und im Rahmen eines vorgegebenen Budgets Musik zu den Bildern, die sie im Kopf haben.
?: Bekommt man dann die gesamte Serie zu sehen oder passiert alles viel früher?
!: Das geht schon alles viel journalistischer zu. Die Leute schicken Drehbücher, Skripte zur Sendung, vielleicht auch ein paar Bilder. Es gibt zunächst die Zusage an die Autoren, dass eine Serie gemacht werden kann, und dann kommen immer mehr Ideen und Themen, die an uns weitergegeben werden, so dass wir uns immer aktuell auf den Stand der Dinge einstellen können.
?: Und wie konkret gibt man etwas ab? Gibt man einzelne Themen, Stücke ab, oder auch dezidiert zu einer Szene passende Musik?
!: Im Grunde beides. Es gibt eine Grundstimmung und eine Dramaturgie. Also entwickelt man ein Stück, das verschiedene Phasen hat. Abgegeben werden natürlich Dinge, die schon hörbar sind, weshalb die dann meist schon recht elaboriert sind. Und dann werden die Bälle noch dreimal hin und her gespielt, so á la „Das ist ja schon einmal nicht schlecht, aber an der Stelle brauche ich noch das und das.“ Die Leute in der Post-Produktion brauchen dann auch immer Klänge, auf die sie ihre Schnitte setzen können. Irgendwelche „zips“ und „zapps“ kommen da immer gut an. Also beginnt man manchmal sogar mal eher direkt mit so etwas.
?: Und inwiefern kann man sich vorher überhaupt mit der Bildästhetik auseinander setzen, um es stimmig zu bekommen?
!: Fast gar nicht. Man ist halt günstigenfalls auf die Vorlieben der Macher eingestellt. An einer Stelle bei „Wo warst du als…?“ wollte Christian Dassel alles sehr dissonant haben, aber das kam nicht durch. Das war für alle Beteiligten schlecht, also haben wir daraus gelernt. Die Sendung an sich hat von der Umsetzung her eine gewisse Härte, so eine nüchterne Direktheit, und dazu passt es dann auch, dass wir teilweise eher Sounddesign machen. Wir haben also hin und wieder nur einzelne Spuren geschickt, und Christian Dassel bearbeitet die dann selbst und benutzt manchmal nur einzelne Elemente. Er produziert sonst auch „Hier und Heute“ und „Hart aber Fair“ und mag durchaus abgefahrene Themen, aber nicht unbedingt das Reißerische.
?: Ihr arbeitet ja zu zweit an dieser Sache, und Joachim Schaefer (Foto unten) ist ja auch noch Musiklehrer. Was macht ein Tim Bernhardt (Foto oben) sonst in diesem Bereich noch?
!: Zunächst einmal ist das ein großer Vorteil, zu zweit zu arbeiten. Oft kommt man halt alleine nicht weiter, verzweifelt fast, verliert sich in einem Detail… Aber weil Yoshino jetzt auch noch Familienvater ist, mache ich derzeit quasi die Geschäftsführung alleine. Ich arbeite sonst generell im Bereich der Film-, Funk- und Fernsehwerbung. Das hat zum Beispiel gegenüber der Spielebranche auch den Vorteil, dass man sich nicht groß über Tagessätze streiten muss. Das ist gar nicht mein Metier. Ich habe ein großes Soundarchiv das ich lizensiere, da brauche ich nicht immer zwingend etwas neues entwickeln. Ein aktuelles Beispiel wäre derzeit eine AOK-Homepage für Jugendliche, die dann für 15- bis 20-Jährige direkt mal alles von Indierock über HipHop bis Techno geliefert bekommen hat.
?: Besten Dank für das Gespräch.